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  • Grundstücksschenkung

    Fallstricke und Rettungsmöglichkeiten bei der Schenkungsteuer

    von RiFG Dietmar Sedlaczek, Münster

    Erstaunlich häufig sind in der Praxis die Fälle, in denen ein zunächst abgeschlossener Grundstücksschenkungsvertrag wieder aufgehoben wird. Die Aufhebung des zivilrechtlichen Vertrags beseitigt die Schenkungsteuer jedoch nicht, eine § 16 GrEStG entsprechende Norm kennt das Erbschaftsteuerrecht nämlich nicht. Behandelt werden hier einige Fallgestaltungen, in denen die Grundstücksschenkung rückgängig gemacht werden kann und keine Schenkungsteuer anfällt, oder die bereits entstandene Schenkungsteuer wieder entfällt.

    1. Entstehung der Schenkungsteuer

    Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist eine Grundstücksschenkung ausgeführt, wenn die Vertragspartner die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlichen Erklärungen in gehöriger Form abgegeben haben und der Beschenkte auf Grund dieser Erklärungen in der Lage ist, beim Grundbuchamt die Eintragung der Rechtsänderung zu bewirken. Nicht erforderlich ist, dass der Umschreibungsantrag beim Grundbuchamt bereits gestellt ist (BFH 26.9.90, BStBl II 91, 320). Sind Auflassung und Eintragungsbewilligung (§ 19 GBO) in gehöriger Form erklärt, ist die Schenkungsteuer entstanden (FG Niedersachsen 26.11.97, EFG 98, 674). Wird danach eine Rückübertragung vorgenommen, fällt unter Umständen erneut Schenkungsteuer an (FG München 2.10.98, 4 V 1889/98, DStRE 99, 234).

    2. Hinderungsgründe für die Steuerentstehung

    Beispiel 1:

    Die Mutter überträgt ihrem Sohn am 30. März ein Grundstück. Auflassung und Eintragungsbewilligung werden notariell beurkundet. Die Parteien vereinbaren, dass das Grundstück nicht vor dem 1. Juli auf den Sohn übertragen werden soll. Am 5. Mai heben die Parteien den Vertrag wieder auf. Der Sohn will wissen, ob Schenkungsteuer entstanden ist.

    Ist der Beschenkte schuldrechtlich gehindert, die Rechtsänderung herbeizuführen, gilt die Grundstücksschenkung nach dem Urteil des BFH vom 8.2.00 (BFH/NV 00, 1095) so lange nicht als ausgeführt, wie das Hindernis besteht. Da die Schenkung noch nicht vollzogen ist, ist die Schenkungsteuer gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG noch nicht entstanden. Im Urteilsfall sprach der am 30. März notariell beurkundete Vertrag von der „Übertragung” des Grundstücks. Diese sollte zum 1. Juli erfolgen. Nutzen, Lasten und Gefahr sollten am Tag der Übertragung übergehen. Auflassung, Bewilligung und Antrag auf Eintragung des Eigentumsübergangs wurden in gehöriger Form erklärt. Aus der Formulierung „Übertragung” im notariellen Vertrag las der Senat ab, dass der Beschenkte jedenfalls gehindert war, die Grundstücksübertragung sofort herbeizuführen.

    In konsequenter Fortführung dieser BFH-Rechtsprechung können die Parteien eines solchen Vertrages die Grundstücksschenkung so lange wieder aufheben, wie das schuldrechtliche Hindernis nicht entfallen ist. Denn bis zu diesem Zeitpunkt kann der Erwerber die Eigentumsumschreibung nicht herbeiführen. Eine Vollzugsmöglichkeit für den Erwerber und damit ein schenkungsteuerlicher Vollzug der Schenkung ist bis zu diesem Moment nicht gegeben. Da der Sohn schuldrechtlich gehindert ist, die Rechtsänderung im Grundbuch eintragen zu lassen, ist Schenkungsteuer noch nicht entstanden.

    Praxishinweis: Solange das schuldrechtliche Hindernis andauert, liegt auch bei Auflassung und Eintragungsbewilligung durch den Übertragenden kein schenkungsteuerlicher Vollzug vor. Solange die Schenkungsteuer noch nicht entstanden ist, kann der Vertrag ohne schenkungsteuerliche Folgen wieder aufgehoben werden.

    3. Nachträglicher Wegfall der Schenkungsteuer

    In Betracht kommen die Aufhebung, das Geltendmachen eines Rückforderungsrechtes und der Wegfall der Geschäftsgrundlage.

