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  • 01.05.2006 | Erbvertrag

    Auslegung: Enterbung der Verwandten

    von RA / StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, Paderborn
    1.In einem Erbvertrag kann eine Enterbung nicht in vertragsmäßiger Weise, sondern nur als einseitige Verfügung getroffen werden. 
    2.Haben sich in einem Erbvertrag die Ehegatten wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt, keinen Schlusserben bestimmt und ferner verfügt, dass der längstlebende Ehegatte seine Verwandten von der gesetzlichen Erbfolge ausschließt und im Übrigen frei verfügen darf, kann bei einer Scheidung der Ehe die ergänzende Testamentsauslegung ergeben, dass der Erblasser seine Verwandten, zu denen er ein dauerhaft schlechtes Verhältnis hatte, auch für den Fall der Scheidung der Ehe von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen wollte. 
    (OLG München 13.9.05, 31 Wx 64/05, Abruf-Nr. 061224

     

    Sachverhalt

    Die Erblasserin, die geschieden und kinderlos verstarb, hatte einst mit ihrem Ehemann in einem notariellen Erbvertrag vereinbart, dass sich die Eheleute vertragsmäßig gegenseitig zu alleinigen und ausschließlichen Erben einsetzen. Der überlebende Erbe sollte in keiner Weise beschwert sein. In einem weiteren, ergänzenden Erbvertrag wurde geregelt: „Der länger lebende Eheteil (...) schließt hiermit seine Verwandten von der gesetzlichen Erbfolge aus.“ Einen Schlusserben bestimmten sie ausdrücklich nicht. Die Ehegatten wurde vom Notar darüber belehrt, dass bei Ableben des länger lebenden Eheteils, mangels gesetzlicher Erben, der Freistaat Bayern Erbe würde, wenn der Längerlebende keine anders lautende letztwillige Verfügung trifft. Nach dem Ableben der Erblasserin streiten sich die Tochter des Bruders der Erblasserin als einzige gesetzliche Erbin und der Fiskus über die Frage, wer Erbe geworden ist. 

     

    Entscheidungsgründe

    Der Ausschluss der eigenen Verwandten von der gesetzlichen Erbfolge ist keine vertragsmäßige Verfügung. Als vertragsmäßige Verfügung eines Erbvertrags ist nach § 2278 Abs. 2 BGB i. V. mit § 1941 Abs. 1 BGB nur die Erbeinsetzung, nicht jedoch die Enterbung ohne Erbeinsetzung möglich. In einem Erbvertrag kann die Enterbung nur als einseitige Verfügung nach § 2299 Abs. 1 BGB getroffen werden (Palandt/Edenhofer, § 1938 Rn. 2). 

     

    Nach § 2279 Abs. 2 BGB i.V. mit § 2077 Abs. 1 BGB ist die vertragliche Erbeinsetzung des Ehemanns durch die Scheidung unwirksam geworden. Die übrigen, nicht in vertragsgemäßer Weise getroffenen Verfügungen bleiben bestehen. Nach § 2298 BGB hat zwar die Nichtigkeit einer vertragsmäßigen Verfügung grundsätzlich die Unwirksamkeit des gesamten Vertrags unter Einschluss der einseitigen Verfügungen zur Folge. Das gilt allerdings nicht, wenn – wie im vorliegenden Fall – ein anderer Wille der Vertragschließenden anzunehmen ist (§ 2298 Abs. 3 BGB). Denn der geschiedene Ehemann hatte bekundet, dass die getroffene Regelung in Bezug auf die Enterbung der Verwandten unabhängig von dem Bestand der Ehe sein sollte.