Erbrecht
Das gemeinschaftliche Ehegattentestament
Es entspricht der Vorstellung der meisten Ehegatten, die Erbfolge gemeinsam zu regeln. Das BGB hält hierfür das „Ehegattentestament" bereit, von dem man annehmen sollte, daß es so einfach und eindeutig benutzt werden kann, daß kaum Fehler gemacht werden. Tatsächlich ist das gemeinschaftliche Testament der Ehegatten ein kompliziertes Gebilde - vielleicht auch erst im Laufe der Jahre - geworden.
Mit dem zu erwartenden neuen Erbschaftsteuerrecht und den nach allen bisher vorliegenden Entwürfen deutlich erhöhten persönlichen und sachlichen Freibeträgen sowie dem steuerfreien Zugewinnausgleich beim gesetzlichen Güterstand gewinnt das Thema besonders aktuelle Bezüge. In der Vergangenheit wurde häufig beanstandet, daß der stufenweise Übergang des Vermögens auf die nachfolgende Generation regelmäßig zweimal Erbschaftsteuer kostet - zunächst beim Erwerb durch den überlebenden Ehegatten und dann beim Erwerb durch die Kinder. Durch die Erhöhung der Freibeträge könnte nun wieder die bekannteste Form des Ehegattentestaments - das Berliner Testament - in den Vordergrund rücken.
1. Inhalt, formale Gestaltung und Arten von Ehegattentestamenten
Ein gemeinschaftliches Testament liegt vor, wenn es letztwillige Verfügungen beider Ehegatten enthält, die den - objektiv erkennbaren - Willen haben, gemeinsam zu testieren. Jeder Ehegatte kann Verfügungen treffen, die er für sich selbst auch in einem Einzeltestament anordnen würde. Es können nur der eigene Erbfall oder beide Erbfälle geregelt werden. Beim Güterstand der Gütergemeinschaft können wegen § 1516 Abs. 3 BGB Verfügungen über den Anteil eines Abkömmlings am Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft getroffen oder der Hofeserbe für einen dem Höferecht unterliegenden Hof bestimmt werden. In einem gemeinschaftlichen Testament können Eheleute auch einen von ihnen geschlossenen Erbvertrag aufheben (§ 2292 BGB).
Man unterscheidet drei Arten des gemeinschaftlichen Ehegattentestaments, wobei jede Gestaltung privatschriftlich oder notariell vorgenommen werden kann (§§ 2232, 2247 BGB). Es sind auch Mischformen zulässig, d. h., der eine Ehegatte kann ein privatschriftliches, der andere ein öffentliches Testament errichten, sofern nur Gemeinschaftlichkeit gegeben ist.
1.1 Das gleichzeitige gemeinschaftliche Testament
Es handelt sich um zwei Testamente, die nur äußerlich zu einem Testament verbunden sind. Das gemeinschaftliche Testament enthält inhaltlich nicht miteinander verbundene und nicht aufeinander abgestimmte Verfügungen.
Jeder Ehegatte setzt seine aus einer früheren Ehe stammenden Kinder als seine Erben ein.
Bei einer privatschriftlichen Errichtung können die Ehegatten von der Formerleichterung gem. § 2267 BGB Gebrauch machen, indem nur einer den Text handschriftlich aufsetzt und beide Ehegatten unterschreiben.
1.2 Das gegenseitige Ehegattentestament
Hierbei bedenken sich die Ehegatten untereinander durch Erbeinsetzung, Vermächtnisse oder Begünstigungen in Form einer Auflage. Abweichend von der Vermutungsregelung in § 2270 Abs. 2 BGB sind die Verfügungen des einen Ehegatten nicht in ihrer Wirksamkeit abhängig von der Wirksamkeit der Verfügungen des anderen.
1.3 Das wechselbezügliche Testament
Das wechselbezügliche Testament entspricht genau den Vorstellungen, die sich die meisten Eheleute von letztwilligen Verfügungen machen. Wortlaut oder Auslegung des Testaments ergeben, daß die Verfügungen des einen Ehegatten von denen des anderen abhängig sind und nur gelten sollen, solange die Verfügungen des anderen Bestand haben (§ 2270 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Verfügung des einen Ehegatten wäre also nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden. Wechselbezüglich zulässig sind nur Erbeinsetzung, Vermächtnisse und Auflagen (§ 2270 Abs. 3 BGB).
