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  • Checkliste

    Stolperstein Erbscheinsverfahren

    von RA Dr. Michael Witteler, Münster

    Viele Erblasser sorgen überhaupt nicht vor. Aber auch in den Fällen, in denen der Erblasser die Erbeinsetzung genau bestimmt hat, ist die Erbauseinandersetzung oftmals schwierig. Das liegt daran, dass ein Erbe, der aus welchen Gründen auch immer die Auseinandersetzung blockieren möchte, hierzu zahlreiche Möglichkeiten besitzt. Bereits das Erbscheinsverfahren kann über drei Instanzen gehen. Inklusive Vorbescheid oder Zwischenverfügung können es sogar noch mehr werden. Somit kann ein Erbscheinsverfahren im schlimmsten Fall gut und gerne mehr als zwei Jahre dauern. Selbst wenn die Beschwerde und die weitere Beschwerde keinerlei Aussicht auf Erfolg haben, kann durch die Einlegung zumindest eine erhebliche Verfahrensverlängerung erreicht werden. Der Beitrag erläutert die Grundzüge des Erbscheinsverfahrens und geht auf die in der Praxis immer wieder vorkommenden Problemstellungen ein. Die wichtigsten Punkte sind in einer Checkliste zusammengefasst.

    1. Das Erbscheinsverfahren

    In aller Regel beginnt eine Erbauseinandersetzung mit dem Erbscheinsverfahren. Der oder die Erben haben regelmäßig das Problem, gegenüber Banken, Behörden etc. ihr Erbrecht nachweisen zu müssen. Hinzu kommt in vielen Fällen auch noch Streit über das Bestehen des Erbrechts und die Zusammensetzung der Erbengemeinschaft.

    Der Erbschein als amtliche Bescheinigung bezeugt folgende Punkte:

    • Person des Erben (Name, Todestag, letzter Wohnsitz),
    • Umfang des Erbrechts zur Zeit des Erbfalls (Erbquote),
    • Nacherbschaft und
    • Testamentsvollstreckung.

    Der Erbschein enthält jedoch keine Aussagen zu Umfang und Wert des Nachlasses (Kroiß, ZErb 00, 147).

    Rechtlich gesehen stellt der Erbschein ein Zeugnis über das Erbrecht und die Höhe des Erbteils dar (§ 2353 BGB). Solange nicht das Gegenteil bewiesen wird, begründet ein Erbschein zwei Rechtsvermutungen (vgl. § 2365 BGB):

    • Das im Erbschein angegebene Erbrecht einer Person und die Erbquote werden vermutet (positive Vermutung).
    • Es wird weiter vermutet, dass im Erbschein nicht angegebene Verfügungsbeschränkungen nicht bestehen (negative Vermutung).

    2. Zuständigkeit

    Generell ist für die Erteilung des Erbscheins das AG zuständig (§ 2353 BGB, § 72 FGG). Einzig in Baden-Württemberg sind die staatlichen Notariate zuständig. Innerhalb des Gerichts entscheidet der Richter, wenn ein Testament oder ein Erbvertrag vorliegt. In Fällen gesetzli cher Erbfolge entscheidet hingegen der Rechtspfleger (§ 3 Nr. 2c; 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG). Ist ausländisches Recht anzuwenden, ist immer der Richter zuständig (§ 16 Abs. 2 RPflG).

    Örtlich zuständig ist das Amtsgericht bzw. das Notariat, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte (§ 73 Abs. 1 FGG, § 7 BGB, § 3 FGG).

    3. Verfahren

    Der Erbschein wird nur auf Antrag erteilt. Der Antrag bedarf keiner Form, muss aber inhaltlich hinreichend bestimmt sein (vgl. § 2354 BGB zu den Mindestangaben). Da das ganze Verfahren aber im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit stattfindet, wird das Gericht im Zweifel auf die Stellung eines formal richtigen Antrages hinwirken. Im Antrag müssen zahlreiche Angaben gemacht werden. Besonders arbeitsaufwendig wird ein Antrag dann, wenn vorzulegende Urkunden fehlen. Dies können zum Beispiel Urkunden über Standestatsachen (Sterbeurkunde, Geburtsurkunde, Heiratsurkunde) sein. Hier muss dann aufwendig bei den jeweiligen Standesämtern geforscht werden.

