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  • 03.01.2011 | Gemeinschaftliches Testament

    Pflichtteilsstrafklausel: Sozialhilfeträger kann Erben nicht zur Verwertung des Pflichtteils zwingen

    Die Verwertung eines Pflichtteilsanspruchs, der aus einem Berliner Testament resultiert, bedeutet eine besondere Härte, wenn der Anspruch nur durch eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung des begünstigten Elternteils zu realisieren ist (BSG 6.5.10, B 14 AS 2/09 R, Abruf-Nr. 104056).

     

    Sachverhalt

    In dem maßgeblichen gemeinschaftlichen Testament setzten sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben und die beiden Kinder zu Schlusserben zu gleichen Teilen ein. Weiter ist in einer Pflichtteilsstrafklausel geregelt, wonach derjenige, der im ersten Erbfall seinen Pflichtteil geltend macht, für den Schlusserbfall enterbt sein soll. Der Sozialhilfeträger lehnte die Gewährung von Leistungen mit der Begründung ab, der Pflichtteilsanspruch sei zur Sicherstellung des Lebensunterhalts einzusetzen. Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus der von den Eheleuten bewohnten Immobilie.  

     

    Entscheidungsgründe

    Hilfebedürftig i.S. von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II i.V. mit § 9 Abs. 1 SGB II ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bzw. aus dem zu berücksichtigenden Vermögen sichern kann. Zum Vermögen des Klägers zählt der Pflichtteilsanspruch aus § 2303 Abs. 1 BGB. Nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II sind als Vermögen allerdings Sachen und Recht nicht zu berücksichtigen, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Eine besondere Härte liegt vor, wenn die Verwertung des Pflichtteils notwendig zu einer Veräußerung des Hausgrundstücks oder einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung der Mutter des Klägers führen würde. Eine besondere Härte i.S. des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 2. Alt SGB II kann sich nicht nur aus den wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Hilfebedürftigen, sondern auch aus den besonderen persönlichen Umständen ergeben.  

     

    Praxishinweis

    Sinn und Zweck eines gemeinschaftlichen Testaments (Berliner Testament) i.S. des § 2269 Abs. 1 BGB ist es, dem Überlebenden das gemeinsame Vermögen zunächst ungeteilt zu belassen. Die Abkömmlinge werden enterbt und die unerwünschte Pflichtteilsforderung durch eine Verwirkungsklausel sanktioniert. Die gemeinsame Verfügung der Ehepartner wird getragen von der Erwartung, dass die Kinder nicht durch die Einforderung ihres Pflichtteils das Vermögen des überlebenden Partners schmälern. Dass die Rechtsordnung die familiäre Verbundenheit von Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem in besonderem Maße berücksichtigt, zeigt § 852 Abs. 1 ZPO. Das Vollstreckungsrecht überlässt dem Pflichtteilsberechtigten die Entscheidung, ob der Anspruch gegen den Erben durchgesetzt werden soll oder nicht (BGH 8.7.93, IX ZR 116/92, NJW 93, 2876).(GS)