Ein gegenseitiges Testament wird regelmäßig - muß aber nicht - wechselbezügliche Bestandteile haben. Wechselbezüglich ist dabei immer nur die jeweils so gewollte einzelne Verfügung, nicht das Testament insgesamt. Haben sich die Ehegatten im Sinne von § 2270 Abs. 2 BGB gegenseitig bedacht, wird im Zweifel unterstellt, daß die letztwilligen Verfügungen beider Ehegatten insoweit wechselbezüglich sind. Ehegatten können im übrigen frei darüber entscheiden, ob sie Wechselbezüglichkeit wollen oder sie ausschließen und dies im Testament zum Ausdruck bringen. Die bekannteste wechselbezügliche Form ist das Berliner Testament (vgl. unten Tz. 2).
Setzen Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament jeweils ihr einziges gemeinsames Kind zum Alleinerben ein, so sind diese Verfügungen im Zweifel nicht wechselbezüglich. Jeder Elternteil will - unabhängig von der Verfügung des anderen - nur sicherstellen, daß das Kind Alleinerbe wird (BayObLG v. 4.3.96 1 Z BR 160/95, OLG Report 96, 4).
Empfehlung:
Durch ausdrückliche Formulierungen sollte in der Praxis unbedingt klargestellt werden, welche Verfügungen wechselbezüglich sind.
(nach Keim, Testament und Erbverträge, Diktat- und Arbeitsbuch zu Nr. C II 21.100, 21110 und 2112):
„Alle vorstehenden Bestimmungen treffen wir in wechselbezüglicher Weise, so daß die Unwirksamkeit der Verfügungen eines von uns auch die Unwirksamkeit der Verfügungen des anderen von uns zur Folge hat. In einem solchen Fall soll dann jeweils die gesetzliche Erbfolge eintreten."
„Diese Verfügungen werden jedoch nicht in wechselbezüglicher Weise getroffen, so daß jeder von uns die (eine) hier getroffene Verfügung einseitig abändern oder aufheben kann, ohne daß dadurch die Gültigkeit der Bestimmungen des anderen Ehegatten berührt wird."
„Von den vorstehenden Verfügungen sind nur die folgenden Verfügungen in wechselbezüglicher Weise getroffen: ......"
2. Berliner Testament
Das „Berliner Testament" wird vom Willen beherrscht, zunächst den Lebensstandard des überlebenden Ehegatten zu sichern und danach Sorge zu tragen, daß das Vermögen beider Ehegatten auf die gemeinsamen Abkömmlinge oder einen Dritten übergeht. Es gibt zwei Gestaltungsmöglichkeiten:
2.1 Einheitslösung - Einheitsprinzip
Die Einheitslösung gilt nach der Auslegungsregel des § 2269 Abs. 1 BGB im Zweifel immer dann, wenn nichts anderes verfügt ist. Die Eheleute setzen sich gegenseitig als Erben ein (Vollerbe) und verfügen über beide Nachlässe. Ferner bestimmen sie, daß nach dem Tod des Überlebenden der beiderseitige Nachlaß an einen Dritten (Ersatzerbe) - regelmäßig an ihr gemeinsames Kind oder Kinder - fallen soll (Schlußerbe). Diese Auslegungsregel gilt auch für Verfügungen, die nicht wechselbezüglich sind.
Die Einheitslösung ist der klassische und den meisten Laien bekannte Fall des Berliner Testaments und häufig auch in einem Ehegattenerbvertrag
(§ 2280 BGB) zu finden, dem sog. „unumstößlichen" Berliner Testament (Nieder, Rz 590).
2.2 Trennungslösung - Trennungsprinzip
Die Eheleute setzen hier jeweils den Überlebenden zum Vorerben des Erstverstorbenen ein und einen Dritten einmal zum Nacherben des Erstverstorbenen nach dem zweiten Erbfall und zugleich zum (Ersatz-)Erben des Überlebenden. Beim ersten Todesfall entstehen zwei getrennte Vermögensmassen - das von der Vor- und Nacherbschaft betroffene Vermögen des Erstverstorbenen und das eigene Vermögen des überlebenden Ehegatten, über das er unbeschränkt verfügen kann, wenn das gemeinschaftliche Testament nichts anderes bestimmt.
