01.10.2006 | Ausschlagung
Wirksame Anfechtung der Erbannahme
1.Zu den Anforderungen an die Kenntnis des gesetzlichen Erben von dem Anfall und dem Grunde der Berufung für den Beginn der Frist zur Ausschlagung der Erbschaft. |
2.Zur Anfechtung der Versäumnis der Ausschlagungsfrist, wenn die Erbschaft wegen Verstreichens der für die Ausschlagung vorgeschriebenen Frist als angenommen gilt. |
(OLG Zweibrücken 23.2.06, 3 W 6/06, Abruf-Nr. 061003) |
Sachverhalt
Zum Zwecke der Zwangsvollstreckung hatte der Gläubiger G nach § 792 ZPO die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der bezeugen sollte, dass der Kläger aufgrund gesetzlicher Erbfolge alleiniger Erbe ist. Dem Beschwerdeführer B war mit Schreiben vom 11.3.04 vom Nachlassgericht mitgeteilt worden, dass seine Geschwister die Erbschaft wegen Überschuldung des Nachlasses ausgeschlagen hatten. Er wurde darüber belehrt, dass er die Erbschaft nur binnen sechs Wochen ausschlagen kann und die Frist mit Erhalt des Schreibens zu laufen beginnt (§§ 1944, 1945 BGB). Unverzüglich antwortete der Kläger mit eigenhändigem Brief, dass er „die Nachlasssache ablehne“. Der Nachlassrechtspfleger wies mit Schreiben vom 15.4.04 auf die Formunwirksamkeit der Erbausschlagung hin. Am 18.5.04 – also nach Ablauf der Frist – ging beim Nachlassgericht eine notariell beglaubigte Erklärung vom 20.4.04 ein, worin B die Erbschaft aus allen Berufungsgründen ausschlägt. Mit einem späteren Schreiben in notariell beglaubigter Form erklärt er die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist.
Entscheidungsgründe
Nach § 1944 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 BGB und § 1945 Abs. 1 BGB muss in Fällen ohne Auslandsberührung die Ausschlagung durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht binnen sechs Wochen ab dem Zeitpunkt erfolgen, in welchem der Erbe von dem Erbfall und dem Grunde seiner Berufung Kenntnis erlangt. Die Kenntnis von dem Anfall und dem Berufungsgrund (§ 1944 Abs. 2 S. 1 BGB) setzt Folgendes voraus:
- Der Erbe muss bestimmte und überzeugende Kenntnis davon haben, dass der Erblasser gestorben und er selbst Erbe geworden ist.
- Hierzu muss er auch wissen, aus welchem konkret einschlägigen Tatbestand sich seine Berufung zur Erbschaft ergibt. Wie § 1948 Abs. 1 BGB zeigt, ist die Berufung kraft Gesetzes ein anderer Grund als die Berufung durch Verfügung von Todes wegen.
- Die Ausschlagungsfrist beginnt erst zu laufen, wenn der Erbe nicht bloß von der Berufung überhaupt, sondern von dem tatsächlichen Berufungsgrund weiß. Als gesetzlichem Erben muss ihm deshalb bekannt sein, dass keine letztwillige Verfügung vorhanden ist, welche die gesetzliche Erbfolge ausschließt (Palandt/Edenhofer, BGB, § 1944 Rn. 2).
Kenntnis i.S. des § 1944 Abs. 2 S. 1 BGB setzt ein hinlänglich sicheres Erfahren der maßgeblichen Umstände voraus, aufgrund derer ein Handeln vernünftigerweise verlangt werden kann. Der gesetzliche Erbe kann von seiner Berufung nie mit absoluter Gewissheit Kenntnis haben, weil stets die Möglichkeit besteht, dass der Erblasser ein noch unbekanntes eigenhändiges Testament niedergeschrieben hat. Deswegen ist bei gesetzlicher Erbfolge Kenntnis des Berufungsgrundes grundsätzlich schon dann anzunehmen, wenn dem Erben die Familienverhältnisse bekannt sind und er nach den Gesamtumständen keine begründete Vermutung haben kann oder hat, dass eine ihn ausschließende letztwillige Verfügung vorhanden ist (Palandt/Edenhofer BGB § 1944 Rn. 4). Da das LG hierzu keine ausreichende Sachverhaltserforschung betrieben hatte, wurde die Sache zur anderweitigen Verhandlung zurückverwiesen.
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