01.09.2006 | Gemeinschaftsdepot
Der entscheidende Fehler: Das FA als zweifacher Vermächtnisnehmer
Bei Gemeinschaftskonten und Gemeinschaftsdepots kann es nicht nur zu rechtlich, sondern auch steuerrechtlich komplizierten Abgrenzungsproblemen kommen. Solche Konten sind deshalb mit besonderer Umsicht zu errichten bzw. aufzulösen.
Sachverhalt |
Die verwitwete Frau A (64 Jahre) lernte auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung in München den ebenfalls verwitweten Herrn B (65 Jahre) kennen. Frau A hatte eine Tochter, die Ehe des Herrn B war kinderlos geblieben. Nach einiger Zeit entschlossen sich die beiden, ihren Lebensabend gemeinsam zu verbringen und bezogen eine gemeinsame Wohnung in München. Herr B kümmerte sich auf ausdrücklichen Wunsch seiner – in wirtschaftlichen Dingen eher unerfahrenen Lebensgefährtin – auch um deren finanzielle Angelegenheiten.
Zum Vermögen von Frau A gehörte unter anderem ein Wertpapierdepot bei einer Privatbank mit einem Vermögenswert von etwa 1.600.000 EUR. Da Herr B auch dieses Konto für seine Lebensgefährtin verwaltete, ließ Frau A dieses Konto im Einvernehmen mit der Bank in ein Gemeinschaftsdepot auf den Namen von Herrn A und Frau B mit Einzelverfügungsberechtigung abändern. Herr B tätigte in den Folgejahren über dieses Depot immer wieder An- und Verkäufe von Wertpapieren, so dass es ihm gelang, den Wert des Depots noch etwas zu steigern.
Frau A, die neben diesem Wertpapierdepot noch weiteres Vermögen, insbesondere mehrere Immobilien, besaß, hatte in einem wirksamen Testament ihre einzige Tochter zur Alleinerbin eingesetzt. Herr B, der außer einigen persönlichen Dingen kein nennenswertes Vermögen besaß und bisher auch noch kein Testament errichtet hatte, setzte Frau A zu seiner Alleinerbin ein, zumal er auch keine Verwandten hatte, die als Erben in Betracht zu ziehen gewesen wären. Herr B starb anlässlich einer Bergwanderung in den österreichischen Alpen im Alter von 77 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt hatte das 11 Jahre zuvor umgewandelte Depot einen Wert von 1.844.000 EUR. |
1. Die steuerlichen Konsequenzen
Die Begründung oder Auflösung des Gemeinschaftsdepots kann im Einzelfall zu einer Schenkung oder einem Erwerb von Todes wegen führen. Auch wenn die Rechtsprechung schon entschieden hat, dass die Einrichtung eines Oder-Kontos zu Gunsten eines Ehegatten für sich allein noch nicht zu einer Schenkung führe (FG Münster 3.12.92, EFG 93, 589; FG Düsseldorf 27.7.05, 4 K 2596/03 Erb, Abruf-Nr. 062553), ist Vorsicht geboten. Die Finanzverwaltung (OFD Münster 5.1.98) geht nämlich grundsätzlich davon aus, dass sowohl Gemeinschaftskonten als auch Gemeinschaftsdepots unabhängig von der Herkunft des Geldes bzw. der Herkunft der Wertpapiere grundsätzlich beiden Ehegatten jeweils zur Hälfte zuzurechnen sind. Dies soll nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung bei einem Oder-Konto unabhängig von der Art des Erwerbs der Wertpapiere gelten (FG Düsseldorf 19.7.95, EFG 96, 242; FG Rheinland-Pfalz 7.7.94, EFG 95, 125). Dementsprechend kam es im Ausgangsfall zu einer massiven steuerlichen Belastung.
Berechnung der steuerlichen Belastung | ||||||||||||||||
Nachdem die Bank den Stand des Wertpapierdepots nach dem Tode des Herrn B dem Finanzamt angezeigt hatte (§ 33 ErbStG), setzte das Finanzamt zunächst für den Erwerb des hälftigen Depots Erbschaftsteuer für einen Erwerb durch Erbanfall bei Frau A bestandskräftig fest.