Diese Erbeinsetzung stellt dann eine praktikable Lösung dar, wenn der überlebende Ehegatte über wenig Sachverstand zur Verwaltung des Vermögens verfügt und dieses für die Zeit nach seinem Tod erhalten und gesichert werden soll. Der Überlebende unterliegt dabei so vielen - nur teilweise abdingbaren - Verfügungsbeschränkungen, daß man ihn zu Recht einen „Erben auf Krücken" nennt. Sachgerechte Vermögensumschichtungen und notwendige Investitionen sind von der Gnade oder dem Sachverstand der Nacherben - regelmäßig also den Kindern - oder des sie schützenden Gerichts abhängig. Soll das nicht so sein, muß der überlebende Ehegatte hiervon bereits im Testament ganz oder teilweise ausdrücklich befreit werden.
2.3 Verbindung von Einheits- und Trennungsprinzip
Die Kombination beider Lösungen im gemeinschaftlichen Ehegattentestament ist möglich und manchmal auch sinnvoll. Siehe dazu folgende Beispiele (nach Nieder, Rz 603):
Die Ehegatten setzen sich gegenseitig zu Vorerben ein und bestimmen ihr einziges Kind zum Nacherben. Für den Fall, daß dieses vor dem zweiten Erbfall wegfällt, soll die Vorerbschaft entfallen und statt eines Ersatznacherben wird ein Schlußerbe - zum Beispiel der Neffe - bestimmt.
Die Ehegatten setzen sich gegenseitig zu Vollerben und ihre Kinder zu Schlußerben ein. Sie verfügen aber, daß bei Wiederverheiratung des Überlebenden (vgl. unten Tz. 5) oder aus anderen bestimmten Gründen Vorerbschaft eintritt und die Kinder Nacherben werden.
2.4 Erbschaftsteuerliche Anmerkungen
Das Berliner Testament ist bei großen Vermögen steuerlich nachteilig: Bis die nächste Generation am Ruder ist, bedarf es zweier Erbfälle und zweimal muß Erbschaftsteuer ohne Brechung der Progression gezahlt werden. Dies gilt sowohl für die Einheits- als auch die Trennungslösung.
Vor der Errichtung eines Berliner Testaments sollte daher erbschaftsteuerlich genau gerechnet werden. Als Faustregel kann gelten, daß ein Berliner Testament dann die richtige Entscheidung ist, wenn nach Ausnutzung aller sachlichen und persönlichen Freibeträge, des Freibetrages für Betriebsvermögen sowie des Bewertungsabschlages und ggf. auch des steuerfreien Zugewinnausgleichs keine oder nur eine relativ geringe Belastung mit Erbschaftsteuer eintritt. Ein weiterer Vorteil liegt darin, daß es mangels einer Erbengemeinschaft beim ersten Erbfall nicht zu ertragsteuerlichen Problemen bei der Unternehmensnachfolge kommt.
3. Bindewirkung
Viele Ehegatten glauben, daß ein gemeinschaftliches Testament nie mehr oder allenfalls nur gemeinsam geändert werden kann, und nehmen eine unverrückbare Bindewirkung eines solchen Testaments an. Tatsächlich kann die zunächst entstehende Bindewirkung aus verschiedenen Gründen durch das Verhalten des Bedachten oder durch Wegfall des Bedachten entfallen. Der überlebende Ehegatte kann aber auch selbst die Bindungswirkung in folgenden Fällen beseitigen:
3.1 Zu Lebzeiten der Ehegatten tritt keine Bindungswirkung ein. Einseitige Verfügungen können jederzeit wie bei einem einseitigen Testament ohne Zustimmung des Partners widerrufen werden. Es gelten die §§ 2254 bis 2258 BGB.
Durch einen gemeinsamen Widerruf (§ 2271 BGB) kann die Bindewirkung auch wechselbezüglicher Verfügungen beseitigt werden: durch gemeinschaftliches Widerrufstestament (§§ 2254, 2292 BGB), widersprechenden Erbvertrag (§§ 2258, 2289 Abs. 1 S. 1 BGB), gemeinschaftliche Rücknahme aus amtlicher Verwahrung (§§ 2256, 2272 BGB) oder Vernichtung der Testamentsurkunde.
