· Erbvertrag
Anwendung des § 2077 BGB auf einen kurz vor Eheschließung geschlossenen Erbvertrag

von RA Uwe Gottwald, VorsRiLG a. D., Vallendar
| Das OLG Celle hat sich mit der Unwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung des (künftigen) Ehegatten bei Vorliegen der Voraussetzungen der Ehescheidung und Zustimmung des Erblassers zum Scheidungsantrag, § 2077 Abs. 1 S. 2 BGB, befasst. Dabei hat das Gericht auch zur Wirkung von Erklärungen im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren entschieden. |
Sachverhalt
Der zwischen dem 19.12.23 und 6.1.24 verstorbene Erblasser war seit dem 18.9.15 mit der Beteiligten zu 1 verheiratet. Die Beteiligte zu 2 ist die Tochter des Erblassers aus einer anderen Verbindung. Vier Tage vor der Eheschließung, am 14.9.15, hatten der Erblasser und die Beteiligte zu 1 vor dem Notar sowohl einen Erbvertrag als auch einen Ehevertrag miteinander geschlossen. In diesem Erbvertrag haben sich die Erblasser und seine Ehefrau gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt. Die Ehefrau hat ein Vermächtnis zugunsten ihrer Tochter angeordnet. Es enthielt eine Anordnung, dass der Erbvertrag auch schon vor der Eheschließung gelten solle.
Am 29.12.21 reichte die Ehefrau des Erblassers bei dem Familiengericht einen „Verfahrenskostenhilfeantrag und Antrag auf Scheidung“ ein und gab an, die Parteien lebten spätestens seit dem 23.8.20 voneinander getrennt. Der Erblasser, anwaltlich vertreten, nahm im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren mit Schriftsatz vom 31.1.22 Stellung und erklärte: „1. Auch der Antragsgegner hält die Ehe der Beteiligten für gescheitert und möchte geschieden werden. Er wird einer Ehescheidung zustimmen oder einen eigenen Scheidungsantrag stellen. 2. Der Versorgungsausgleich ist von Amts wegen durchzuführen.“
Am 7.3.22 wurde dem Erblasser der Scheidungsantrag zu Händen seiner Verfahrensbevollmächtigten zugestellt. Er hat im Scheidungsverfahren die Unwirksamkeit der Regelungen im Ehevertrag geltend gemacht.
Die Beteiligte zu 1 hat ebenso wie die Beteiligte zu 2 bei dem Nachlassgericht einen sie jeweils als Alleinerbin ausweisenden Erbschein beantragt.
Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen und die zur Erteilung des von der Beteiligten zu 2 beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Dagegen wendet sich die Beteiligte zu 1 mit ihrer Beschwerde, mit der sie beantragt, den Antrag auf Erteilung des Erbscheins der Beteiligten zu 2 zurückzuweisen und einen Erbschein zu erteilen, der sie (die Beteiligte zu 1) als Alleinerbin ausweist. Insbesondere ist sie der Ansicht, dass eine Zustimmung des Erblassers zum Scheidungsantrag nicht vorgelegen habe, weil eine solche nicht als Prozesserklärung abgegeben worden sei. Darüber hinaus zweifelt sie auch an der Anwendung des § 2077 BGB auf den vorliegenden Erbvertrag.
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(Abruf-Nr. 246804) |
Entscheidungsgründe
Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen und die Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Gemäß § 2077 Abs. 1 S. 1 BGB sei eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tode des Erblassers aufgelöst worden sei. Der Auflösung der Ehe stehe es gleich, wenn zurzeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte (§ 2077 Abs. 1 S. 2 BGB). Die Verfügung sei nur dann nicht unwirksam, wenn anzunehmen sei, dass der Erblasser sie auch für einen solchen Fall getroffen haben würde (§ 2077 Abs. 3 BGB). Auf vertragsmäßige Zuwendungen (Erbverträge) fänden die für letztwillige Verfügungen geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung (§ 2279 Abs. 1 BGB). Es sei beim Erbfall unwiderlegbar zu vermuten, dass die Ehe des Erblassers und der Beteiligten zu 1 gescheitert sei.
Auch die Zustimmung des Erblassers zur Ehescheidung liege vor. Er habe über seine Verfahrensbevollmächtigte mitgeteilt, dass auch er die Ehe der Beteiligten für gescheitert halte und geschieden werden möchte sowie angekündigt, der Ehescheidung zuzustimmen oder einen eigenen Scheidungsantrag zu stellen. Dadurch habe der Erblasser deutlich zu erkennen gegeben, auch geschieden werden zu wollen. Dass er die Zustimmung lediglich angekündigt habe, weil es sich um eine Stellungnahme im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren gehandelt habe, lasse die Wirksamkeit der Zustimmung nicht entfallen. Der Erblasser habe zu keiner Zeit im laufenden Scheidungsverfahren zum Ausdruck gebracht, die Ehescheidung nicht mehr zu wünschen, insbesondere auch nicht dadurch, dass er die Folgesachen nachehelicher Unterhalt und Zugewinnausgleich anhängig gemacht habe.
Das Nachlassgericht habe auch rechtsfehlerfrei § 2077 BGB auf den zwischen der Beteiligten zu 1 und dem Erblasser geschlossenen Erbvertrag und die dort zugunsten der Beteiligten zu 1 getroffene Erbeinsetzung angewendet. Das Nachlassgericht habe auch zutreffend herausgearbeitet, dass der Erblasser und die Beteiligte zu 1 den Erbvertrag vier Tage vor der bereits feststehenden Eheschließung, für die das Aufgebot beim Standesamt bestellt gewesen sei, geschlossen hatten, also ein ernstliches Eheversprechen im Sinne einer Verlobung vorgelegen habe. In dem Erbvertrag werde der Erblasser bereits als „Ehemann“ bezeichnet. Ferner hätten die künftigen Ehegatten geregelt, dass „dieser Erbvertrag auch schon vor unserer Eheschließung gelten (solle)“. Gerade dieser Satz bringe zum Ausdruck, dass der Erbvertrag mit gegenseitiger Erbeinsetzung im Hinblick auf die Eheschließung zustande gekommen sei.