· Fachbeitrag · Schenkungsteuer
Beweislastregeln rund um Alleininhaberkonten und „Oder-Konten“ oder „Oder-Depots“
von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster
| Einzahlungen auf ein „Oder-Konto“ oder „Oder-Depot“ sowie deren Auflösung zugunsten eines der Inhaber sind aus schenkungsteuerlicher Sicht problematisch. Führt die Handhabung solcher Konten zu Vermögensverschiebungen, halten Rechtsprechung und Finanzverwaltung eine Schenkung für naheliegend. Sie stellen dabei aber auf die Gesamtumstände des Einzelfalls ab und schließen die Möglichkeit, den ersten Anschein einer Schenkung zu widerlegen, zumindest nicht aus. Dafür müssen aber überzeugende Nachweise erbracht werden. |
1. Einordnung des „Oder-Kontos“ oder „Oder-Depots“
Bei dem „Oder-Konto“/„Oder-Depot“ handelt es sich um ein Gemeinschaftskonto mehrerer Kontoinhaber mit Einzelberechtigung. In der Regel sind die Kontoinhaber Ehegatten und als solche Gesamtgläubiger i.S. des § 428 BGB. Im Verhältnis der Ehegatten untereinander (Innenverhältnis) gilt die Vermutungsregelung des § 430 BGB, wonach die Ehegatten im Zweifel zu gleichen Anteilen berechtigt und verpflichtet sind.
Bei einem „Oder-Depot“ besteht die zivilrechtliche Besonderheit, dass zwischen der Eigentumslage an den verwahrten Wertpapieren und den Rechten aus dem Depotverwahrungsvertrag zu unterscheiden ist. Hierzu hat der BGH entschieden, dass die Vermutung des § 430 BGB zwar für die Rechte aus dem Depotverwahrungsvertrag mit der Bank gilt, nicht aber für die Eigentumsrechte an den Wertpapieren (BGH 25.2.97, XI ZR 321/95, DStR 97, 754). Sachenrechtlich bzw. eigentumsrechtlich gilt vielmehr die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB, wonach den Teilhabern nur im Zweifel gleiche Anteile am Depot zustehen. Nach Auffassung des BGH ist diese Vermutung schwächer ausgeprägt und kommt nicht zum Zuge, wenn sich aus dem Willen der Beteiligten etwas anderes ergibt oder wenn sie der Sachlage nicht gerecht wird.
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Ehemann A und Ehefrau B lebten im Güterstand der Gütertrennung. Das Vermögen bestand unter anderem aus einem Wertpapierdepot. Dieses war zunächst als Einzeldepot des A geführt worden. Später wurde es in ein „Oder-Depot“ umgewandelt. Nach dem Tod des A wurden seine Kinder Erben zu je 1/3. Der Sohn S wurde zudem zum Testamentsvollstrecker ernannt. Er ließ die Wertpapiere nach dem Tod des A in ein Depot übertragen, über das nur er verfügen konnte. Frau B war hiermit nicht einverstanden und verlangte die Herausgabe des halben Depots, weil sie Eigentümerin des Depots zur Hälfte sei. Der BGH lehnte einen Herausgabeanspruch ab, da er B nach den Gesamtumständen nicht als Miteigentümerin des Depots ansah. |
Hinsichtlich der Verwaltung gilt, dass das Geldinstitut bei „Oder-Konten“ oder „Oder-Depots“ verpflichtet ist, an denjenigen Gesamtgläubiger zu leisten, der zuerst die Leistung an sich verlangt (Prioritätsprinzip). Insoweit steht dem Geldinstitut kein Wahlrecht zu, an wen es leisten will (OLG Stuttgart 29.5.01, 12 U 263/00, juris; bestätigt durch BGH 6.6.02, IX ZR 169/01, juris). Verlangt ein Kontoinhaber die Leistung an sich, können die anderen Kontoinhaber nicht mehr über das Kontoguthaben verfügen.
