03.01.2011 | Gemeinschaftliches Testament
Schwere Verfehlung, nachträgliche Verzeihung
von RA StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn
Hat der überlebende Ehegatte eine wechselbezügliche Schlusserbeneinsetzung bei Vorliegen einer schweren Verfehlung wirksam aufgehoben, wird dieser Widerruf durch eine nachträgliche Verzeihung nicht unwirksam (KG Berlin 19.10.10, 1 W 361/10, Abruf-Nr. 104055). |
Sachverhalt
Der Erblasser errichtete mit seiner vorverstorbenen Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament, in dem sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben und ihre Tochter, wechselbezüglich bindend, als Schlusserbin eingesetzt haben. Aufgrund einer schweren Verfehlung der Tochter hat der überlebende Ehegatte die bindend gewordene Schlusserbeneinsetzung der Tochter gemäß § 2271 Abs. 2 S. 2 BGB i.V. mit §§ 2294, 2336 BGB formwirksam widerrufen. Später wurde der Tochter vom späteren Erblasser i.S. von § 2337 BGB nachträglich verziehen. In einem nachfolgenden Testament setzte der überlebende Ehegatte seinen Lebensgefährten als Alleinerben ein. Fraglich ist, ob die Tochter nach dem Tod des Erblassers Erbin aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments der Ehegatten geworden ist.
Entscheidungsgründe
Hat der überlebende Ehegatte eine wechselbezügliche Verfügung (§ 2270 BGB) bei Vorliegen einer Verfehlung nach §§ 2294, 2333 BGB in der Form des § 2336 BGB wirksam aufgehoben, wird der Widerruf durch eine nachträgliche Verzeihung i.S. von § 2327 S. 2 BGB nicht unwirksam. Die Vorschrift gilt nur für die Entziehung des Pflichtteils nach §§ 2333 ff. BGB und nicht für die Aufhebung einer Verfügung gemäß § 2271 Abs. 2 S. 2 BGB. Weder § 2271 Abs. 2 S. 2 BGB noch § 2294 BGB verweisen auf die entsprechende Vorschrift zur nachträglichen Verzeihung i.S. von § 2337 BGB. Für eine entsprechende Anwendung besteht kein hinreichender Grund, denn der Erblasser hat die Möglichkeit, neu zu testieren.
Praxishinweis
Aufgrund der Verweisungstechnik in § 2271 Abs. 2 S. 2 BGB erfolgt der Widerruf einer durch den Tod eines der Ehegatten bindend gewordenen Schlusserbeneinsetzung aufgrund einer schweren Verfehlung durch letztwillige Verfügung (§ 2336 Abs. 1 BGB). Die Schlusserbeneinsetzung ist damit (zunächst) endgültig beseitigt. Eine spätere Verzeihung (§ 2337 BGB) führt nicht dazu, dass die ehemals bindend gewordene Schlusserbeneinsetzung quasi wieder auflebt. Die Verzeihung bewirkt allein, dass eine Pflichtteilsentziehung nicht mehr in Betracht kommt. Der ehemals benannte Schlusserbe kann durch neue Verfügung von Todes wegen zum Erben eingesetzt werden. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, durch ein (Widerrufs-)Testament den Widerruf der bindend gewordenen Schlusserbeneinsetzung zu widerrufen und damit den alten Zustand wieder in Kraft zu setzen.
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