Erbengemeinschaft Die Erbauseinandersetzung von Dr. Michael Witteler, RA/FA StR, Berlin Auf Grund der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) geht das Vermögen als Ganzes auf den/die Erben über. Verteilt sich ein Nachlass auf mehrere (Mit-)Erben, entsteht automatisch kraft Gesetz eine Erbengemeinschaft zwischen den Miterben (§ 2032 Abs. 1 BGB). Im Rahmen der Erbauseinandersetzung erfolgt die Abwicklung und Aufteilung des Nachlasses. I. Anspruch auf Erbauseinandersetzung Zur Abwicklung gehört die Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten (§ 2046 Abs. 1 S. 1 BGB) und - soweit notwenig - auch die Verwertung von Nachlassgegenständen, um dem Nachlass die zur Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten notwendige Liquidität zuzuführen. Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören auch Pflichtteilsrechte, Vermächtnisse und Auflagen (§ 1967 Abs. 2 BGB). Die Nachlassverbindlichkeiten sind vor Teilung des Nachlasses zu erfüllen (§ 2046 Abs. 1 S. 1 BGB). Für den Fall, dass die Miterben den Nachlass vor Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten unter sich aufteilen, hat der Gesetzgeber schwerwiegende Rechtsfolgen vorgesehen. Nach der Nachlassteilung kann keine Nachlassverwaltung mehr beantragt werden (§ 2062 Hs. 2 BGB), d.h. bei einem zulänglichen Nachlass können die Miterben keine Haftungsbeschränkung mehr herbeiführen und haften daher unbeschränkt und gesamtschuldnerisch (§ 2058 BGB). Ziel der Auseinandersetzung Sämtliche Gegenstände des Nachlasses sind zunächst gemeinschaftliches Eigentum der Miterben (§ 2032 Abs. 1 BGB). Am Ende steht die Übertragung der jeweiligen Nachlassgegenstände in das alleinige Eigentum der Erben. Dazu ist die dingliche Rechtsübertragung von der Erbengemeinschaft auf den jeweiligen Miterben erforderlich. Können sich die Erben nicht auf eine Verteilung des Nachlasses einigen, kann jeder Erbe Klage gegen die übrigen Miterben erheben, die auf die Zustimmung der übrigen Miterben zu den entsprechenden Einigungsverträgen und auf die Vornahme der erforderlichen Rechtshandlungen gerichtet ist. Anspruchsgrundlage hierfür ist der Anspruch auf Auseinandersetzung des Nachlasses (§ 2042 Abs. 1 BGB). Die Gesamtheit der dinglichen Verträge ist der geschuldete Auseinandersetzungsvertrag oder auch Teilungsplan. Der Anspruch des Miterben auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ist auf die Mitwirkung der übrigen Miterben an der Auseinandersetzung gerichtet. Grundsätzlich geht es dabei um die Einwilligung in die Verwertung von Nachlassgegenständen und um die Einwilligung in die Durchführung der Nachlassteilung nach einem konkreten Teilungsplan, dessen Inhalt sich aus den gesetzlichen Aufteilungsregeln ergibt. Der einzelne Erbe kann gem. § 2042 Abs. 1 BGB jederzeit die Aufhebung der Erbengemeinschaft verlangen, um die Auseinandersetzung zu beschleunigen. Auch Dritte haben Anspruch Der Anspruch des Miterben kann ggf. auch von anderen Personen geltend gemacht werden wie dem Erbteilserwerber (§ 2033 Abs. 1 BGB) oder einem Pfandgläubiger bei Pfandreife. Umstritten ist, ob auch ein Pfändungspfandgläubiger die Auseinandersetzung verlangen kann - nur eine Minderheit vertritt die Ansicht, dass es dabei der Mitwirkung des Miterben des gepfändeten Erbteils bedarf. II. Ausschluss und Aufschub der Auseinandersetzung Die Auseinandersetzung des Nachlasses kann durch Gesetz, Vereinbarung unter den Miterben oder Anordnung des Erblassers ausgeschlossen bzw. aufgeschoben sein. § 2043 BGB regelt den Aufschub der Auseinandersetzung, wenn bspw. die Erbteile wegen der zu erwartenden Geburt eines Miterben (Abs. 1), eines noch offenen Antrags über die Annahme an Kindes statt oder der noch ausstehenden Genehmigung einer vom Erblasser errichteten Stiftung (Abs. 2) noch nicht bestimmt werden können. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift in der Praxis ist begrenzt. Bei nicht fälligen oder streitigen Nachlassverbindlichkeiten kann und sollte jeder Miterbe verlangen, dass das zur Begleichung Erforderliche zurückbehalten wird (§ 2046 Abs. 1 S. 1 BGB). Soweit Mittel zurückbehalten werden, sind diese weiterhin gemeinschaftliches Eigentum der Miterben. Es findet daher nur eine teilweise Auseinandersetzung des Nach- lasses statt. Für die Nachveranlagung des Erblassers müssen regelmäßig Mittel zurückbehalten werden.