2. Bereicherung des Ehegatten
Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Eine freigebige Zuwendung setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung (objektiv) unentgeltlich ist (BFH 23.11.11, II R 33/10, ErbBstg 12, 119, BStBl II 12, 473; BFH 30.11.09, II R 70/06, BFH/NV 10, 900). Dies erfordert, dass der Empfänger über das Zugewendete im Verhältnis zum Leistenden tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann.
Nach dieser Definition kann auch ein Übertrag von dem Konto eines Ehegatten auf das Konto des anderen Ehegatten oder auf ein Gemeinschaftskonto beider Ehegatten eine Zuwendung i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an den anderen Ehegatten sein. Eine Bereicherung des anderen Ehegatten ist nach der Rechtsprechung des BFH dann gegeben, wenn und soweit dieser im Verhältnis zum einzahlenden oder übertragenden Ehegatten tatsächlich und rechtlich frei über das übertragene Guthaben verfügen kann und die Zuwendung unentgeltlich ist (BFH 23.11.11, II R 33/10, ErbBstg 12, 119, BStBl II 12, 473 m.w.N.).
Maßgebend ist nach Auffassung des BFH ausschließlich die Zivilrechtslage und nicht, wem nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise das übertragene Vermögen nach § 39 Abs. 2 AO zuzurechnen ist (BFH 23.11.11, II R 33/10, ErbBstg 12, 119, BStBl II 12, 73 m.w.N.). Zuwendungsgegenstand ist die nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen ermittelte Vermögensmehrung, die durch die Erhöhung des Vermögensbestands beim Empfänger eintritt.
- Alleininhaberkonto oder -depot: Lautet ein Bankkonto/Bankdepot allein auf einen Namen, ist derjenige im Zweifel auch Inhaber und als solcher Gläubiger des ausgewiesenen Guthabens. Der Inhaber eines Einzelkontos/-depots ist damit im Regelfall nicht nur alleiniger Gläubiger der Guthabensforderung gegenüber der Bank, sondern ihm steht regelmäßig auch im Innenverhältnis der Ehegatten das Guthaben alleine zu (BGH 11.9.02, XII ZR 9/01, NJW 02, 3702). Daran ändert auch die Erteilung einer Konto- oder Depotvollmacht nichts. Bei der Übertragung eines Alleininhaberkontos/-depots ist daher im Regelfall von einer Schenkung auszugehen.
- „Oder-Konto“/„Oder-Depot“: Wird von den Ehegatten ein Gemeinschaftskonto/-depot mit Einzelberechtigung begründet, leisten beide Ehegatten Einzahlungen und besteht Einvernehmen, dass die Ersparnisse beiden zugutekommen sollen, steht ihnen die Forderung gegen die Bank im Innenverhältnis im Zweifel zu gleichen Anteilen gemäß §§ 741 ff. BGB zu (BGH 19.4.00, XII ZR 62/98, NJW 00, 2347; BGH 11.9.02, XII ZR 9/01, NJW 02, 3702). Einseitige Einzahlungen können zu Schenkungen führen. Bei der Übertragung ist nur für den im Innenverhältnis auf den übertragenden Ehegatten entfallenden hälftigen Anteil von einer Schenkung auszugehen.
- Ehegatten können bei einem Alleininhaberkonto oder -depot auch stillschweigend eine Berechtigung des Ehegatten, der nicht Kontoinhaber ist, an der Kontoforderung vereinbart haben (BGH 11.9.02, XII ZR 9/01, NJW 02, 3702; Brandenburgisches OLG 7.9.10, 10 UF 15/10, FamRZ 11, 114). Unter welchen Voraussetzungen eine solche konkludente Vereinbarung anzunehmen ist, hängt nach der Rechtsprechung des BGH von den Umständen des Einzelfalls ab (BGH 11.9.02, XII ZR 9/01, NJW 02, 3702). Auch in diesem Fall wäre nur für den im Innenverhältnis auf den übertragenden Ehegatten entfallenden Anteil von einer Schenkung auszugehen.