Nachdem das Finanzamt ermittelt hatte, dass das Depot etwa 11 Jahre vor dem Erbfall in ein Gemeinschaftsdepot umgewandelt worden war, erhielt Frau A einen weiteren Schenkungsteuerbescheid als Gesamtrechtsnachfolgerin des Herrn A. Der Steueranspruch war auch nach mehr als zehn Jahren noch nicht verjährt. Mangels einer Anzeige der Schenkung beginnt nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO die Festsetzungsverjährung nämlich erst mit dem Tod des Schenkers. Eine Zusammenrechnung der Erwerbe (§ 14 ErbStG) erfolgt nicht, da die freigebigen Zuwendungen und der Erwerb von Todes wegen nicht innerhalb eines 10-Jahres-Zeitraums liegen:
Insgesamt ergaben sich somit eine Erbschaft- und Schenkungsteuerbelastung (ohne Zinsen) i.H. von 599.060 EUR. |
2. Vermeidung der Erbschaftsteuer
Der Fall zeigt, dass die steuerliche Zurechnung von Ehegatten-Gemeinschaftskonten und Ehegatten-Gemeinschaftsdepots erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann. Ist aber ein echtes Gemeinschaftsdepot gewollt, werden sich diese steuerlichen Konsequenzen aber letztlich nicht vermeiden lassen. Entscheidende Frage wird sein, ob mit der Einrichtung eines Gemeinschaftskontos oder Gemeinschaftsdepots tatsächlich die Eigentumsverhältnisse geändert werden sollen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist hier streng zwischen Oder-Konten und Oder-Depots zu differenzieren.
2.1 Eigentumsverhältnisse beim „Oder-Konto“
Bei den Oder-Konten kann jeder Kontoinhaber allein über das Guthaben verfügen. Jeder Ehegatte ist also einzelverfügungsberechtigt. Häufig wird die Anlage eines „Oder-Kontos“ der Erteilung einer Bankvollmacht vorgezogen und auch von den Banken initiiert. Die Inhaber sind im Verhältnis zur Bank (Außenverhältnis) Gesamtgläubiger und Gesamtschuldner (§ 428 BGB).
Im Verhältnis der Ehegatten untereinander (Innenverhältnis) gilt die Vermutungsregel des § 430 BGB, wonach die Ehegatten im Zweifel zu gleichen Anteilen berechtigt und verpflichtet sind. Derjenige, der eine andere als die vermutete hälftige Beteiligung der Kontoinhaber oder – im Falle einer Überziehung des Kontos – den Ausschluss einer Ausgleichungspflicht gegenüber der Bank behauptet, muss dies auch beweisen (BGH 29.11.89, IVb ZR 4/89, WM 90, 239, 240; BGH 23.9.92, XII ZR 66/91, WM 93, 1005). Der Gegenbeweis kann sich aus einer ausdrücklichen Vereinbarung oder aus den Umständen des Einzelfalls ergeben. Es ist offenkundig, dass ein solcher Nachweis ohne ausdrückliche Vereinbarung schwierig zu führen sein wird.
2.2 Eigentumsverhältnisse beim „Oder-Depot“
Beim „Oder-Depot“ ist zwischen der Eigentumslage an den verwahrten Wertpapieren und den Rechten aus dem Depotverwahrungsvertrag zu unterscheiden. Hierzu hat der BGH entschieden, dass die Vermutung des § 430 BGB zwar für die Rechte aus dem Verwahrungsvertrag mit der Bank gilt, nicht aber für die Eigentumsrechte an den Wertpapieren, da es insoweit keine Gesamtgläubigerschaft gebe. Maßgeblich sei allein die Eigentumslage (BGH 25.2.97, DStR 97, 754). Dem lag folgender Fall zu Grunde:
BGH 25.2.97 |
Ehemann A und Ehefrau B lebten im Güterstand der Gütertrennung. Das Vermögen bestand unter anderem aus einem Wertpapierdepot. Dieses war zunächst als Einzeldepot des Ehemannes geführt worden. Später wurde es im Einvernehmen mit der Bank in ein Gemeinschaftsdepot mit Einzelverfügungsberechtigung („Oder-Depot“) umgewandelt. Nach dem Tode des A wurden seine Kinder Erben zu je 1/3. Der Sohn S wurde zudem zum Testamentsvollstrecker ernannt. Er ließ die Wertpapiere nach dem Tode des A in ein Depot übertragen, über das nur er verfügen konnte. Frau B war hiermit nicht einverstanden und verlangte die Herausgabe des halben Depots, weil sie Eigentümerin des Depots zur Hälfte sei. |
