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  • 03.01.2011 | Erbvertrag

    Rücktritt nur bei gegenseitigen Verträgen

    von RA StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn

    Ist mit einem Erbvertrag, durch den der Erblasser den Bedachten zum Erben bestimmt, ein gegenseitiger Vertrag unter Lebenden verbunden, in dem der Bedachte sich zum Erbringen von Pflegeleistungen verpflichtet und der Erblasser weitere Verpflichtungen übernimmt, so kann Letzterer wegen unterbliebener Pflegeleistung gemäß § 323 BGB von diesem Vertrag und sogleich nach § 2295 BGB vom Erbvertrag zurücktreten. Ein derartiger Rücktritt kommt erst in Betracht, wenn der Erblasser den Bedachten unter Fristsetzung zuvor vergeblich aufgefordert hat, die im Einzelnen zu bezeichnenden Pflegeleistungen zu erbringen (BGH 5.10.10, IV ZR 30/10, Abruf-Nr. 103609).

     

    Sachverhalt

    Im Erbvertrag setzte die Klägerin den Beklagten zu ihrem Erben ein. Ferner verpflichtete sie sich, ihr Hausgrundstück ohne Zustimmung des Beklagten weder zu veräußern noch zu belasten. Im Falle eines Verstoßes sollte der Beklagte berechtigt sein, die sofortige unentgeltliche Übertragung auf sich zu verlangen. Der Beklagte seinerseits verpflichtete sich, die Klägerin „in Kranken- und Altentagen zu hegen und zu pflegen, ohne dass dafür Geldmittel von mir und meinen Rechtsnachfolgern aufzuwenden sind“.  

     

    Ab Frühjahr 1999 war die Klägerin geringfügig und seit Anfang 2005 in größerem Maße pflegebedürftig. Im April 1999 forderte sie den Beklagten schriftlich unter Hinweis auf den Erbvertrag auf, bis zum 1.5.99 in ihrer Wohnung vorstellig zu werden. Mitte 2007 zog die Klägerin in ein Pflegeheim. Anfang 2008 erklärte sie den Rücktritt vom Erbvertrag unter Berufung darauf, dass der Beklagte keinerlei Pflegeleistungen getätigt habe.  

     

    Entscheidungsgründe

    Grundsätzlich finden die §§ 320 ff. BGB über gegenseitige Verträge - insbesondere über den Rücktritt nach § 323 BGB - auf Erbverträge keine Anwendung, da es am Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen der erbrechtlichen Verfügung und der übernommenen Verpflichtung des Vertragserben fehlt. Im Entscheidungsfall liegt hingegen ein gegenseitiger Vertrag vor. Der Erbvertrag enthält nicht nur die Erbeinsetzung des Beklagten einerseits und die Pflegeverpflichtung des Beklagten andererseits; vielmehr hat die Klägerin weiter die Verpflichtung übernommen, ihr Hausgrundstück nicht zu veräußern und zu belasten. Diese Unterlassungspflicht der Klägerin sowie die Pflegepflicht des Beklagten stehen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis i.S. des § 323 Abs. 1 BGB. Ist aber mit dem Erbvertrag ein gegenseitiger Vertrag unter Lebenden verbunden, so kann der Erblasser bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 323 BGB von diesem Vertrag und zugleich nach § 2295 BGB vom Erbvertrag zurücktreten.