    3.1 Einvernehmliche Aufhebung und Rückabwicklung

    Beispiel 2:

    Die Mutter ist Eigentümerin eines mit einem Autohaus bebauten Grundstücks. Mit dem Sohn, der als Geschäftsführer des Autohauses tätig ist, hat sich die Mutter zerstritten. Sie überträgt deshalb das Geschäftsgrundstück auf die Tochter. Auflassung und Eintragungsbewilligung werden erklärt. Auf Wunsch der Tochter beantragt der Notar zunächst nicht die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch.

    Das FA setzt Schenkungsteuer fest. Nach einiger Zeit soll die Übertragung des Betriebsvermögens insgesamt geregelt werden. Dazu benötigt die Mutter das Grundstück. Die Tochter stimmt daher der Aufhebung und Rückabwicklung des Übertragungsvertrages zu. Die Mutter möchte nun wissen, ob nach Aufhebung des Übertragungsvertrages Schenkungsteuer anfällt, obwohl die Rechtsänderung im Grundbuch nicht vollzogen wurde.

    Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Übertragung des Grundstücks auf die Tochter schenkungsteuerlich bereits vollzogen. Die Tochter konnte ohne Zutun der Mutter die Rechtsänderung im Grundbuch herbeiführen. Es besteht daher die Gefahr, dass die Aufhebung des Vertrages als weitere steuerpflichtige Schenkung durch das FA gewertet wird (vgl. dazu FG München 2.10.98, ErbBstg 99, 186).

    Der Unterschied zum ersten Beispiel liegt darin, dass dort das Vollzugshemmnis im Übertragungsvertrag geregelt war, hier aber die Tochter jederzeit die Möglichkeit hatte, die Umschreibung des Grundbuches durch den Notar beantragen zu lassen und damit den zivilrechtlichen Vollzug herbeizuführen.

    3.2 Rückabwicklung auf Grund von Rückforderungsrechten

    Ohne schenkungsteuerliche Folgen kann der Vertrag nur aufgehoben werden, wenn der Mutter ein Rückforderungsrecht zusteht. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erlischt die Schenkungsteuer mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit ein Geschenk wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden musste. Bei diesem gesetzlich geregelten Wegfall der Erbschaftsteuer handelt es sich um ein Ereignis, welches steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (§ 175 Abs. 1 Nr. 2 AO). Unter § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG fallen sowohl gesetzliche, wie auch vertragliche Rückforderungsrechte.

    Beispiel 3

    Wie in Beispiel 2. Jedoch hatte sich die Mutter ein Rückforderungsrecht für den Fall des Weiterverkaufs durch die Tochter vertraglich vorbehalten. Tatsächlich veräußert die Tochter in der Zwischenzeit das Grundstück durch notariellen Kaufvertrag an einen Dritten.

    Mit dem Abschluss des Kaufvertrages hat die Tochter gegen die Bestimmungen des Übertragungsvertrages mit der Mutter verstoßen. Diese hatte sich ein Rückforderungsrecht für den Fall des Verkaufes vorbehalten. Nunmehr kann die Mutter von ihr die Aufhebung des Übertragungsvertrages und die Herausgabe des Grundstücks verlangen. Die Voraussetzungen des vertraglichen Rückforderungsrechts liegen vor. Die bereits auf Grund der Übertragung des Grundstücks auf die Tochter entstandene Schenkungsteuer (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) entfällt gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit.

    Soll eine nach der Rechtsprechung des BFH bereits vollzogene Grundstücksschenkung wieder rückgängig gemacht werden, ist stets zu prüfen, ob ein vertragliches oder gesetzliches Rückforderungsrecht eingreift, oder ob die Voraussetzungen für ein solches Rückforderungsrecht geschaffen werden können. Da Grundstücksübertragungen häufig im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfolgen, können sich aus diesem Rechtsinstitut möglicherweise Bindungen des Erwerbers ergeben, die, wenn sie nicht eingehalten werden, dem Schenker ein Rückforderungsrecht einräumen.

    Praxishinweis: Es sollten, jedenfalls aus schenkungsteuerlicher Sicht, stets vertragliche Rückforderungsrechte vereinbart werden, wenn die Beteiligten nicht sicher ausschließen können, dass gerade bei Übertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge Situationen eintreten können, die eine Rückübertragung notwendig machen.

