· Fachbeitrag · Erbenhaftung
Keine Beschwer bei Angriff gegen den Ausspruch des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung
von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm
| Greift der Kläger allein den Ausspruch des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung an, ist die Revision mangels Beschwer jedenfalls unzulässig, wenn der Vorbehalt nach § 780 Abs. 2 ZPO entbehrlich war ( BGH 17.2.17, V ZR 147/16, Abruf-Nr. 194587 ). |
Sachverhalt
Die Klägerin (W), eine Wohnungseigentümergemeinschaft, nimmt das beklagte Land (L), das den verstorbenen Wohnungseigentümer gem. § 1936 S. 1 BGB beerbt hat, auf Zahlung von Wohngeld in Anspruch. L hat die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses erhoben. Das AG hat der Klage stattgegeben. Das LG hat die Klage teilweise abgewiesen und L die beschränkte Erbenhaftung vorbehalten. Mit der Revision wendet sich die W erfolglos gegen den Vorbehalt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist mangels Beschwer der W unzulässig, § 552 Abs. 1 S. 2 ZPO. Die klagende Partei ist durch eine gerichtliche Entscheidung nur beschwert, wenn diese von dem gestellten Antrag zu ihrem Nachteil abweicht, ihrem Begehren also nicht voll entsprochen worden ist (sog. formelle Beschwer, BGH NJW-RR 07, 765). So verhält es sich i. d. R., wenn der Urteilstenor hinter dem Antrag zurückbleibt. Zwingend ist das aber nicht. Entscheidend ist, ob der rechtskraftfähige Inhalt der angefochtenen Entscheidung hinter dem Rechtsschutzbegehren der klagenden Partei zurückbleibt (BGH NJW 93, 2052).
Dies war hier nicht der Fall. Die Entscheidung wendet sich allein dagegen, dass dem L im Urteil der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung zugebilligt wurde. Dies führt nicht dazu, dass der W weniger zugesprochen worden ist als beantragt. Denn der Vorbehalt hatte keine über den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des L hinausgehende Wirkung. Der Fiskus kann sich stets, also unabhängig davon, ob ein Vorbehalt in das Urteil aufgenommen wurde, auf die Einrede der beschränkten Erbenhaftung berufen, § 780 Abs. 2 ZPO. Wird er ‒ wie hier ‒ zur Zahlung verurteilt, besteht kein Unterschied zwischen dem rechtskraftfähigen Inhalt einer Entscheidung mit und ohne Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung.
MERKE | Für einen Erben gilt, dass nach dem Erbfall fällig werdende oder durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft begründete Wohngeldschulden jedenfalls auch Eigenverbindlichkeiten des Erben sind, wenn ihm das Halten der Wohnung als ein Handeln bei der Verwaltung des Nachlasses zugerechnet werden kann. Hiervon ist i. d. R. spätestens auszugehen, wenn er die Erbschaft angenommen hat oder die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist und ihm faktisch die Möglichkeit zusteht, die Wohnung zu nutzen (BGH ZEV 13, 609). Ob das auch für den Fiskus als Erben gilt, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt. |
Relevanz für die Praxis
Der BGH hat ausdrücklich offengelassen, ob keine Beschwer vorliegt, wenn nicht der Fiskus als Erbe (§ 780 Abs. 2 ZPO) verklagt ist, sondern ein „normaler“ Erbe gem. § 780 Abs. 1 ZPO betroffen ist. Ein Vorbehalt gem. § 780 Abs. 1 ZPO beschwert den Kläger nicht, weil die Frage, ob er die Haftung auf den Nachlass beschränken konnte, damit sachlich nicht entschieden wird (BGH NJW-RR 10, 664). Der Vorbehalt schränkt die Verurteilung des Erben zur Zahlung nicht ein und hindert den Kläger auch nicht, in das Eigenvermögen der Erbin zu vollstrecken, § 781 ZPO. Die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass muss der Erbe mittels einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 785 ZPO geltend machen. Ob der BGH daran uneingeschränkt festhält ist fraglich, da er diese Frage sowohl in dieser Entscheidung als auch in der Entscheidung NJW-RR 10, 664 ausdrücklich offengelassen hat.
Es steht im Ermessen des Prozessgerichts, ob es die Frage des Haftungsumfangs im Erkenntnisverfahren sachlich aufklärt und darüber entscheidet oder ob es sich mit dem Ausspruch des Vorbehalts der Haftungsbeschränkung begnügt und die sachliche Klärung insoweit dem besonderen Verfahren gemäß § 785 ZPO überlässt (vgl. BGH NJW-RR 10, 664; 89, 1226; Zöller/-Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 780 Rn. 15). Es ist streitig, ob das Prozessgericht verpflichtet ist, über die Haftungsbeschränkung zu entscheiden, wenn der Rechtsstreit zur Entscheidung reif ist (so wohl z. B. KG NJW-RR 03, 941). Wenn das Prozessgericht über die Beschränkung der Erbenhaftung entscheidet und diese ablehnt, bleibt dem Erben nur der Rechtsmittelweg. Entscheidet das Gericht sachlich über das Bestehen oder Nichtbestehen der Haftungsbeschränkung, ist die Frage auch für spätere Prozesse, wenn nachträglich keine anderen Umstände eintreten, rechtskräftig entschieden. Dies bedeutet, dass es prozesstaktisch unklug ist, unvollkommen aber für eine Entscheidungsreife ausreichend vorzutragen. Dies begründet das Risiko, dass das Prozessgericht ablehnend entscheidet.
Das Prozessgericht hat folgende Möglichkeiten: Es kann
- ohne Vorbehalt urteilen, wenn die geprüfte Möglichkeit der Beschränkung der Erbenhaftung verneint wird;
- die Klage abweisen, wenn die (geprüfte) Haftungsbeschränkung bejaht wird, aber feststeht, dass dem Zugriff des Klägers offenstehende Vermögensstücke in der Nachlassmasse nicht oder nicht mehr vorhanden sind (OLG Celle NJW-RR 88, 133);
- nur zur „Leistung aus dem Nachlass“ verurteilen, wenn die Beschränkung der Erbenhaftung vom Prozessgericht geprüft und bejaht wird. Begnügt sich das Gericht in zulässiger Weise mit dem Ausspruch des Vorbehalts, kommt es im Erkenntnisverfahren nicht darauf an, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung erfüllt sind (NJW-RR 10, 664). Wenn in dem erstinstanzlichen Urteil Ausführungen zur Einordnung der Forderungen z. B. als Nachlassverbindlichkeiten gemacht werden, werden diese Ausführungen nicht von der materiellen Rechtskraft erfasst. Sie binden bei einer Vollstreckungsabwehrklage des Erben gem. § 785 BGB das zuständige Gericht weder über § 318 ZPO noch gem. § 322 ZPO.