09.03.2011 | Gemeinschaftliches Testament
Behinderte Tochter darf auf Pflichtteil verzichten
von RA StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn
Der Pflichtteilsverzicht eines behinderten Sozialleistungsbeziehers ist grundsätzlich nicht sittenwidrig (BGH 19.1.11, IV ZR 7/10, Abruf-Nr. 110512). |
Sachverhalt
Die Ehegatten setzten sich gegenseitig als Alleinerben ein. Schlusserben sollten die drei gemeinsamen Kinder sein, von denen eine Tochter unter einer Lernbehinderung litt, jedoch nicht unter gerichtlicher Betreuung stand und auch nicht in der Geschäftsfähigkeit eingeschränkt war. Diese Tochter erhielt seit dem Jahr 1992 vom Kläger Eingliederungshilfe (jetzt §§ 53 ff. SGB XII). Die Leistungsbezieherin wurde für den Schlusserbfall als nicht befreite Vorerbin eingesetzt. Über den Vorerbteil wurde Dauertestamentsvollstreckung angeordnet. Der Testamentsvollstrecker wurde angewiesen, der Leistungsbezieherin zur Verbesserung ihrer Lebensqualität aus den ihr gebührenden Reinerträgen des Nachlasses nach billigem Ermessen solche Geld- oder Sachleistungen zukommen zu lassen, auf die der Sozialhilfeträger nicht zugreifen kann und die auch nicht auf die gewährten Sozialleistungen anrechenbar sind.
Im Anschluss an die Beurkundung des Testaments verzichteten die drei Kinder auf ihren jeweiligen Pflichtteil nach dem erstversterbenden Elternteil. Die Ehefrau des Beklagten verstarb noch in 2006. Mit Bescheid vom 30.4.08 leitete der Kläger gemäß § 93 SGB XII den Pflichtteilsanspruch der Leistungsbezieherin nach der Mutter auf sich über.
Entscheidungsgründe
Nach der gefestigten Rechtsprechung zum Behindertentestament sind Verfügungen von Todes wegen, in denen Eltern eines behinderten Kindes die Nachlassverteilung durch eine kombinierte Anordnung von Vor- und Nacherbschaft sowie einer - mit konkreten Verwaltungsanweisungen versehenen - Dauertestamentsvollstreckung so gestalten, dass das Kind zwar Vorteile aus dem Nachlassvermögen erhält, der Sozialhilfeträger auf dieses jedoch nicht zugreifen kann, grundsätzlich nicht sittenwidrig; sie sind vielmehr Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus (BGH 20.10.93, IV ZR 231/92, NJW 94, 248; BGH 21.3.90, IV ZR 169/89, NJW 90, 2055).
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