3. Beweislastregeln
Für den Nachweis oder die Widerlegung einer Schenkung kommt sowohl bei Alleininhaberkonten als auch „Oder-Konten“/„Oder-Depots“ den Beweislastregeln eine entscheidende Bedeutung zu.
3.1 Alleininhaberkonto/-depot und Beweislastregeln
Wird das Konto/Depot als Alleininhaberkonto eines Ehegatten angesehen, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ihm das darauf befindliche Vermögen gehört. Kommt es zu einer Vermögensverschiebung auf den anderen Ehegatten und behaupten die Beteiligten zur Widerlegung einer Schenkung, dass das Vermögen ganz oder teilweise nicht dem Kontoinhaber, sondern dem anderen Ehegatten zuzurechnen ist, tragen sie dafür die Feststellungslast.
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Ein Nachweis der Alleineigentümerstellung des anderen Ehegatten könnte erbracht werden durch Vorlage einer Treuhandvereinbarung oder durch Vorlage periodischer Abrechnungen oder zeitnaher Aufstellungen/Quittungen über das dem anderen Ehegatten zur Gutschrift auf dem Konto/Depot überlassene Vermögen. |
Zwar obliegt dem Finanzamt grundsätzlich die Beweislast für die steuerbegründenden Tatbestandsmerkmale des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Gemäß § 159 Abs. 1 S. 1 AO hat aber derjenige, der behauptet, dass er auf seinen Namen lautende Rechte oder Sachen in seinem Besitz nur als Treuhänder, Vertreter eines anderen oder Pfandgläubiger innehabe oder besitze, auf Verlangen nachzuweisen, wem die Rechte oder Sachen gehören; anderenfalls sind sie ihm regelmäßig zuzurechnen. Nach Auffassung des FG Nürnberg gilt § 159 Abs. 1 S. 1 AO auch für Forderungen, wie z.B. die Zurechnung von Bankguthaben auf einem Konto, das auf den Namen eines Steuerpflichtigen lautet (FG Nürnberg 15.5.14, 4 K 1390/11, EFG 14, 1698, Revision BFH II R 41/14; Pahlke/Cöster, AO, § 159 Rn. 9; Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 159 Rn. 7). Auch nach Weinmann (Moench/Weinmann, ErbStG, § 7 Rn. 131a) hat ein Ehegatte, der sich auf ein verdecktes Treuhandverhältnis bei Überlassung eines Geldbetrags beruft, obwohl die Tatsachen für eine freigebige Zuwendung sprechen, die objektive Feststellungslast für das behauptete Treuhandverhältnis zu tragen. Handelt es sich um einen Sachverhalt mit Auslandsbezug, kann das Finanzamt zusätzlich aus § 90 Abs. 2 AO nachteilige Folgen aus der Nichterfüllung der Nachweispflichten ziehen.
Objektive Anhaltspunkte, die Zweifel daran begründen, dass die Vermögensverhältnisse richtig dargestellt werden, können aber zu einer Umkehr der Beweislast führen. So lässt nach Ansicht des FG Nürnberg die ausschließliche Einrichtung von Einzelkonten teilweise mit Verfügungsberechtigung für den anderen Ehegatten eher den Schluss auf eine Trennung der Vermögenssphären der Ehegatten als auf eine gemeinsame Vermögensstruktur zu. In diesem Fall müssen die Ehegatten nachweisen, warum das Konto dem Nichtinhaberehegatten ganz oder teilweise zuzurechnen ist.
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Gründe für eine Beweislastumkehr können sich auch aus der besonderen familien- und erbrechtlichen Situation ergeben:
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Im vom FG Nürnberg (15.5.14, 4 K 1390/11, EFG 14, 1698, Revision BFH II R 41/14) entschiedenen Fall hatten die Ehegatten übereinstimmend erklärt, dass das auf den Namen des Ehemanns angelegte Vermögen in der Schweiz ursprünglich beiden Ehegatten jeweils zur Hälfte zuzurechnen gewesen sei und sich dies durch die Umschichtung nicht geändert habe. Auch hatten sie erklärt, sie seien in der Regel gemeinsam in die Schweiz gefahren und hätten gemeinsam die Bank aufgesucht; über eine konkrete Vermögensanlage habe dann nach Absprache derjenige entschieden, dessen Guthaben betroffen gewesen sei. Diese Darlegungen reichten dem FG Nürnberg jedoch nicht aus, um anzunehmen, dass das Konto den beiden Ehegatten zur Hälfte zustand.
