05.07.2011 | Gemeinschaftliches Testament
Strenger Maßstab bei Abänderungsbefugnis
von RA StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn
1. Die Wechselbezüglichkeit der Einsetzung der Kinder des vorverstorbenen Ehegatten aus dessen erster Ehe als Schlusserben entfällt nicht allein deshalb, weil der überlebende Ehegatte erhebliches Vermögen von seiner Verwandtschaftsseite nach dem Tod des vorverstorbenen Ehegatten erhalten hat. |
2. Der überlebende Ehegatte ist jedoch zu einer neuen Verfügung befugt, wenn und soweit im Rahmen der ergänzenden Testamentsauslegung eine entsprechende Änderungsbefugnis festgestellt werden kann. Hierbei ist sowohl hinsichtlich der Annahme als auch des Umfangs der Abänderungsbefugnis ein strenger Maßstab anzulegen. |
3. Ein Irrtum über die mit dem Tod des Erstversterbenden eintretende Bindungswirkung bei wechselbezüglichen Verfügungen stellt keinen zur Anfechtung berechtigenden Inhaltsirrtum dar. |
(OLG München 28.3.11, 31 Wx 93/11, Abruf-Nr. 112122). |
Sachverhalt
Die 2009 verstorbene Erblasserin war verwitwet und kinderlos. Aus der ersten Ehe des vorverstorbenen Ehemanns waren zwei Kinder hervorgegangen. Eines der Kinder war bereits verstorben, hatte aber seinerseits ein Kind hinterlassen. Ende 1982 hatten die Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu alleinigen Erben des gesamten Nachlasses einsetzten. Erben des Letztversterbenden sollten die beiden Kinder aus der ersten Ehe des Ehemanns sein.
Ende 2007 errichtete die Erblasserin ein weiteres handschriftliches Testament, in dem sie ihre Nichte als Alleinerbin einsetzte. Nach dem Tod der Erblasserin beantragte die Nichte einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein. Der Nachlass der Erblasserin stammte im Wesentlichen aus einer Erbschaft, die ihr erst nach dem Tod des Ehemanns zugefallen ist. Kind und Kindeskind, die aus der 1. Ehe des Ehemanns hervorgegangen waren, sind dem Antrag entgegengetreten und haben ihrerseits einen Erbschein beantragt, der sie als Miterben zu je ½ ausweist.
Entscheidungsgründe
Die Erbfolge nach der Erblasserin bestimmt sich nach dem mit ihrem Ehemann errichteten gemeinschaftlichen Testament von 1982. Da die dort angeordnete Schlusserbeneinsetzung zu ihrer eigenen Einsetzung als Alleinerbin ihres Ehemanns wechselbezüglich i.S. des § 2270 BGB ist, war die Erblasserin daran gehindert, die Erbeinsetzung nach ihrem Ableben davon abweichend zu regeln. Nach § 2270 Abs. 1 BGB sind in einem gemeinschaftlichen Testament getroffene Verfügungen dann wechselbezüglich und damit für den überlebenden Ehegatten bindend getroffen, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wäre. Wenn also jede der beiden Verfügungen mit Rücksicht auf die andere getroffen worden ist, und nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine mit der anderen stehen und fallen soll, ist Wechselbezüglichkeit gegeben. Maßgeblich ist dabei der übereinstimmende Wille der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Indem der Ehemann, wie hier, seine Ehefrau zur Alleinerbin einsetzt, übergeht und enterbt er seine eigenen Kinder; denn seine eigene Schlusserbeneinsetzung der Kinder wird im Falle seines Vorversterbens gegenstandslos. Es liegt daher nahe, dass er die Enterbung seiner Kinder für den ersten Todesfall in einer Wechselwirkung dazu sieht, dass nicht nur er selbst, sondern auch der Ehegatte im Gegenzug dafür als Schlusserben des beiderseitigen Vermögens die Kinder einsetzt.
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