Erhebliche praktische Bedeutung haben die Fälle eines vom Erblasser angeordneten Ausschlusses der Auseinandersetzung, wenn bspw. der Erblasser die Veräußerung einer Immobilie verhindern möchte, die durch den Ehegatten, der nicht Erbe ist, noch weiter genutzt werden soll. Auch mit dem Ziel des Erhalts eines Unternehmens kann die Anordnung erfolgen. Der Erblasser kann die Auseinandersetzung des gesamten Nachlasses oder einzelner Nachlassgegenstände auf Dauer oder für einen bestimmten Zeitraum ausschließen (§ 2044 Abs. 1 BGB). Weil mit der Anordnung des Erblassers aber lediglich der Anspruch jedes Miterben auf Auseinandersetzung ausgeschlossen wird (§ 2042 Abs. 1 BGB) - d.h. kein Miterbe kann die Auseinandersetzung gegen den Willen der übrigen Miterben betreiben -, können die Miterben nach § 2040 Abs. 1 BGB über den Nachlass weiter verfügen und entgegen der Anordnung des Erblassers die sofortige Auseinandersetzung vornehmen. Will der Erblasser eine Umgehung seiner Anordnung verhindern, muss er eine Testamentsvollstreckung anordnen. Der Testamentsvollstrecker muss sich an die Anordnung des Erblassers halten, wobei auch hier nicht ausgeschlossen ist, dass sich der Testamentsvollstrecker mit den Erben auf eine sofortige Auseinandersetzung einigt (BGHZ 40, 115, 118).
Der Erblasser kann keinen zeitlich unbegrenzten Ausschluss der Auseinandersetzung anordnen. Nach § 2044 Abs. 2 S. 1 BGB wird das Verbot 30 Jahre nach Eintritt des Erbfalls unwirksam, sofern der Erblasser die Aufhebung nicht vom Eintritt bestimmter Ereignisse abhängig macht. Ferner wird die Anordnung beim Tod eines Miterben, bei Eintritt eines wichtigen Grundes (§§ 2044 Abs. 1 S. 2, 749 Abs. 2 BGB) wie der Eintritt der Volljährigkeit eines minderjährigen Erben (§ 1629a Abs. 4 BGB) außer Kraft gesetzt, sofern nicht etwas anderes angeordnet wurde (§§ 2044 Abs. 1 S. 2, BGB). Wirkungslos ist die Anordnung auch gegenüber Gläubigern des Erben - sofern der Erbteil auf Grund eines endgültig vollstreckbaren Titels gepfändet wurde - und in der Insolvenz des Miterben (§ 84 Abs. 2 InsO).