3.2 „Oder-Konto“/„Oder-Depot“
Nach der Rechtsprechung des BFH zum „Oder-Konto“ (BFH 23.11.11, II R 33/10, ErbBstg 12, 119, BStBl II 12, 473 m.w.N. zu § 430 BGB) kann hinsichtlich der Gestaltung des Innenverhältnisses während einer intakten Ehe einer übereinstimmenden Darstellung durch die Eheleute regelmäßig gefolgt werden, wenn nicht objektive Anhaltspunkte vorliegen, die Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung begründen.
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Die Ehegatten vereinbaren schriftlich und bindend, dass das „Oder-Konto“/„Oder-Depot“ nur dem Zweck dient, neben dem Eigentümer auch einer anderen Person Verfügungen zu ermöglichen. Dabei wird der Eigentümer des Kontos ausdrücklich benannt. |
Fehlen dagegen schriftliche oder - schwer nachzuweisende - mündliche Vereinbarungen der Eheleute über das Innenverhältnis, ist dieses vornehmlich aus dem Verhalten der Eheleute zu erschließen. Maßgeblich ist, wie die Eheleute das Konto tatsächlich handhaben, und damit letztlich die Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls.
Gründe für eine Beweislastumkehr können sich auch in diesem Fall aus der besonderen familien- und erbrechtlichen Situation (Gütertrennung, Pflichtteilsverzicht) sowie der beruflichen Tätigkeiten der Ehegatten (Großverdiener/Kleinverdiener oder vermögend/nichtvermögend) ergeben. Gütertrennung oder ein Erb- oder Pflichtteilsverzicht des Nichtkontoinhabers sprechen dafür, das Vermögen nur dem Kontoinhaber zuzurechnen. Die Tätigkeiten der Ehegatten können dafür sprechen, das Vermögen dem hauptverdienenden oder vermögenden Kontoinhaber zuzurechnen.
Auch hier kommt es bei fehlenden eindeutigen Vereinbarungen zur Beweislastumkehr. Kann der Sachverhalt trotz Ausschöpfung aller zugänglichen und zumutbaren Ermittlungsmöglichkeiten nicht oder nicht vollständig aufgeklärt werden, ist letztlich zu entscheiden, zu wessen Lasten die Unerweislichkeit von maßgeblichen Tatsachen geht (BFH 23.11.11, II R 33/10, ErbBstg 12, 119, BStBl II 12, 473).
Lässt sich daher trotz Mitwirkung des zur Schenkungsteuer herangezogenen Ehegatten nicht überzeugend aufklären, wie sich das Innenverhältnis zwischen den Eheleuten in Bezug auf das Kontoguthaben gestaltet, ist gemäß der Auslegungsregel des § 430 HS. 1 BGB von einer hälftigen Zurechnung auszugehen. Will das Finanzamt davon ausgehen, dass die Ehegatten stillschweigend eine von der Auslegungsregel des § 430 HS. 1 BGB abweichende Vereinbarung getroffen haben, die zu einer über die hälftige Beteiligung hinausgehende freigebige Zuwendung führt, trägt es die Feststellungslast für die Tatsachen, die zur Annahme einer solchen Zuwendung erforderlich sind (BFH 23.11.11, II R 33/10, ErbBstg 12, 119, BStBl II 12, 473).
4. Korrektur einer unvermeidbaren Schenkung
Kann eine Schenkung unter den Ehegatten nicht widerlegt werden, bleibt nur noch der Ausweg über die Beendigung der Zugewinngemeinschaft und die Anrechnung der Schenkung auf den steuerfreien Zugewinnausgleichsanspruch (§ 1380 Abs. 1 BGB, § 5 ErbStG, § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG).