01.11.2006 | Berliner Testament
Berufung der Abkömmlinge oder Anwachsung?
Die Annahme des hypothetischen Willens zur Ersatzberufung der Kinder des eingesetzten Verwandten kann insbesondere dann nahe liegen, wenn Ehegatten in einem Erbvertrag jeweils einen Verwandten des Ehemannes und der Ehefrau als Schlusserben zu gleichen Teilen berufen und die eingesetzten Schlusserben zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung noch Kinder sind (OLG München 6.7.06, 31 Wx 35/06, Abruf-Nr. 063166). |
Sachverhalt
Die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann, setzten sich in einem Berliner Testament gegenseitig zu Alleinerben und die Enkelin A des Ehemannes sowie eine Nichte B der Ehefrau zu je ½ zu Schlusserben ein. Die Nichte war beim Tod der Erblasserin bereits verstorben. Sie hatte zwei Kinder. Eine Ersatzerbenbestimmung enthielt das Testament nicht. Nach dem Tod der Erblasserin beantragte die A die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbin mit der Begründung, der Anteil des verstorbenen Miterben wachse ihr zu, da kein Ersatzerbe bestimmt worden sei. Später beantragten die Kinder der B, den Erbschein einzuziehen und einen neuen Erbschein auszustellen, in dem A und B je zur Hälfte als Miterben ausgewiesen werden. Denn eine ergänzende Auslegung ergebe, dass nach dem Willen der Eheleute die Abkömmlinge der B Ersatzerben sein sollten. Für eine Anwachsung sei kein Raum.
Entscheidungsgründe
Nach § 2099 BGB geht das Recht der Ersatzerben der Anwachsung vor. Deshalb ist bei der Auslegung einer letztwilligen Verfügung vorweg festzustellen, ob Ersatzerben (§ 2096 BGB) bestimmt sind. Die für die Einsetzung von Abkömmlingen geltende Auslegungsregel des §2069 BGB kann nicht – auch nicht analog – angewandt werden, wenn der Erblasser eine Person eingesetzt hat, die nicht zu seinen Abkömmlingen gehört (BGH FamRZ 73, 133). In einem solchen Fall ist der mutmaßliche Wille des Erblassers durch Auslegung zu ermitteln. Bei der Prüfung, ob der Erblasser die Ersatzerbenberufung der Abkömmlinge des Bedachten gewollt hat, ist entscheidend, ob die Zuwendung dem Bedachten als ersten seines Stammes oder nur ihm persönlich gegolten hat. Die Regelung im Testament, dass der Nachlass zu gleichen Teilen an einen Verwandten des Ehemannes und der Ehefrau fallen soll, deutet darauf hin, dass die jeweilige verwandtschaftliche Linie, also der jeweilige Stamm, gleichmäßig bedacht werden sollen.
Praxishinweis
Zunächst wird zwar klargestellt, dass die Vermutungsregelung des § 2069 allein bei Abkömmlingen gilt und nicht auf nahe Verwandte ausgedehnt werden kann. Gleichwohl kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass dann, wenn nahe Verwandte als Erben benannt sind und diese vor dem Erbfall wegfallen, deren Nachkommen im Wege der ergänzenden Auslegung des Testaments Ersatzerben werden. (GS)
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