Die Erben können jederzeit vertraglich den Ausschluss der Auseinandersetzung vereinbaren. Eine solche Vereinbarung wird lediglich bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unwirksam (§ 749 Abs. 2 BGB). Auch die Wiederverheiratung des überlebenden Elternteils, der das Vermögen des minderjährigen Kindes verwaltet, stellt einen wichtigen Grund i.S. des § 749 Abs. 2 BGB dar, der trotz eines angeordneten Auseinandersetzungsausschlusses die Auseinandersetzung des Nachlasses zulässig macht. III. Auseinandersetzungsregeln Für die Auseinandersetzung sind folgende Grundsätze zu beachten:
Die gesetzlichen Regeln sehen in strenger Reihenfolge zwei Stufen der Auseinandersetzung vor:
Die Teilung in Natur Der gemeinschaftliche Gegenstand muss sich in gleichartige Teile zerlegen lassen, die den Quoten der Miterben entsprechen. Hauptanwendungsfall ist die Aufteilung von Geld, gleichartigen Wertpapieren oder Forderungen, die auf eine teilbare Leistung gerichtet sind, z.B. Bankguthaben. Bei Sachen vollzieht sich die Teilung in drei Schritten: Der Gegenstand wird in die den Erbquoten entsprechenden Anteile zerlegt, diese den einzelnen Mitgliedern zugewiesen und in ihr Alleineigentum übertragen. Bei Rechten (z.B. Forderungen gegen eine Bank) erfolgt die Teilung durch Abtretung. Die Erbengemeinschaft tritt dem jeweiligen Miterben einen seiner Erbquote entsprechenden Teil der Forderung oder des Rechts ab, sofern der Anspruch teilbar ist. Durch die Teilung darf keine Wertminderung eintreten. Eine Wertminderung ist nicht gegeben, wenn das Ganze nicht mehr wert ist als die Summe aller durch die Realteilung gewonnenen Einzelteile. Bei Geld oder Wertpapieren tritt keine Wertminderung ein, bei anderen Gegenständen ist dies anhand des Verkehrswerts zu ermitteln.
Jeder Miterbe hat die Kosten der Auseinandersetzung seinem Erbteil entsprechend quotal zu tragen. Wirken die übrigen Miterben bei der Auseinandersetzung des Nachlasses nicht mit, kann jeder Miterbe Klage erheben mit dem Antrag, diejenigen Handlungen vorzunehmen und diejenigen Erklärungen abzugeben, die zur Teilung erforderlich sind. Unteilbare Gegenstände Häufiger Anwendungsfall unteilbarer Gegenstände sind mit einem Gebäude bebaute Grundstücke. Die Erben haben keinen Anspruch auf eine Aufteilung des Hauses in Wohnungseigentum und die Übertragung einzelner Wohnungen. Die Erbengemeinschaft ist eine Miteigentümergemeinschaft. Bei Aufteilung des Gebäudes in Wohneigentum ("Eigentumswohnungen") hat jeder Wohnungseigentümer Sondereigentum an der ihm gehörenden Wohnung in Verbindung mit einem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum (§ 1 Abs. 2 WEG). Mit der Aufteilung entsteht eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die gem. § 11 WEG - im Gegensatz zur Miteigentümergemeinschaft - unauflöslich ist. Das Entstehen einer neuen, unauflöslichen Gemeinschaft, ist mit dem Ziel der Erbengemeinschaft i.d.R. nicht vereinbar. Allerdings können sich die Miterben jederzeit einvernehmlich auf eine Teilung des Gebäudes in Teileigentum einigen. Sofern zur Erbengemeinschaft unteilbare Gegenstände gehören, müssen die Gegenstände veräußert werden. Dies kann - soweit sich die Erben einig sind - durch freihändigen Verkauf geschehen. Einigen sich die Erben nicht, findet ein Zwangsverkauf nach den Vorschriften über den Pfandverkauf und bei Grundstücken durch Zwangsversteigerung ("Teilungsversteigerung") statt (§§ 2042 Abs. 2, 753 Abs. 1 S. 1 BGB). In Ausnahmefällen kann die Veräußerung eines Nachlassgegenstandes ausgeschlossen werden. So können die Miterben untereinander vereinbaren, dass eine Veräußerung an einen Dritten nicht stattfinden soll oder dass der Erblasser von Todes wegen bestimmt, dass ein bestimmter Gegenstand nicht an einen Dritten veräußert werden darf. Ein weiterer Fall des Ausschlusses der Veräußerung stellen Rechte dar, die ihrem Inhalt nach so ausgestaltet sind, dass sie nicht an Dritte veräußerbar sind (z.B. vinkulierte Geschäftsanteile). In solchen Fällen findet eine Versteigerung unter den Miterben statt. Teilungsanordnung Der Zwangsverkauf oder auch die Teilungsversteigerung eines Nachlassgegenstandes führen in der Regel zur Vernichtung wirtschaftlicher Werte. Um dies zu vermeiden, sollte der Erblasser in einem Testament vom Gesetz abweichende Regelungen zur Aufteilung des Nachlasses aufstellen (§ 2048 BGB). Derartige Regelungen bezeichnet man als Teilungsanordnungen. Der Erblasser kann die Teilung des Nachlasses auch dem Ermessen eines Dritten unterstellen, z.B. einem Testamentsvollstrecker. Erhält ein Miterbe auf Grund der Teilungsanordnung mehr als ihm eigentlich zukommen würde, so ist er den anderen Erben gegenüber ausgleichspflichtig. Die Teilungsanordnung wirkt lediglich schuldrechtlich, so dass sich die Erben einvernehmlich über sie hinwegsetzen können. Stattet der Erblasser die Teilungsanordnung hingegen mit den Rechtswirkungen einer Auflage aus, kann jeder Miterbe von den anderen den Vollzug der Teilungsanordnung verlangen (§§ 1940, 2194 BGB). IV. Teilungsvertrag Sind sämtliche Nachlassverbindlichkeiten getilgt (§ 2046 Abs. 1 S. 1 BGB), ist der verbleibende Überschuss nach den Teilungsvorschriften unter den Erben im Verhältnis ihrer Erbteile und unter Berücksichtigung der Ausgleichspflichten aufzuteilen (§ 2047 Abs. 1 BGB). Die Erben einigen sich vertraglich über die konkrete Aufteilung des Nachlasses und schließen zu diesem Zweck einen Teilungsvertrag. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung dieses Vertrags sind die Erben frei, sie können von den Auseinandersetzungsvorschriften der §§ 2042 ff. BGB abweichen. Gehören zu einer Erbengemeinschaft Eltern und deren minderjährige Kinder, sind die Eltern bei Vertragsabschluss von der Vertretung ihrer Kinder ausgeschlossen. Jedes Kind bedarf eines Ergänzungspflegers. Ebenso ist zu beachten, dass dann, wenn der Erbteil eines Ehepartners sein ganzes oder wesentliches Vermögen darstellt, die Zustimmung des anderen Ehepartners zum Abschluss des Teilungsvertrages erforderlich ist (§ 1365 BGB). Bei Gütertrennung bedarf es dieser Zustimmung nicht. V. Testamentsvollstrecker setzt einen Teilungsplan auf Der Testamentsvollstrecker hat die Pflicht, die Auseinandersetzung des Nachlasses unter den Miterben vorzunehmen (§ 2204 Abs. 1 BGB). Die Regeln für die Auseinandersetzung binden auch den Testamentsvollstrecker, sofern der Erblasser nichts anderes bestimmt hat (§ 2204 Abs. 1 BGB). Soweit bei Nachlassgegenständen eine Teilung in Natur ausgeschlossen ist, kann der Testamentsvollstrecker entweder einzelne unteilbare Gegenstände auf die Erben übertragen oder den Nachlass nach seinem pflichtgemäßen Ermessen - auch gegen den Willen einzelner Erben - veräußern. Nach Tilgung sämtlicher Nachlassverbindlichkeiten stellt der Testamentsvollstrecker einen sog. Teilungsplan auf. Der Teilungsplan ersetzt den Auseinandersetzungsvertrag zwischen den Miterben. Er wirkt verpflichtend und berechtigend für und gegen die Erben, sobald er vom Testamentsvollstrecker für verbindlich erklärt wurde. Eine Änderung des Teilungsplans ist nur möglich, wenn sich der Testamentsvollstrecker und alle Erben auf eine Änderung einigen. Der Testamentsvollstrecker hat die Miterben zu hören (§ 2204 Abs. 2 BGB), bevor er den Teilungsplan für verbindlich erklärt. Der Teilungsplan hat ebenso wie der Auseinandersetzungsvertrag keine dingliche Wirkung. Sofern Grundstücke zu übertragen sind, erklärt der Testamentsvollstrecker gemeinsam mit dem Miterben die Auflassung. Die Miterben können dem Testamentsvollstrecker die Befugnis zur Bewirkung der Auseinandersetzung nicht entziehen. Demnach darf der Testamentsvollstrecker die Auseinandersetzung auch vornehmen, wenn sich die Miterben auf eine andere Aufteilung geeinigt haben. | ||||||||||||||||||
Quelle: Erbfolgebesteuerung - Ausgabe 07/2004, Seite 173 |
Quelle: Ausgabe 07 / 2004 | Seite 173 | ID 102668