Erbenhaftung
Handlungshinweise bei unklarem Nachlassvermögen
von RA Dr. Michael Witteler, Münster
Nach einem Erbfall sehen sich die Erben mit vielen Problemen konfrontiert. Gerade bei einem möglicherweise überschuldeten Nachlass sind die Risiken für die Erben, die mit ihrem gesamten privaten Vermögen haften, erheblich. Allerdings gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, auf eine Erbeinsetzung zu reagieren. Wichtig ist in jedem Falle unverzüglich tätig zu werden, da es in diesem Bereich Fristen zu beachten gilt, die teilweise sehr knapp sind. Der Beitrag geht auf die Fragen der Annahme bzw. Ausschlagung einer Erbschaft, insbesondere die taktische Ausschlagung sowie auf Möglichkeiten der Haftungsbegrenzung aus Sicht der Erben ein.
1. Testamentseröffnung
Wenn es ein Testament gibt, erfolgt nach dem Erbfall zunächst die Testamentseröffnung. Nach der Testamentseröffnung steht fest, wer Erbe geworden ist. Dies ist die Grundlage für alle weiteren Überlegungen. Ohne Testament gilt die gesetzliche Erbfolge. Über den Termin zur Testamentseröffnung vor dem Nachlassgericht, zu dem die Erben nicht erscheinen müssen, wird eine Niederschrift angefertigt, die den Erben zur Kenntnis gebracht werden muss.
§ 2260 BGB sieht vor, dass ein Testament eröffnet werden muss. Zuständig für die Testamentseröffnung ist das Nachlassgericht, also das AG am letzten Wohnort des Verstorbenen (§ 73 FGG). Nach der gesetzlichen Regelung erhält das Nachlassgericht in jedem Falle Kenntnis von allen Testamenten: Entweder ist das Testament bei Gericht hinterlegt (§ 2258a BGB) oder aber, wenn es sich in den Unterlagen des Verstorbenen findet, besteht gemäß § 2259 BGB eine Ablieferungspflicht für alle, die es finden. Das gilt im Übrigen für alle Testamente, also auch für solche, die infolge einer späteren Neufassung nicht mehr wirksam sind.
Praxishinweis: Die Pflicht zur Ablieferung betrifft nicht nur Dokumente, die ausdrücklich als Testament oder letztwillige Verfügung bezeichnet sind, sondern alle Aufzeichnungen des Erblassers, die nach ihrem Inhalt ein Testament oder eine letztwillige Verfügung darstellen können.
2. Stellung des Erben vor Annahme der Erbschaft
Mit dem Tod des Erblassers geht dessen gesamtes Vermögen, der Nachlass, gemäß §§ 1922 Abs. 1, 1942 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes auf den oder die Erben über. Das gilt im Übrigen unabhängig davon, ob die Erben hiervon Kenntnis haben, und auch unabhängig davon, ob die Erben überhaupt schon feststehen. Zum Nachlass gehören alle Vermögenswerte und Schulden des Erblassers. Wegen der möglichen Ausschlagung fällt dem Erben die Erbschaft zunächst jedoch nur vorläufig an. Erst wenn er die Erbschaft (ausdrücklich oder konkludent, vgl.
Tz. 3) angenommen hat oder wenn die Ausschlagungsfrist ohne Ausschlagungserklärung abgelaufen ist, hat der Erbe endgültig geerbt.
Oft muss der (vorläufige) Erbe schon Geschäfte des Nachlasses führen, ohne dass er sich für eine Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft entschlossen hat. In dieser Schwebesituation zwischen Erbfall und Annahme der Erbschaft entspricht seine Rechtsstellung der eines Treuhänders, der Geschäfte für einen Fremden – hier für den endgültigen Erben – führt. Es greifen die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677 ff. BGB (§ 1959 Abs. 1 BGB), das heißt:
- Die Geschäfte sind so zu führen, dass sie den Interessen der endgültigen Erben und deren mutmaßlichem Willen entsprechen.
- Die endgültigen Erben haben einen Herausgabeanspruch bezüglich dessen, was im Rahmen der Geschäftsführung erlangt wurde.