Jeder Ehegatte kann auch einseitig das gemeinschaftliche Testament - vollständig oder teilweise - widerrufen (§§ 2271 Abs. 1 Satz 1, 2296 BGB). Dafür bedarf es keiner besonderen Begründung. Es ist aber erforderlich, daß dem anderen Ehegatten über den Widerruf eine notariell beurkundete Erklärung übermittelt - ggf. zur Vermeidung von Nachweisschwierigkeiten förmlich zugestellt - wird. Diese muß dem anderen nach § 130 Abs. 1 BGB zugehen, damit er vom Widerruf Kenntnis erlangt und eine eigene entsprechende Verfügung treffen kann. So entfaltet beispielsweise ein privatschriftlich verfaßtes und in der Schmuckschatulle verstecktes widersprechendes Testament eines Ehegatten keine Wirkung.
Wird die Ehe durch Scheidung aufgelöst, wird das gemeinschaftliche Testament seinem ganzen Inhalt nach unwirksam (§§ 2268 Abs. 1, 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB). Es lebt auch nicht „automatisch" wieder auf, wenn die geschiedenen Ehegatten erneut heiraten (BayOblG, Beschl. v. 23.5.95 1 Z BR 128/94), es sei denn, eine sachgerechte Auslegung ergibt, daß bei der Testamentserrichtung der Wille vorhanden war, daß die einmal getroffenen Verfügungen auch für diesen Fall weitergelten sollen.
Bei Wegfall des wechselbezüglichen „Motivs" wird ohne Anfechtung die davon abhängige Verfügung des anderen automatisch hinfällig.
Ein gemeinschaftliches öffentliches Testament kann durch ein späteres gemeinschaftliches eigenhändiges Testament in der Weise ergänzt werden, daß sich die neuen Verfügungen mit den bisherigen als ein einziges gemeinschaftliches Testament darstellen (OLG Frankfurt v. 9.4.96 20 W 265/96, OLG Report 96, 139).
Auch bei entsprechendem Verhalten eines im Testament bedachten Dritten kann die Bindewirkung entfallen. Hierbei werden die Regeln zum Erbvertrag übernommen.
Wie jedes Rechtsgeschäft kann ein Ehegattentestament bei Formverletzungen, bei Verstößen gegen ein gesetzliches Verbot bzw. die guten Sitten oder weil einer der Partner im Zeitpunkt der Abfassung des Testaments nicht testierfähig war nichtig sein.
3.2 Nach dem Tod eines Ehegatten tritt Bindungswirkung für die wechselseitigen Verfügungen ein, ein Widerruf ist nicht mehr möglich (vgl.
§ 2271 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz BGB). Ein uneingeschränktes Widerrufsrecht besteht lediglich hinsichtlich der eigenen einseitigen Verfügungen (§ 2270 Abs. 3 BGB). Die Bindungswirkung der wechselseitigen Verfügungen entfällt jedoch, wenn
- der überlebende Ehegatte die Erbschaft ausschlägt (§ 2271 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz BGB) oder
- wenn der überlebende Ehegatte das von ihm mitverfaßte Testament (analog §§ 2281 ff. BGB) anficht. Dazu ist er zum Beispiel nach erneuter Heirat innerhalb eines Jahres (§ 2283 BGB analog) berechtigt, weil der neue Ehegatte pflichtteilsberechtigt wird. Folge ist, daß nachträglich die gesetzliche Erbfolge mit entsprechender Korrektur der Erbteile eintritt. Die eigenen und die Verfügungen des Vorverstorbenen werden unwirksam (§§ 142 Abs. 1, 2270 Abs. 1 BGB). Der Überlebende kann nunmehr frei über sein Vermögen - auch über den ererbten Anteil - verfügen. Dasselbe gilt, wenn dem überlebenden Ehegatten noch ein Kind geboren wird oder er eines adoptiert.
Hinweis:
Möglich ist, daß ein durch das gemeinschaftliche Testament aufgehobenes früheres Testament des Vorverstorbenen wieder wirksam wird.
Eine (Selbst-) Anfechtung kann auch wegen Irrtums oder Drohung gem.
§§ 2078 ff. BGB erfolgen.
Merke:
Auf das Anfechtungsrecht kann - bei genauer Bezeichnung für welchen Fall - im gemeinschaftlichen Ehegattentestament ganz oder teilweise im voraus - auch wechselbezüglich - verzichtet werden.
