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  • 07.09.2010 | Erbschaftsteuer

    Abweichende Erbschaftsteuerfestsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen

    von WP StB Dipl.-Kfm. Gerrit Grewe, Berlin

    Die Besteuerung ist sachlich unbillig, wenn sie unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen im Einzelfall den gesetzlichen Wertungen zuwiderläuft (FG Düsseldorf 10.3.10, 4 K 3000/09 Erb, rkr., Abruf-Nr. 102663).

     

    Sachverhalt

    Der Erblasser vermachte dem Kläger einen Betrag von 500.000 EUR und setzte seine Ehefrau A zur Erbin ein. Nach dem Tod des Erblassers setzte das FA gegen den Kläger ErbSt i.H. von 143.492 EUR fest. Da A den geltend gemachten Vermächtnisanspruch nicht erfüllte, erhob der Kläger beim LG Klage. Obgleich das Gericht die A zur Zahlung des Betrags von 500.000 EUR verurteilte, erhielt der Kläger nur einen Teilbetrag von 87.836,66 EUR. Weitere Zahlungen blieben aus, da der über das Vermögen der A gestellte Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen wurde. Der Kläger beantragte eine abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 S. 1 AO. Das FA lehnte ab. Es komme für die Besteuerung auf den Rechtserwerb und nicht auf die Erfüllung des Vermächtnisses an.  

     

    Entscheidungsgründe

    Der Besteuerung kann nur der Betrag von 87.836,66 EUR zugrunde gelegt werden. Nach § 163 S. 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden, wenn die Steuererhebung im Einzelfall unbillig wäre. Zwar widerspricht der Ansatz des Werts zum Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 11 ErbStG) nicht grundsätzlich den Wertungen des Gesetzgebers (BFH 13.5.98, II R 98/97, BFH/NV 98, 1376). Eine Billigkeitsprüfung darf sich jedoch nicht in Überlegungen zur richtigen Rechtsanwendung erschöpfen, sondern muss auch verfassungsrechtliche Wertungen einschließen. So ist eine Billigkeitsmaßnahme geboten, wenn der Vollzug einer verfassungsmäßigen Norm zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Problemlage wie im Streitfall führt (BFH 26.11.03, X B 124/02, BFH/NV 04, 754).  

     

    Nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V. mit § 12 Abs. 1 S. 1 BewG ist der Vermächtnisanspruch unabhängig davon mit dem Nennwert anzusetzen, ob der Anspruch nach dem Bewertungsstichtag vollständig erfüllt worden ist (BFH 18.10.00, II R 46/98, BFH/NV 01, 420). Dagegen gebietet Art. 14 Abs. 1 GG eine abweichende Steuerfestsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen, da andernfalls die Steuerfestsetzung erdrosselnd wäre (BVerfG 8.4.97, 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267). Bei einem Steuereingriff in eine vermögenswerte Rechtsposition muss dem Berechtigten ein privater Nutzen verbleiben (BVerfG 18.1.06, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 114). Im Streitfall besteht der Nutzen darin, dass die Steuerschuld in der Weise reduziert wurde, dass der Kläger die Steuer aus dem tatsächlich erworbenen Vermögen (87.836,66 EUR) bezahlen konnte.