· Fachbeitrag · Testament
Ersatzerbenberufung oder Anwachsung?OLG muss gemeinschaftliches Testament auslegen!
von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn
| Fällt einer der in einem gemeinschaftlichen Testament bestimmten Erben nach dem Tod des Erstverstorbenen weg, ist also dieser so bestimmte Erbe bereits seinerseits verstorben, und regelt das Testament keine Ersatzerbfolge, stellt sich die Frage, ob der Erbteil des vorverstorbenen Erben den übrigen eingesetzten Erben anwächst oder vielmehr dessen Abkömmlinge als Ersatzerben berufen sind. |
1. Schlusserben ja, Ersatzerben nein
Dem Beschluss des OLG München vom 11.6.18 (31 Wx 294/16, Abruf-Nr. 204285) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Eheleute, die keine eigenen Kinder hatten, errichteten in 1977 ein gemeinschaftliches Testament. Darin setzten sie sich zunächst gegenseitig zu Alleinerben ein. Zu Schlusserben bestimmten sie zwei Cousinen der Ehefrau und eine Nichte des Ehemanns. Die Ehegatten verfügten in dem Testament gegenständlich über ihr Gesamtvermögen: Im Ergebnis erhielten danach die Cousinen der Ehefrau etwa 73,4 % des Nachlasses, die Nichte des Ehemanns 26,6 %. Das maßgebliche Vermögen lag bei der Ehefrau; die gegenständliche Verfügung begünstigte jeweils die eigenen eingesetzten Verwandten.
Die Ehefrau verstarb im Jahr 1995, eine Cousine der Ehefrau (C1) verstarb bereits 2011, die andere (C2) im Jahr 2016. Beide Cousinen haben Kinder hinterlassen. Der Ehemann verheiratete sich neu und setzte mit notariellem Testament im Jahr 2014 seine zweite Ehefrau zur Alleinerbin ein. Nach dem Tod des Ehemanns (2015) beantragte dessen zweite Ehefrau einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweist. Dem sind die Kinder der vorverstorbenen Cousinen der Ehefrau und die Nichte des Ehemanns entgegengetreten. Sie sind der Auffassung, das Testament der Eheleute aus dem Jahr 1977 sei wechselbezüglich und bindend; weiter seien die Kinder der vorverstorbenen Cousinen als Ersatzerben berufen.
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