4. Eröffnung des gemeinschaftlichen Testaments
Zur Rechtswirksamkeit von Testamenten gehört die ordnungsgemäße Eröffnung gem. §§ 2260 - 2263 BGB durch das Nachlaß- bzw. Verwahrungsgericht in einem angeordneten Eröffnungstermin. Ist das Testament verschlossen, wird es buchstäblich „geöffnet", den anwesenden Beteiligten verkündet und auf Verlangen vorgelegt. Abwesende sind zu benachrichtigen. Wer ein rechtliches Interesse glaubhaft macht bzw. wer begünstigt wird, kann das Testament einsehen und erhält einen ihn betreffenden Auszug.
Für die Eröffnung gemeinschaftlicher Testamente gelten zusätzlich die besonderen Regeln des § 2273 BGB. Sie dienen vornehmlich der Geheimhaltung der letztwilligen Verfügungen des überlebenden Ehegatten. Danach gilt:
4.1 Erster Erbfall
Nur die Verfügungen des verstorbenen Ehegatten und die davon untrennbaren Verfügungen des überlebenden Ehegatten sind zu verkünden. Diese Untrennbarkeit kann sich aus der Formulierung oder aus der Sache ergeben. Bei einem Berliner Testament gelten alle Verfügungen als untrennbar, so daß das ganze Testament verkündet werden muß.
Trennbare Verfügungen - etwa Vermächtnisse des Überlebenden - müssen vor allen Beteiligten mit Ausnahme des überlebenden Ehegatten selbst, der „sein" Testament schließlich kennt, geheim gehalten werden, auch wenn die Verfügungen wechselbezüglich angelegt sind, d.h. keine Verkündung, keine Vorlage, keine Einsicht, keine Abschriften. Ausnahmen bestehen hier allerdings für das Finanzamt.
Enthält das Testament Anordnungen für beide Erbfälle, wird von den Verfügungen des verstorbenen Ehegatten eine beglaubigte Abschrift angefertigt. Sie übernimmt alle rechtlichen Funktionen z.B. für die Erteilung des Erbscheins und Grundbucheintragungen.
4.2 Zweiter Erbfall
Das Originaltestament wird erneut amtlich eröffnet, sofern es Verfügungen für diesen Fall enthält. Das ist wegen des Beginns der gesetzlichen Ausschlagungsfrist von 6 Wochen notwendig. Im Eröffnungstermin werden die trennbaren Verfügungen des zuletzt gestorbenen Ehegatten bekanntgemacht - dies auch dann, soweit sie bei der Eröffnung nach dem ersten Erbfall mitverlesen worden sind.
5. Wiederverheiratungsklausel
Mit einer Wiederverheiratungsklausel erübrigt sich die Anfechtung des eigenen Testaments innerhalb eines Jahres nach Wiederverheiratung durch den überlebenden Ehegatten (vgl. Tz. 3). Zugleich kann abweichend von der gesetzlichen Regelung letztwillig verfügt werden, was geschehen soll.
Fall:
Die Eheleute Martin und Gerda X. haben folgendes Testament errichtet: „Wir - die Eheleute Martin und Gerda X. - berufen uns gegenseitig zum alleinigen Erben. Nach unserem Tod erben unsere gemeinsamen Kinder Alfons und Brigitte. Heiratet der überlebende Ehegatte wieder, so soll er mit unseren Kindern gesetzliche Teilung halten." Martin stirbt und nach drei Jahren heiratet Gerda wieder. Rechtsfolgen?
Lösung erster Erbfall: Tod des Martin X.
Es handelt sich zunächst um ein Berliner Testament nach dem sog. Einheitsprinzip (keine Vor- und Nacherbfolge). Gerda wird beim Tode ihres Mannes Vollerbin, ihre Kinder werden ihre Schlußerben. Die Wiederverheiratungsklausel verändert jedoch die Rechtslage. Gerda wird beim Tod des Ehemannes zu 1/2 unbedingte und zu 1/2 auflösend bedingte Vollerbin (vgl. BGHZ 96, 198). Die Kinder werden zu je 1/4 aufschiebend bedingte Nacherben des Erstverstorbenen.