- Der geschäftsführende vorläufige Erbe ist den endgültigen Erben u.U. zum Schadenersatz verpflichtet.
- Für die Tätigkeit erhält der vorläufige Erbe nur einen Auslagenersatz, aber keine Vergütung.
Unaufschiebbare Geschäfte bleiben auch für den endgültigen Erben wirksam (§ 1959 Abs. 2 BGB). Gleiches gilt für einseitige Rechtsgeschäfte gegenüber dem vorläufigen Erben, wie Kündigungserklärungen, Mahnungen, Anfechtungs- oder Rücktrittserklärungen, auch wenn der Dritte weiß, dass der Empfänger der Erklärung nur der vorläufige Erbe ist (§ 1959 Abs. 3 BGB).
Praxishinweis: Bei der Vornahme eines Geschäfts in der Schwebephase sollte der vorläufige Erbe prüfen, ob das Geschäft unbedingt notwendig ist, und wenn ja, wie den Interessen der endgültigen Erben am besten Rechnung getragen wird. Ferner ist darauf zu achten, dass in der Führung von Geschäften des Nachlasses keine konkludente Annahme der Erbschaft gesehen werden kann (vgl. Tz. 3.1).
3. Annahme/Ausschlagung der Erbschaft
Damit der Erbe nicht gegen seinen Willen mit Verbindlichkeiten belastet wird, die unter Umständen sein eigenes Vermögen übersteigen können, sieht das Gesetz eine Wahlmöglichkeit für den Erben vor: Die Erben können die Erbschaft im Ganzen annehmen oder im Ganzen ausschlagen (§§ 1943 bis 1953 BGB).
3.1 Annahme der Erbschaft
Mit der Annahme der Erbschaft übernimmt der Erbe endgültig alle Rechte und Pflichten, mithin also alle positiven und negativen Vermögenswerte.
Die Annahme einer Erbschaft muss nicht ausdrücklich erklärt werden. Ausreichend ist vielmehr ein Verhalten des Erben, das erkennen lässt, dass der Erbe die Erbschaft annehmen will. Bestimmte Handlungen werden regelmäßig als Annahme gewertet:
- Beantragung eines Erbscheins (§§ 2253 ff. BGB),
- Fortsetzung eines Prozesses, der durch den Tod des Erblassers unterbrochen wurde,
- Geltendmachen von erbrechtlichen Ansprüchen (z.B. Herausgabeanspruch des Erben gegen den Erbschaftsbesitzer, § 2018 BGB),
- Verkauf der Erbschaft (§ 2371 ff. BGB).
Führt der vorläufige Erbe Geschäfte des Nachlasses weiter, droht die Auslegung als konkludente Annahme, zumindest dann, wenn es sich nicht um unaufschiebbare Fürsorge- oder Sicherungsmaßnahmen handelt.
Zum Nachlass gehört eine vermietete Immobilie. Der Erbe, der noch nicht über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft entschieden hat, teilt den Mietern seine Kontonummer mit und nimmt Mietzahlungen entgegen, ohne auf seine unklare Stellung hinzuweisen. Hierin kann bereits eine Annahme der Erbschaft gesehen werden.
3.2 Ausschlagung der Erbschaft
Die Ausschlagung der Erbschaft bewirkt, dass der Ausschlagende endgültig den Nachlass nicht annimmt (§ 1953 BGB). Einerseits verliert der Ausschlagende sämtliche Ansprüche auf die noch vorhandenen Vermögenswerte, andererseits haftet er auch nicht für die Schulden. Die Ausschlagung muss sich immer auf das volle Erbe beziehen. Eine teilweise Ausschlagung ist nicht zulässig (§ 1950 BGB).
3.2.1 Wirkung der Ausschlagung
Bevor man eine Ausschlagung erklärt, sollte man sich unbedingt über deren Wirkungen im Klaren sein: Schlägt ein Erbe nämlich die Erbschaft aus, so hat dies rechtlich gesehen die Wirkung, als sei er bereits vorverstorben (§ 1953 Abs. 2 BGB). An seine Stelle treten entweder die Ersatzerben, sofern der Erblasser Ersatzerben bestimmt hat, oder die nach der gesetzlichen Erbfolge nächstberechtigten Erben (§ 1953 Abs. 2 BGB). Hierbei handelt es sich regelmäßig um die Kinder des Ausschlagenden! Diese Rechtsfolge sollte man immer vor Augen haben und darüber nachdenken, dass auch die nächstberechtigten Erben dann die Erbschaft ausschlagen müssen.