    Praxishinweis: Wichtig ist auch, bei der Antragstellung Personen zu erwähnen, denen generell ein gesetzliches Erbrecht zustünde, die aber zum Beispiel auf den Pflichtteil verzichtet haben. Diesen muss unter Umständen rechtliches Gehör gewährt werden. Erkennt das Gericht erst später, dass eine derartige Person existiert, wird das Verfahren unnötig verzögert.

    Musterformulierung: Antrag

    An das
    AG X-Stadt

    Erbscheinsantrag

    Namens und im Auftrage meines Mandanten

    (Name, Anschrift)

    beantrage ich, einen Erbschein auszustellen, der meinen Mandanten als Alleinerben von (Erblasser: Name, Anschrift) ausweist. Der Erblasser ist am (Datum) in (Ort) verstorben (Anlage 1: Sterbeurkunde). Dem privatschriftlichen Testament vom (Datum, Anlage 2) ist zu entnehmen, dass mein Mandant zum Alleinerben eingesetzt wurde. Andere Verfügungen von Todes wegen oder weitere Personen, die auf Erbfolge oder Erbteil Einfluss haben, sind nicht bekannt. Mit Vorlage dieses Testaments wird der Ablieferungspflicht nach § 2259 BGB entsprochen.

    Rechtsanwalt

    Praxishinweis: Zumindest Kopien der Urkunden sollten gesammelt werden, da sich hieraus die ausstellende Behörde und alle sonstigen notwendigen Angaben ergeben, die eine Neubeschaffung erheblich vereinfachen. Das Nachlassgericht wird dann den Sachverhalt von Amts wegen ermitteln (§ 2358 BGB, § 12 FGG).

    4. Entscheidung des Gerichts und Rechtsmittel

    Es wird bei den möglichen Entscheidungen differenziert nach Zwischenentscheidungen (Zwischenverfügung, Vorbescheid) und Endentscheidungen (Erteilungsanordnung, Zurückweisung des Antrags).

    4.1 Zwischenverfügung

    Sollte der gestellte Antrag mangelhaft sein, die Mängel aber heilbar, muss das Nachlassgericht in Anlehnung an §18 GBO, § 139 ZPO eine Zwischenverfügung erlassen. Hier bezeichnet das Gericht die Mängel und gibt dem Antragsteller die Möglichkeit, diese in angemessener Zeit zu beseitigen. Eine Zwischenverfügung kann mit der Beschwerde angefochten werden (s.u.).

    4.2 Vorbescheid

    Ein Vorbescheid ist etwas, das dem deutschen Recht sonst eigentlich fremd ist. Dieses Institut ist im Gesetz nicht geregelt, durch die Rechtsprechung aber anerkannt. Er ist zulässig, wenn in Fällen einander widersprechender Anträge oder bei komplizierter Sach- und/oder Rechtslage vermieden werden soll, dass ein Erbschein mit den Rechtsscheinfolgen der §§ 2365, 2366 BGB in die Welt gesetzt wird.

    4.3 Zurückweisung

    Enthält der Antrag Mängel, die nicht beseitigt werden können, weist das Gericht den Antrag zurück. Dieser Beschluss ist zu begründen und kann mit der Beschwerde angefochten werden.

    4.4 Erbscheinserteilung

    Wenn das Gericht die entscheidungserheblichen Tatsachen als erwiesen ansieht, wird es den Erbschein erteilen (§ 2359 BGB).