Mit der Wiederheirat tritt die Bedingung ein. Die Kinder werden - in Erbengemeinschaft - Nacherben ihres Vaters zu je 1/4 und Gerda wird Vorerbin zu 1/2 - jeweils rückwirkend auf den Zeitpunkt des Todes des Vaters. Gerda bleibt zu 1/2 Vollerbin.
Hinweis:
Beim Trennungsprinzip hat eine solche Klausel nur die Bedeutung, daß der Nacherbfall bereits mit der Wiederheirat und nicht erst mit dem Tod des längerlebenden Ehegatten eintritt.
Lösung zweiter Erbfall: Tod der Gerda X.
Eigentlich müßten die Kinder nunmehr zu je 1/2 Erben ihrer Mutter werden, deren Nachlaß deren eigenes Vermögen und die Hälfte des Vermögens des vorverstorbenen Vaters umfaßt. Damit würde aber der neue Ehemann enterbt und dessen Pflichtteilsrecht aktiviert. Die Ansichten in der Fachliteratur gehen hierzu auseinander. Nach der h.M. bleibt es jedoch bei dieser Rechtsfolge, wenn kein Widerruf der im ursprünglichen Berliner Testament wechselbezüglich verfaßten Erbeinsetzungen erfolgt. Denn mit der Wiederheirat entfällt die Erbeinsetzung nicht von selbst. Gerda gewinnt hier lediglich ihre volle Testierfreiheit zurück. Da sie die Verfügung des gemeinsamen Testaments nicht widerrufen hat, gilt diese weiter.
Formulierungsbeispiele (nach Dittmann/Reimann/Bengel, 2. Aufl.):
1. Die Rechtsfolgen sind für den Laien fast unverständlich. Der nachfolgende Text (Anhang A Nr. 40b) beinhaltet, was im Beispiel beim ersten Erbfall kraft der Wiederverheiratungsklausel automatisch eintritt und regelt, ob die Vorerbschaft befreit oder nicht befreit sein soll.
„Wir berufen uns gegenseitig zum alleinigen Erben. Verheiratet sich der überlebende Ehegatte wieder, so wird für die Hälfte des Nachlasses Nacherbfolge angeordnet. Der überlebende Ehegatte wird sonach nur zur Hälfte Vorerbe. Von den Beschränkungen der §§ 2112 ff. BGB wird er (nicht) befreit."
2. Ausführlicher ist folgender Vorschlag (Anhang A Nr. 40a), der Vor- und Nacherbschaft für den gesamten Nachlaß des erstversterbenden Ehegatten anordnet, die Bedingung „auflösend" formuliert, den Vorerben von den ungemein lästigen Einschränkungen, die eine Vorerbschaft mit sich bringt, befreit und Ersatzerben benennt:
„Wir berufen uns gegenseitig zum alleinigen Erben. Die Vollerbschaft des überlebenden Ehegatten ist jedoch an die auflösende Bedingung seiner Wiederverheiratung geknüpft. Verehelicht sich der überlebende Ehegatte von uns beiden wieder, so wird er nur Vorerbe. Von den Beschränkungen der §§ 2123 ff. BGB wird er, soweit gem. § 2136 BB zulässig, befreit. Nacherben werden zu unter sich gleichen Teilen unsere gemeinsamen Kinder, ersatzweise die Abkömmlinge unserer Kinder zu unter sich gleichen Teilen nach Stämmen. Die Ersatznacherbfolge erlischt, wenn der Nacherbe sein Anwartschaftsrecht auf den Vorerben überträgt. Insoweit ist die Ersatznacherbfolge auflösend bedingt."
3. Die Wiederverheiratungsklausel kann auch so gestaltet werden, daß bei Wiederheirat des überlebenden Ehegatten keine neue Erbteilung stattfinden soll, sondern den Kindern des vorverstorbenen Ehegatten für diesen Fall bedingte Vermächtnisse ausgesetzt werden, z.B. über Firmenanteile, bestimmte Immobilien oder Kapitalwerte. Der überlebende Ehegatte ist und bleibt Vollerbe (Anhang A Nr. 42c).
„Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen Erben ein. Für den Fall der Wiederverheiratung des Überlebenden von uns beiden setzen wir folgende Vermächtnisse aus: Der Überlebende von uns hat an die gemeinschaftlichen Kinder einen Betrag von je DM ....... auszuzahlen (das Haus X-Straße 15 zu übertragen usw.)."