Der Erblasser hat einen Sohn. Es tritt gesetzliche Erbfolge ein. Der Sohn des Erblassers schlägt wegen Überschuldung des Nachlasses die Erbschaft aus. Dies hat zur Folge, dass nun seine eigenen Kinder (die Enkel des Erblassers) als Erben eintreten. Will man diese Folge vermeiden, so muss der Erbe dafür sorgen, dass auch seine Kinder die Erbschaft ausschlagen. Hier muss bei minderjährigen Kindern § 1822 BGB beachtet werden, der eine Zustimmung des Vormundschaftsgerichts vorsieht.
Die Ausschlagung der Erbschaft hat übrigens nicht die Wirkung, dass auch auf ein Vermächtnis verzichtet würde. Dieser Anspruch bleibt weiterhin bestehen. Insoweit gilt man nicht als vorverstorben.
3.2.2 Bedingungsfeindlichkeit und Verbot der Teilausschlagung
Die Ausschlagung unter Bedingung oder Befristung ist unzulässig, weil der Schwebezustand bis zu einer Annahme der Erbschaft eindeutig zu beenden ist. Die Bedingung, zu Gunsten eines Dritten auszuschlagen, ist unschädlich, wenn dieser ohnehin der Nächstberufene wäre.
Die Ausschlagung kann nicht auf bestimmte Nachlassteile beschränkt werden, damit nicht der Grundsatz der Gesamterbfolge unterlaufen werden kann (§ 1950 BGB). Wer allerdings zu mehreren Erbteilen berufen ist, die auf verschiedenen Gründen beruhen, kann den einen Erbteil annehmen und den anderen ausschlagen (§ 1951 Abs. 1 BGB). Dies kann der Erblasser sogar durch eine Verfügung von Todes wegen gestatten (§ 1951 Abs. 3 BGB).
3.2.3 Form und Frist der Ausschlagung
Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Annahme und der Ausschlagung einer Erbschaft besteht darin, dass die Ausschlagung nur formgebunden erfolgen kann. Die Ausschlagung muss gegenüber dem Nachlassgericht erfolgen, entweder durch Erklärung dort oder vor einem Notar (§ 1945 BGB).
Praxishinweis: Weiterhin müssen Erben beachten, dass eine Ausschlagung innerhalb einer Frist von sechs Wochen erklärt werden muss (§ 1944 Abs. 1 BGB). Diese Frist reicht oftmals kaum aus, um sich ein vollständiges Bild von der Werthaltigkeit des Nachlasses zu machen, sie ist aber trotzdem unbedingt zu beachten. Unter gewissen Umständen (Erblasser hatte letzten Wohnsitz im Ausland oder der Erbe hält sich zu Beginn der Ausschlagungsfrist im Ausland auf) verlängert sich diese Frist auf 6 Monate (§ 1944 BGB).
Die Frist beginnt zu dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der Erbe Kenntnis von seinem Erbrecht erhalten hat (§ 1944 Abs. 2 BGB). Unter Umständen ist dieser Zeitpunkt nicht einfach zu bestimmen. Daher kann allen Betroffenen nur der Rat gegeben werden, mit einer Reaktion nicht zu warten, sondern sich so schnell wie möglich Klarheit zu verschaffen. Bei gesetzlicher Erbfolge beginnt die Frist zu laufen, wenn die Erben von dem Tod des Erblassers Kenntnis erhalten haben, auch wenn sie sich zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Gedanken über die erbrechtlichen Folgen dieses Ereignisses gemacht haben.