    Wichtige gesetzliche Rückforderungsrechte

    • § 527 BGB wegen Nichterfüllung einer Auflage,
    • § 528 BGB wegen Verarmung des Beschenkten,
    • § 530 BGB, wenn sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder einen nahen Angehörigen des Schenkers groben Undankes schuldig gemacht hat,
    • § 2113 BGB wegen beeinträchtigender Schenkungen des Vorerben,
    • § 2287 BGB aus einem Erbvertrag,
    • § 2329 BGB im Rahmen eines Pflichtteilergänzungsanspruchs,
    • § 119, 123 BGB i.V.m. §§ 812 ff. BGB wegen Anfechtung oder Widerruf eines Rechtsgeschäftes,
    • § 134 InsO und § 3 Abs. 1 S. 1 AnfG.

    Daneben kommen alle anderen zivilrechtlichen Rückforderungsrechte (erbrechtliche, familienrechtliche, schuldrechtliche) in Betracht.

    3.3 Wegfall der Geschäftsgrundlage

    Zu den vertraglichen Rückforderungsrechten i.S. des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG kann auch die durch den Wegfall der Geschäftsgrundlage veranlasste Rückabwicklung des Schenkungsvertrages gehören (BFH 27.10.72, BStBl II 73, 14; 19.10.77, BStBl II 78 II, 217; OLG Düsseldorf 5.10.89, DB 90, 39). Allerdings ist umstritten, wann ungewollte steuerliche Folgen die Geschäftsgrundlage auch mit steuerlicher Wirkung entfallen lassen. Denn zunächst ist zivilrechtliche Rechtsfolge des Wegfalls der Geschäftsgrundlage die Vertragsanpassung (Palandt-Heinrichs, § 242 BGB Rz. 130). Erst wenn das Festhalten an dem Vertrag unzumutbar ist, kommt dessen Auflösung in Betracht. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass mit Inkrafttreten der Schuldrechtsreform der Wegfall der Geschäftsgrundlage gesetzlich geregelt wird.

    Bis in die jüngste Zeit wurde kein Fall bekannt, in dem die Rechtsprechung die Herausgabe eines geschenkten Gegenstandes wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage mit steuerlicher Wirkung anerkannt hatte, weil die Parteien sich über die steuerlichen Wirkungen der Übertragung geirrt hatten. In der Literatur wurde für die Anerkennung der steuerlichen Folgen eines Vertrages als Geschäftsgrundlage heftig gekämpft (Kapp, FR 88 ,152). Soweit ersichtlich, hat nunmehr erstmals ein FG die Rückabwicklung eines Grundstücksübertragungsvertrages auf Grund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage mit schenkungsteuerlicher Wirkung anerkannt.

    FG Rheinland-Pfalz (23.3.01, ErbBstg 01, 154)

    Das FG befand, dem Übertragenden habe ein vertraglicher Rückforderungsanspruch zugestanden, weil die Höhe der zu erwartenden Schenkungsteuer Geschäftsgrundlage des Vertrages geworden sei.

    Die Beteiligten hätten über die Höhe der Schenkungsteuer zuvor gesprochen, die tatsächlich festgesetzte Schenkungsteuer habe die im Gespräch geäußerten Vorstellungen über die Höhe der Schenkungsteuer um ein Mehrfaches überstiegen. Die Höhe der Steuer sei Geschäftsgrundlage geworden, weil die Beteiligten sich darüber unterhalten und eine hinreichend konkrete Vorstellung über die etwaige Höhe entwickelt hätten.

    Es bleibt zu hoffen, dass dieses Beispiel Schule macht. Gleichwohl stellt die Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage angesichts nur eines positiven Urteils einen wenig erfolgversprechenden Weg dar, um einen schenkungsteuerlich vollzogenen Grundstücksschenkungsvertrag wieder rückgängig zu machen.

    Praxishinweis: Auf jeden Fall muss die Höhe der steuerlichen Belastung von den Vertragsparteien als Geschäftsgrundlage gesehen worden sein. Um vor Überraschungen geschützt zu sein, empfiehlt es sich, die Höhe der steuerlichen Belastung (ertragsteuerlicher wie schenkungsteuerlicher Art) in den Vertrag mit aufzunehmen und ein ausdrückliches Widerrufsrecht bei Überschreitung einer bestimmten Steuer zu vereinbaren.

    Quelle: Erbfolgebesteuerung - Ausgabe 01/2002, Seite 10

    Quelle: Ausgabe 01 / 2002 | Seite 10 | ID 102371