6. Sonderfälle
Um Stolpersteine beim gemeinschaftlichen Ehegattentestament zu vermeiden, empfiehlt es sich, besondere Ausnahmesituationen mitzuregeln.
6.1 Regelungsbedarf für den Fall des gleichzeitigen Todes beider Eltern
Daß auf die Sekunde genau beide Eltern sterben, dürfte eine Ausnahme und bei kaum einem Unglück wie Autounfall, Flugzeugabsturz etc. nachzuweisen sein. Nach § 11 Verschollenheitsgesetz (VerschG) wird in solchen Fällen vermutet, daß beide gleichzeitig verstorben sind, so daß keiner den anderen beerben kann; eine entsprechende Verfügung im Testament läuft leer.
Ohne eine Zusatzbestimmungen tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Wurden dagegen Schlußerben benannt oder sonstige Verfügungen getroffen, gelten diese weiter. Der Begriff des „gleichzeitigen Versterbens" wird im übrigen von der Rechtsprechung weit ausgelegt und umfaßt auch Fälle, in denen die Eheleute kurz hintereinander sterben und der zunächst überlebende Ehegatte nicht mehr in der Lage war, ein neues Testament zu errichten. Eine Formulierung etwa in der Art „Sollte uns etwas zustoßen ..." ist in der Regel so auszulegen, daß die Ehegatten ihre Verfügungen auch für den Fall treffen wollen, daß einer von ihnen den anderen nicht überlebt (OLG Frankfurt aaO).
Empfehlung:
Um jeden Auslegungsstreit zu vermeiden, regt Nieder (aaO Rz 605) an, die Bestimmungen für den Tod des Längstlebenden wie folgt zu ergänzen: „.....oder wenn wir beide gleichzeitig oder kurz hintereinander aus gleichem Anlaß versterben sollten."
6.2 Vermeidung von Teilungsanordnungen
Laien neigen bei privatschriftlichen Testamenten dazu, ihre irdische Habe genau zu bezeichnen und Stück für Stück verschiedenen Personen zuzuweisen, die sie als „Erben" bezeichnen. Da das deutsche Erbrecht keinen unmittelbaren gegenständlichen Erwerb im Erbfall kennt und jede dingliche Zuordnung nur über die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft möglich ist, wird dabei oft die Erbeinsetzung mit genau bezeichneten Erbquoten vergessen. Das führt neben Querelen unter den „Erben" zu zeitraubenden Entscheidungen des Nachlaßgerichts bis zur Erteilung des Erbscheins. Zudem werden Teilungsanordnungen erbschaftsteuerlich vernachlässigt und können ertragsteuerlich steuerpflichtige Entnahmegewinne auslösen.
Empfehlung:
Wer unbedingt „Gerechtigkeit" üben will, sollte zunächst seine Erben benennen und deren Erbquote fixieren oder mit dem Frankfurter Testament die Erbquote an seine Teilungsanordnungen binden.
6.3 Pflichtteilsregelungen
Der bei fast jedem Erbfall drohende Pflichtteilsanspruch hängt wie ein Damoklesschwert über dem Testament (vgl. Erbfolgebesteuerung 4/96). Hier entsteht Handlungsbedarf vor allem bei dem durch die neue Recht-sprechung konzipierten Alleinerbenvermächtnismodell und dem Frankfurter Testament, um bei der Erbauseinandersetzung steuerpflichtige Entnahmen zu vermeiden.
Empfehlung:
Der Erbfall kann dadurch „pflichtteilsfest" gemacht werden, daß den zukünftigen Erben zu Lebzeiten ein (ggf. gegenständlicher) Pflichtteilsverzicht abverlangt wird. Ist das nicht geschehen, so helfen in einem Testament mit gewissen Einschränkungen nur die einfache Pflichtteilsklausel, die Jastrowsche Klausel (vgl. Erbfolgebesteuerung 5+6/95, Seite 7), und/oder die socinische Klausel (vgl. Nieder, Rz 284).
Für Ehepaare mit Kindern aus verschiedenen Ehen ist das Berliner Testament keine gute Empfehlung, weil sich die verschiedenen Parteien mit Sicherheit über ihren Pflichtteil in die Haare kommen. Hier wären zwei inhaltlich verschiedene Testamente mit genauen Regelungen zu verfassen, was geschehen soll, wenn der Ehemann bzw. die Ehefrau zuerst stirbt.
6.4 Güterstands- und Testamentsregelungen zu Beginn der Ehe?
So empfehlenswert es ist, bereits vor oder zu Beginn der Ehe Vereinbarungen über den Güterstand zu treffen, so wenig Sinn macht ein gleichzeitig verfaßtes Ehegattentestament. Denn die Mentalität der meisten Erblasser ist nicht darauf eingestellt, ein Testament den jeweils veränderten Umständen anzupassen. Zum einen, weil sie glauben, alles sei für alle Zeiten ordnungsgemäß geregelt, zum anderen, weil sie Kosten scheuen.
Eine Ausnahme besteht bei der Notwendigkeit, bereits vorhandenes, bedeutendes Vermögen zu schützen. Ein sog. Notfalltestament ist ratsam.
Empfehlung:
Testamente sind auf „Wiedervorlage" zu nehmen. Bei kinderlosen jungen Ehepaaren besteht regelmäßig weniger Handlungsbedarf als bei kinderlosen älteren Ehepaaren. Ehepaare mit jungen Kindern haben andere Probleme als Ehepaare im fortgeschrittenem Alter und entsprechender Entwicklung der Kinder. Bei getrennt lebenden Ehepaaren, nach einer Scheidung oder dem Tod eines Partners wiederverheiratete Ehepaare vor allem mit Kindern aus verschiedenen Ehen müssen zwingend neue Überlegungen anstellen und diese in einem neuen Testament umsetzen.
Aber nicht nur die personelle Entwicklung der Familie verlangt neue Erbregelungen. Mindestens ebenso wichtig ist das Vorhandensein und die Entwicklung der Vermögen beider Ehegatten:
Beginnt einer von ihnen den neuen Lebensabschnitt mit einem durch einen Übertragsvertrag erlangten Vermögen, sollte bereits dieser Vertrag eine Rückübertragungsklausel für den Fall enthalten, daß der Übertragsnehmer ohne eheliche Abkömmlinge stirbt. Fehlt eine solche Klausel, sollte - wenn noch keine gemeinsamen Kinder vorhanden sind - eine Vorerbschaft für den zur Familie hinzugetretenen überlebenden Ehegatten und Nacherbschaft für die Blutsverwandten oder durch Vermächtnisse an letztere vorgesehen werden.
Bei älteren Ehepaaren, die ihr Vermögen gemeinsam erarbeitet haben, und/oder in Fällen, in denen Vermögen bei beiden Partnern entstanden ist, ist zu überlegen, ob dem Überlebenden bei einem Berliner Testament durch eine Freistellungsklausel das Recht eingeräumt wird, innerhalb vorbezeichneter Grenzen mindestens über sein Vermögen abweichend vom Testament letztwillig verfügen zu können. Das gilt erst recht bei Spannungen in der Familie. Bei sehr alten Partnern sollte besser darauf verzichtet werden. Zu häufig trifft man vor der Richterbank empörte Familienmitglieder, die solche Testamente angefochten haben, weil „in letzter Minute" - angeblich oder tatsächlich - unvernünftige Entscheidungen getroffen wurden.
7. Gemeinschaftliches Testament von Lebensgefährten
Grundsätzlich können auch Lebensgefährten ihre letztwilligen Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Papier zusammenfassen. Sie sind rechtswirksam, wenn sie den Formerfordernissen eines Einzeltestaments genügen, d.h., jeder Partner muß seinen Teil eigenhändig schreiben und unterschreiben. Dabei können im Regelfall nur einseitige Verfügungen testiert werden. Unter diesen Voraussetzungen kann auch eine öffentliche Urkunde errichtet werden.
Ob in solchen Testamenten enthaltene wechselbezügliche Anordnungen gültig sind, ist umstritten. Falls alle Formerfordernisse gewahrt sind und der entsprechende Wille erkennbar ist - oder dies zumindest für die Verfügung des vorverstorbenen Lebenspartners erkennbar ist -, dürfte das nach heutiger Auffassung möglich sein (vgl. Palandt-Edenhofer § 2265 Anm. 2).
Quelle: Erbfolgebesteuerung - Ausgabe 09/1996, Seite 15