3.2.4 Anfechtung der Ausschlagung
Die Ausschlagungserklärung ist grundsätzlich unwiderruflich. Ausnahmen regeln §§ 1949 bis 1957 BGB, wenn sich der Erbe in einem Erklärungs- oder Inhaltsirrtum befand, wenn er durch Drohung oder Täuschung zu der Erklärung veranlasst wurde oder wenn er gar nicht wusste, dass ihm ein Ausschlagungsrecht zustand. Hinsichtlich Form, Frist und Kosten gelten die Ausführungen zur Ausschlagung sinngemäß (§§ 1254 ff. BGB). Wichtige Folge ist: Die Anfechtung der Ausschlagung gilt als Annahme der Erbschaft (§ 1957 BGB).
Praxishinweis: Es kann vorkommen, dass erst nach erklärter Ausschlagung größere Vermögenswerte entdeckt werden. In diesem Zusammenhang sei auf die Möglichkeit verwiesen, binnen einer Frist von sechs Wochen nach Kenntnis von diesem Irrtum die Ausschlagung oder Annahme der Erbschaft anfechten zu können. Dies ist allerdings nur in den sehr engen Grenzen des § 1954 BGB zulässig.
4. Taktische Ausschlagung
Der übliche Auslöser einer Ausschlagung ist die Überschuldung des Nachlasses. Aber auch bei einem werthaltigen Nachlass kann eine Ausschlagung sinnvoll sein. Man spricht hier von einer taktischen Ausschlagung. Eine taktische Ausschlagung soll Erben nicht vor der Übernahme von Schulden schützen, sondern vielmehr dafür sorgen, dass der Erbe mehr erhält als bei einer Annahme der Erbschaft.
4.1 Zugewinnausgleich und Pflichtteil
Ehegatten und Lebenspartner haben ein gesetzliches Erbrecht und im Falle der Zugewinngemeinschaft bzw. Ausgleichsgemeinschaft zusätzlich einen Anspruch auf Zugewinnausgleich (§ 1371 BGB). Ferner gibt es als Vorausvermächtnis den Hausrat (dieser Anspruch besteht im Übrigen unabhängig von einer Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft). Bei dem Zugewinnausgleich kann der überlebende Ehegatte zwischen einem konkreten und einem pauschalen Ausgleich durch Erhöhung des Erbteils wählen. Ist die pauschale Lösung günstiger, so ist es ratsam, das Erbe anzunehmen. Andernfalls kann man das Erbe ausschlagen und den konkreten Zugewinn verlangen. Neben dem Zugewinn erhält der Überlebende bei einer Ausschlagung noch den Pflichtteil.
4.2 Beschränkungen des Erbteils
Setzt der Erblasser eine pflichtteilsberechtigte Person im Wert des Pflichtteils als Erben ein, legt ihr aber zugleich zusätzliche Beschränkungen auf, so ist die Ausschlagung des Erbes günstiger. Derartige Beschränkungen können z.B. eine Nacherbeneinsetzung, die Anordnung der Testamentsvollstreckung, eine Teilungsanordnung, ein Vermächtnis oder eine Auflage sein. Nach der Regelung des § 2306 BGB gelten solche Beschränkungen allerdings nur, wenn der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten mit mehr als der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils als Erben eingesetzt hat.
Beispiel
Der Erblasser setzt sein Kind, das einen Anspruch auf einen Pflichtteil in Höhe von 100.000 EUR gehabt hätte, zu einem Wert von 110.000 EUR als Erben ein. Mit der Erbeinsetzung verbunden ist die Auflage, eine bestimmte Person über 20 Jahre lang jährlich mit 1.000 EUR zu unterstützen.
Schlägt das Kind hier die Erbschaft aus, so erhält es zwar nur 100.000 EUR, dafür fällt aber die Auflage weg, so dass insgesamt betrachtet eine wirtschaftlich günstigere Situation eintritt.
4.3 Steuerliche Gründe
Auch steuerliche Aspekte können eine Ausschlagung sinnvoll erscheinen lassen.
Der Bruder eines kinderlosen Erblassers erbt dessen ganzes Vermögen. Der Erbe, der drei Kinder hat, hat die Erbschaft wirtschaftlich nicht nötig.
Hier ist es ratsam, die Erbschaft auszuschlagen. Nähme der Bruder die Erbschaft an, so fiele zweimal Erbschaftsteuer an: zunächst beim Erwerb durch den Bruder und dann erneut, wenn der Bruder stirbt und die Kinder erben. Bei einer Ausschlagung erben die Kinder des Bruders sofort und es fällt nur einmal Erbschaftsteuer an. Gerade dann, wenn die Freibeträge sehr gering sind, sollte hierüber nachgedacht werden.
4.4 Wirtschaftliche Gründe
Ferner können die wirtschaftlichen Verhältnisse beim Erben eine Ausschlagung sinnvoll machen.
Der Alleinerbe eines Vermögens, der zwei Kinder hat, hat Schulden, die die Erbschaft übersteigen.
Nimmt er das Erbe an, so fällt die Erbschaft wirtschaftlich gesehen vollständig an seine Gläubiger. Schlägt er die Erbschaft aus, erben seine Kinder, ohne dass die Gläubiger eine Möglichkeit hätten, sich aus dem Nachlass zu befriedigen
5. Die Haftung des Erben
Um über eine Ausschlagung oder Annahme einer Erbschaft richtig entscheiden zu können, muss man Umfang und Reichweite der Haftung des Erben kennen.
Nach § 1967 BGB haftet der Erbe für sämtliche Verbindlichkeiten des Erblassers. Die Erbenhaftung ist unbeschränkt. Das bedeutet, dass Verbindlichkeiten nicht nur mit den vorhandenen Vermögenswerten aus dem Nachlass zu begleichen sind, sondern der Erbe sein eigenes Vermögen einsetzen muss. Im Extremfall kann das einen Erben in die Insolvenz treiben. Um sich die Möglichkeit einer Ausschlagung zu erhalten ist es daher wichtig, sich so schnell wie möglich Klarheit über den Wert des Nachlasses zu verschaffen. Dies geschieht durch die Aufstellung eines Nachlassverzeichnisses, in dem man alle positiven und negativen Vermögenswerte auflistet.
Neben den Schulden bezieht sich die Haftung auch auf Pflichten, die mit den geerbten Vermögenswerten zusammenhängen. Hier droht vor allem bei älteren Immobilien Ungemach, bei denen erheblicher Renovierungsbedarf im Hinblick auf die Erfüllung von Mietverträgen besteht.
Im Folgenden soll daher einmal dargestellt werden, wie Erben vernünftigerweise auf derartige Situationen reagieren können.
5.1 Drei-Monats-Einrede
Eine gewisse Erleichterung im Hinblick auf die unbeschränkte Erbenhaftung bietet § 2014 BGB. Innerhalb der ersten drei Monate nach Annahme der Erbschaft darf der Erbe die Erfüllung von Forderungen gegenüber Nachlassgläubigern verweigern. Man spricht hier von der Drei-Monats-Einrede. Allerdings erlöschen diese Forderungen nicht, sie sind vielmehr später zu begleichen. Das muss bei der weiteren Liquiditätsplanung berücksichtigt werden.
5.2 Aufgebotsverfahren
Die unbeschränkte Erbenhaftung kann in gewissem Rahmen eingeschränkt werden. Hierfür gibt es das Aufgebotsverfahren. Dieses Verfahren (§ 1970 BGB) erlaubt es dem Erben, sich einen Überblick über die mit dem Nachlass verbundenen Schulden zu verschaffen.
Das Nachlassgericht fordert alle diejenigen, die Forderungen gegen den Nachlass haben, öffentlich auf, sich zu melden. Versäumt ein Gläubiger, sich innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist zu melden, kann er seinen Anspruch nicht mehr gegen das gesamte Vermögen des Erben durchsetzen, sondern nur noch gegen den Nachlass. Die Haftung kann also durch das Aufgebotsverfahren auf das beschränkt werden, was im Nachlass vorhanden ist.
Der Antrag muss binnen einer Jahresfrist nach Annahme der Erbschaft gestellt werden. Wird diese Frist eingehalten und der Antrag vom Gericht zugelassen, kann der Erbe sogar die Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten bis zum Ende des Verfahrens verweigern (§ 2015 BGB).
5.3 Einrede des § 1974 BGB
Die Haftung des Erben ist ferner durch folgende Regelungen beschränkt: Gemäß § 1974 BGB darf ein Erbe die Bezahlung einer Nachlassverbindlichkeit aus seinem Privatvermögen verweigern, wenn der Nachlassgläubiger die Forderung nicht binnen fünf Jahren geltend macht. Ansonsten gelten für die Nachlassverbindlichkeiten die gewöhnlichen Verjährungsvorschriften.
5.4 Nachlassverwaltung
Neben der Möglichkeit, die Haftung als Erbe durch das Aufgebotsverfahren zu beschränken, gibt es noch die Möglichkeit der Nachlassverwaltung (§ 1975 BGB). Gelangt der Erbe bei Sichtung der Erbschaft zu dem Ergebnis, dass der Nachlass zwar nicht überschuldet ist, jedoch erhebliche Verbindlichkeiten bestehen, kann er eine Nachlassverwaltung beantragen. Auch dies geschieht beim zuständigen Nachlassgericht. Ordnet das Nachlassgericht die Nachlassverwaltung an, so wird die Haftung des Erben auf den Nachlass beschränkt (§ 1981 BGB).
Sollte bei der Entscheidung über den Antrag auf Nachlassverwaltung festgestellt werden, dass der Nachlass überschuldet ist, so lehnt das Gericht den Antrag ab. Der Erbe ist dann auf die Möglichkeit der Stellung eines Insolvenzantrags beschränkt. Stellt sich die Überschuldung während der Nachlassverwaltung heraus, so stellt der Verwalter den Insolvenzantrag.
Das Gericht setzt einen Nachlassverwalter ein, der die Regulierung der Schulden übernimmt (§ 1985 BGB). Nach Abschluss des Verfahrens gibt der Verwalter den Rest des Nachlasses – nach Abzug der Kosten – an die Erben heraus. Solange die Nachlassverwaltung andauert, hat der Erbe kein Recht zur eigenen Verwaltung und keine Verfügungsbefugnis über einzelne Gegenstände.
Der Unterschied zwischen dem Aufgebotsverfahren und der Nachlassverwaltung besteht darin, dass bei letzterer der Nachlassverwalter mit den Gläubigern verhandelt, während bei Aufgebotsverfahren der Erbe selbst das Verfahren betreibt.
5.5 Nachlassinsolvenz
§ 1980 BGB verpflichtet den Erben, bei Erkennen der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Nachlasses die Eröffnung des Nachlass-insolvenz-Verfahrens zu beantragen. In einem solchen Verfahren werden die Gläubiger nur anteilig befriedigt, während das Privatvermögen des Erben verschont bleibt.
Die Schonung des Privatvermögens kann der Erbe aber nur erreichen, wenn er schnell handelt. Sobald der Erbe erkennen kann, dass eine Überschuldung des Nachlasses vorliegt, muss der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 1980 Abs. 1 BGB unverzüglich gestellt werden, das heißt ohne schuldhaftes Zögern. Der Zeitraum hierfür liegt bei maximal drei Tagen! Wird der Antrag erst später gestellt, so haftet der Erbe mit seinem Privatvermögen für alle Schäden, die Gläubigern durch die verspätete Antragstellung entstanden sind.
Der Antrag ist beim zuständigen Insolvenzgericht zu stellen. Hilfreich ist es, eine Aufstellung über das Vermögen und die Schulden mit einzureichen. Das Gericht bestellt bei Eröffnung des Verfahrens einen Insolvenzverwalter, der den Nachlass in Besitz nimmt und einen Teilungsplan entwirft, aus dem dann hervorgeht, wie die Gläubiger anteilig befriedigt und die Kosten des Verfahrens beglichen werden.
5.6 Dürftigkeitseinrede
Zeigt sich nach der Antragstellung, dass der Nachlass nicht einmal ausreicht, die Kosten des Verfahrens zu decken, wird das Insolvenzgericht die Eröffnung des Verfahrens ablehnen. Der Erbe hat nun die Möglichkeit, gegenüber den Nachlassgläubigern die Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB) zu erklären und damit letztlich jegliche Zahlung zu verweigern.
Quelle: Erbfolgebesteuerung - Ausgabe 10/2002, Seite 266