    In einem solchen Vorbescheid kündigt das Gericht an, welchen Erbschein es zu erteilen beabsichtigt, falls gegen den Vorbescheid nicht binnen einer bestimmten Frist Beschwerde eingelegt wird. An seine Ankündigung ist das Gericht nicht gebunden. Da es sich nicht um eine gesetzliche Pflicht handelt, kann sie auch verlängert werden.

    4.5 Rechtsmittel

    Gemäß § 19 FGG ist gegen die Entscheidungen des Nachlassgerichts die Beschwerde statthaft. Diese ist vor dem LG zu führen. Solange die Beschwerde durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt wird, besteht kein Anwaltszwang. Aus § 29 Abs. 1 S. 1 FGG ergibt sich, dass dies erst bei Einreichung eines Schriftsatzes der Fall ist. Die Beschwerde kann unbefristet eingelegt werden.

    Gegen die Entscheidung des LG gibt es die weitere Beschwerde nach § 27 FGG. Für dieses Verfahren besteht Anwaltszwang (§ 29 Abs.1 FGG). Die weitere Beschwerde ist ebenfalls nicht an eine Frist gebunden. Über sie entscheidet das OLG.

    5. Entziehung des Erbscheins

    Der Erbschein kann eingezogen werden, wenn er unrichtig ist. Bei schweren Verfahrensfehlern (z.B. Zuständigkeitsverletzung, vom Antrag abweichende Erteilung) ist ein (ansonsten) materiell richtiger Erb schein einzuziehen (vgl. Brehm, FGG, Rz. 662). Bei materieller Unrichtigkeit ist der Erbschein z.B. einzuziehen, wenn ein falscher Erbe ausgewiesen wird. Die Einziehung erfolgt von Amts wegen. Jeder, der sich auf die Unrichtigkeit beruft, kann jedoch die Einziehung beantragen (§ 2361 Abs. 1 S. 1 BGB). Wenn der Erbschein nicht sofort eingezogen werden kann, muss ihn das Nachlassgericht für kraftlos erklären (§ 2361 Abs. 2 S. 1 BGB).

    Musterformulierung: Entzug

    An das
    AG Y-Stadt

    Einzug des Erbscheins (Nr.)

    Namens und im Auftrage meines Mandantin

    (Name, Anschrift)

    beantrage ich, in der Nachlasssache (Name), verstorben am (Datum, Aktenzeichen), den vom AG Y-Stadt am (Datum) ausgestellten Erbschein (Nr.) einzuziehen.

    Der Erbschein, der meine Mandantin und (Name) zu Miterben zu je ein Halb ausweist, ist unrichtig. Diese Erbeneinsetzung beruht auf dem privatschriftlichen Testament vom (Datum). Bei Sichtung des Nachlasses wurde eine rechtswirksame jüngere Verfügung des Erblassers gefunden (Anlage 1), die meine Mandantin nunmehr als Alleinerbin ausweist.

    Rechtsanwalt

    6. Abschließende Hinweise

    Das Erbscheinverfahren kann sich hinziehen, etwa wenn ein Miterbe das Verfahren mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln blockieren möchte. Der Erbe kann im Vorfeld eigentlich nur wenig zur Beschleunigung des Verfahrens unternehmen. Man kann als Erblasser allerdings zu einer Verfahrensbeschleunigung insofern beitragen, als durch eine eindeutige Erbregelung für klare Verhältnisse gesorgt wird. Dann bewahrt man das Gericht davor, über komplizierte juristische Fragen entscheiden zu müssen, was erfahrungsgemäß viel Zeit kostet.

    Während der Zeit der Unklarheit kann es passieren, dass einzelne Erben versuchen, Teile der Erbschaft, etwa wertvollen Schmuck, Bargeld oder zu Hause gelagerte Wertpapiere, verschwinden zu lassen. Zwar hat die Erbengemeinschaft einen Anspruch auf Herausgabe, dieser scheitert jedoch oftmals an Beweisschwierigkeiten. Hier kann es sich anbieten, im Testament einen Nachlassverwalter vorzusehen, so dass dieser unmittelbar nach dem Tode Gegenstände etc. sichern kann.

    Komplikationen treten auch auf, wenn der Erblasser oder einzelne Erben im Ausland leben. Hier sollte man sich rechtzeitig beraten lassen, welche Probleme dabei auftauchen können und wie man diese vermeiden kann.

    Checkliste: Erbscheinverfahren

    1. Wann benötigt man einen Erbschein?
    • bei der Umschreibung eines Grundstücks im Grundbuch,
    • auf Verlangen von Banken oder Versicherungen,
    • auf Verlangen einer Behörde,
    • auf Verlangen eines sonstigen Schuldners des Erblassers.

    2. Wer kann den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins stellen?
    • der Alleinerbe,
    • ein einzelner oder alle Miterben gemeinsam,
    • der Vorerbe bis zum Nacherbfall, der Nacherbe erst nach Eintritt des Nacherbfalls,
    • der Ersatzerbe nach Anfall der Erbschaft an ihn,
    • ein Nachlassgläubiger, der im Besitz eines endgültig vollstreckbaren Vollstreckungstitels ist,
    • Testamtentsvollstrecker, Nachlass- oder Insolvenzverwalter, Nachlassinsolvenzverwalter,
    • ein nichteheliches Kind, soweit neben ihm kein ehelicher Abkömmling oder der Ehegatte des Verstorbenen vorhanden ist (Ausnahme: das nichteheliche Kind ist als Erbe testamentarisch mitgenannt).

    3. Wo und wie muss der Antrag gestellt werden?
    • beim Nachlassgericht (Amtsgericht am letzten Wohnsitz des Verstorbenen; in Baden-Württemberg
    • bei den staatlichen Notariaten), grundsätzlich formfrei (zweckmäßigerweise wird man den ganzen Antrag aber von einem Notar oder Urkundsbeamten des Nachlassgerichtes vornehmen lassen).

    4. Welche Angaben erfolgen bei der Antragstellung?
    • Personalien des Erblassers (inkl. Staatsangehörigkeit und letztem Wohnsitz),
    • Todeszeit und Sterbeort,
    • Verfügung von Todes wegen (sämtliche),
    • beim gesetzlichen Erben: Verhältnis, auf dem sein Erbrecht beruht,
    • bei Ehegatten: Güterstand,
    • Personen, die für den Ausschluss oder die Minderung des Erbrechts von Bedeutung sein können,
    • Personalien des Erben,
    • Berufungsgrund,
    • Erbquoten der Miterben,
    • Antragstellung durch einen Miterben: die Erklärung, dass die anderen Erben die Erbschaft angenommen haben,
    • Verfügungsbeschränkungen wie Testamentsvollstreckung und Nacherbfolge,
    • Erklärung, ob ein Rechtsstreit über das geltend gemachte Erbrecht anhängig ist,
    • Bezeichnung der vorzulegenden Urkunden,
    • eidesstattliche Versicherung nach § 2356 Abs. 2 BGB.

    5. Welche Unterlagen sind zusammenzutragen?
    • Personenstandsbuch,
    • Todesurkunde,
    • Heiratsurkunde,
    • Ehevertrag/Eintragung ins Güterrechtsregister,
    • Geburtsurkunde.

    6. Welche Angaben stehen im Erbschein?
    • Angaben zur Person des Erblassers (Name und Todestag),
    • Namen des oder der Erben,
    • Nennung ihres jeweiligen Erbanteils als Bruchteil vom Erbe,
    • etwaige, den Erben auferlegte Verfügungsbeschränkungen,
    • Anordnungen des Erblassers zur Vor- und Nacherbschaft, Testamentsvollstreckung.

    Quelle: Erbfolgebesteuerung - Ausgabe 01/2002, Seite 25

    Quelle: Ausgabe 01 / 2002 | Seite 25 | ID 102374