15.11.2010 | Gemeinschaftliches Testament
Wechselbezüglichkeit auf dem Prüfstand
von RA StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn
Setzen sich Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Alleinerben und ihre Kinder als Schlusserben ein, so ist die Schlusserbeneinsetzung im Zweifel wechselbezüglich (OLG München 13.9.10, 31 Wx 119/10, Abruf-Nr. 103307). |
Sachverhalt
Die verwitwete Erblasserin verstarb Ende 2009 im Alter von 87 Jahren. Die Erblasserin hatte mit ihrem im Jahr 1970 vorverstorbenen Ehemann im Jahre 1966 ein gemeinschaftliches handschriftliches Testament verfasst, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben, und die namentlich aufgeführten gemeinschaftlichen Kinder zu Schlusserben eingesetzt hatten. Im April 2009 errichtete die Erblasserin ein handschriftliches Testament, in dem sie nur eines ihrer Kinder zum Alleinerben einsetzte. Nach ihrem Tod beantragte dieser einen ihn als Alleinerben ausweisenden Erbschein.
Entscheidungsgründe
Das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahr 1966 ist bindend und konnte nicht durch eine neue Verfügung von Todes wegen widerrufen werden (§ 2271 Abs. 2 BGB). Nach § 2270 Abs. 1 BGB sind in einem gemeinschaftlichen Testament getroffene Verfügungen dann wechselbezüglich, und damit für den überlebenden Ehegatten bindend, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wäre, wenn also jede der beiden Verfügungen mit Rücksicht auf die andere getroffen worden ist, und nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine mit der anderen stehen und fallen soll. Maßgeblich ist dabei der übereinstimmende Wille der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung.
Erst wenn die Ermittlung des Erblasserwillens weder die gegenseitige Abhängigkeit noch die gegenseitige Unabhängigkeit der beiderseitigen Verfügung ergibt, ist gemäß § 2270 Abs. 2 BGB im Zweifel Wechselbezüglichkeit anzunehmen, wenn
- sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder
- dem einen Ehegatten von dem anderen Ehegatten eine Zuwendung gemacht wird, und für den Fall des Überlebens des Bedachten, eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist.
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