Der BGH lehnte einen Herausgabeanspruch ab. Die Ehefrau sei nicht hälftige Eigentümerin der verwahrten Wertpapiere geworden. Dies gelte unabhängig davon, ob es sich um verbriefte oder unverbriefte Wertpapiere (z.B. Bundesschatzbriefe oder Bundesobligationen) handele. Die Errichtung eines „Oder-Depots“ führe nicht ohne weiteres zur Änderung der Eigentumsverhältnisse. Auf Grund der Eigentumsvermutung des BGB (§ 1006 BGB) stünden den Teilhabern nur im Zweifel gleiche Anteile am Depot zu. Diese Vermutung sei aber nur schwach ausgeprägt und komme nicht zum Zuge, wenn sich aus dem Willen der Beteiligten etwas anders ergebe oder wenn sie der Sachlage nicht gerecht wird. Dies sei hier aber der Fall. Die Umwandlung des Einzeldepots in ein Gemeinschaftsdepot habe daher zu keiner Änderung der Eigentumslage geführt. Folgende Indizien können nach Auffassung des BGH für die Widerlegung der hälftigen Eigentumsvermutung von Bedeutung sein:
- Die Errichtung eines Gemeinschaftsdepots als „Oder-Depot“ dient häufig nur dem Zweck, neben dem Eigentümer der Wertpapiere auch einer anderen Person Verfügungen über die Wertpapiere zu ermöglichen.
- Diese Annahme ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn der ursprüngliche Depotinhaber (Eigentümer) aus Altersgründen oder Krankheitsgründen die Ernennung eines zusätzlich Verfügungsberechtigten für sinnvoll erachtet.
- Die Vereinbarung von Gütertrennung sowie gegenseitige Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträge der Ehegatten untereinander sowie die Erbeinsetzung der Kinder sprechen dafür, dass der Ehegatte eigentumsrechtlich weitestgehend ausgeschlossen werden soll.
Im Rahmen der Gestaltungsberatung kann auf der Basis der zivilrechtlichen Beurteilung daher nur angeraten werden, zur Vermeidung einer schenkungsteuerlichen Zuwendung kein Gemeinschaftsdepot zu errichten, sondern eine Vollmachtlösung zu wählen. Alternativ wäre eine interne Regelung der Lebenspartner untereinander denkbar gewesen, so dass sich auch durch die Umbenennung in ein Gemeinschaftsdepot auf Grund der Lebenssituation der Beteiligten und der jeweils getroffenen erbrechtlichen Regelungen – Testament von Frau A zu Gunsten ihres Kindes; Testament von Herrn B zu Gunsten der Frau A – keine Änderung der Eigentumsverhältnisse am Depot bewirkt werden solle.
Im Rahmen der Abwehrberatung kann auf der Basis der zivilrechtlichen Beurteilung nur angeraten werden, schon gegen den ersten Bescheid (Erbschaftsteuerbescheid über 320.880 EUR) des Finanzamtes vorzugehen und dem Finanzamt klar zu machen, dass sich auf Grund der jeweils getroffenen erbrechtlichen Regelungen (Testament von Frau A zu Gunsten ihres Kindes; Testament von Herrn B zu Gunsten der Frau A) aus den Umständen heraus ergebe, dass Frau A keine Änderung der Eigentumsverhältnisse am Depot bewirken wollte. Wäre das Finanzamt hier schon überzeugt worden, wäre es auch nicht mehr zu dem Schenkungsteuerbescheid gekommen. Hierfür können die vom BGH für die zivilrechtliche Einordnung aufgestellten Kriterien eine wertvolle Argumentationshilfe sein. Im Einzelfall könnte auch das Vorliegen des Tatbestands der Schenkung bestritten werden, weil eine tatsächliche Verfügungsmacht über das Konto nicht besteht (FG Düsseldorf 27.7.05, a.a.O.). Eine zur rechten Zeit getroffene schriftliche und dem Finanzamt vorlegbare Vereinbarung der Lebenspartner hätte hier den Nachweis sichtlich erleichtert.