Güterstand
Gütertrennung oder modifizierte Zugewinngemeinschaft?
von Gerhard Blüggel und Volker Walter, Notare, Unna
Der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft ist in vielen Fällen geeignet, sowohl im Falle der Beendigung der Ehe durch Scheidung als auch durch den Tod eines der Ehepartner einen befriedigenden Vermögensausgleich herzustellen. Dennoch sind Situationen denkbar, in denen dies nicht zutrifft. Jedoch muss in diesen Fällen nicht zwingend etwa auf die Gütertrennung ausgewichen werden. Denn die Zugewinngemeinschaft kann vertraglich modifiziert werden, um den Bedürfnissen der Ehepartner gerecht zu werden.
1. Zugewinngemeinschaft
Treffen Ehegatten keine abweichende (notariell zu beurkundende) Vereinbarung, leben sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Das Vermögen der Ehegatten bleibt auch nach der Eheschließung getrennt (wie bei der Gütertrennung) und wird nicht etwa Miteigentum des anderen Ehegatten.
1.1 Beendigung durch Scheidung
Bei Beendigung der Ehe durch Scheidung ist beim gesetzlichen Güterstand ein während der Ehe erzielter Zugewinn in Geld auszugleichen. Ein Zugewinn ist immer dann erzielt, wenn das Endvermögen eines Ehegatten bei Auflösung der Ehe sein Anfangsvermögen bei Eingehung der Ehe übersteigt. Ist dies der Fall, steht die Hälfte des übersteigenden Betrages dem anderen Ehegatten als Ausgleichsforderung zu. Bei einer Scheidung ist der Zugewinnausgleich durch Gegenüberstellung des beiderseits erzielten Zugewinns konkret als Geldforderung auszurechnen (güterrechtliche Lösung gemäß §§ 1372 ff. BGB).
Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch Scheidung beendet, gehört die Ausgleichsforderung (§ 1378 BGB) nicht zum erbschaftsteuerlichen Erwerb (§ 5 Abs. 2 ErbStG).
1.2 Beendigung durch Tod
Bei Beendigung der Ehe durch Tod findet der Zugewinnausgleich wie folgt statt:
- Bei testamentarischer Erbeinsetzung eines Ehegatten oder Zuwendung eines Vermächtnisses an einen Ehegatten findet der Zugewinnausgleich nicht gesondert statt und ist mitabgegolten.
- Bleibt es aber bei der gesetzlichen Erbfolge, kann der überlebende Ehegatte zu seinem gesetzlichen Erbteil pauschal zusätzlich ein Viertel am Nachlass vorab beanspruchen (erbrechtliche Lösung § 1371 Abs. 1 BGB). Dieses Viertel ist eine Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 BGB) und z.B. vor Berechnung von Pflichtteilsansprüchen nicht erbender Kinder abzusetzen (§ 2311 BGB).
- Ist der Ehegatte nur pflichtteilsberechtigt, etwa weil er selbst die Erbschaft ausgeschlagen hat, kann er zusätzlich seinen Zugewinnausgleich güterrechtlich (§§ 1372 ff. BGB) berechnen. Die Ausgleichsforderung ist erbschaftsteuerfrei (§ 5 Abs. 2 ErbStG).
Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten beendet und der Zugewinnausgleich nicht nach der güterrechtlichen Lösung ermittelt (§ 1372 Abs. 2 BGB), gilt gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG der Betrag, den er nach (§ 1372 Abs. 2 BGB) geltend machen könnte, nicht als erbschaftsteuerpflichtiger Erwerb („fiktive Ausgleichsforderung“).
Der Erblasser hinterlässt ein Vermögen mit einem Verkehrswert von 2,5 Mio EUR. Dem soll eine erbschaftsteuerliche Bereicherung von 2 Mio EUR entsprechen. Der Unterschiedsbetrag resultiert z.B. aus steuerlich niedriger zu bewertendem Grundbesitz. Gesetzliche Erben sind seine Frau, mit der er in Zugewinngemeinschaft lebte und seine Tochter. Von der Bereicherung entfällt jeweils die Hälfte (1 Mio EUR) auf Frau und Tochter (§§ 1925, 1931, 1371 Abs.1 BGB).
Lösung: Unterstellt, das Anfangsvermögen beider Eheleute habe 0 EUR und das Endvermögen der Ehefrau 1 Mio EUR betragen, ergibt sich eine zivilrechtliche Ausgleichsforderung i.H.v. 750.000 EUR. Eine Indizierung des Anfangsvermögens (wegen Kaufkraftschwundes (vgl. R 11 (3) S. 3 ErbStR) entfällt.
Die zivilrechtliche Ausgleichsforderung muss noch in die steuerfreie Ausgleichsforderung „umgerechnet“ werden, da für den Ansatz der steuerfreien Ausgleichsforderung höchstens der dem Steuerwert des Nachlasses entsprechende Betrag angesetzt werden kann. Dieser Anteil entspricht 2 Mio EUR:2,5 Mio EUR = 80 %. Der Steuerwert der Ausgleichsforderung beträgt also 80 % x 750.000 EUR = 600.000 EUR.
2. Gütertrennung
Auch bei der Gütertrennung hat die Eheschließung keinen Einfluss auf die Vermögensverhältnisse der Ehegatten: Jeder Ehegatte behält das vor oder später in der Ehe erworbene Vermögen.
2.1 Beendigung durch Scheidung
Wird die Ehe durch Scheidung beendet, findet kein Ausgleich zwischen den ehemaligen Partnern statt, es sei denn, sie hätten ehevertraglich etwas anderes vereinbart (vgl. Tz. 3).
2.2 Beendigung durch Tod
Durch die Wahl der Gütertrennung verändert sich die gesetzliche Erbfolge; denn bei der Gütertrennung entfällt jeglicher Zugewinnausgleich und damit auch das pauschale Viertel. Der überlebende Ehegatte erbt hier nur ein Viertel, mindestens aber einen „Kindsteil“ (§ 1931 Abs. 4 BGB), also neben einem Kind die Hälfte, bei zwei Kindern jeder ein Drittel usw.
Auch wird im Falle der Auflösung der Ehe durch Tod bei Gütertrennung dem überlebenden Ehegatten die Möglichkeit des steuerfreien Erwerbs des Zugewinnausgleichs gemäß § 5 ErbStG genommen, da § 5 ErbStG nur anwendbar ist, wenn eine Zugewinngemeinschaft bestanden hat.
Auf den ersten Blick kann die Gütertrennung vorteilhaft erscheinen, etwa in Unternehmer-Ehen, bei Ehen unter Freiberuflern oder nach Übertragung von erheblichen elterlichen Vermögenswerten auf einen Ehegatten. Bei einer Scheidung spart man so einen kostspieligen Streit über die Bewertung des Unternehmens oder muss dieses nicht zerschlagen, weil aus den bisherigen Erträgen die Unterhaltszahlungen für den anderen Ehegatten nicht realisiert werden können. Andererseits kann ein Ehegatte bei Vereinbarung von Gütertrennung durch Ausschluss des Zugewinnausgleichsanspruchs im Falle einer Scheidung erheblich benachteiligt werden, wenn er z.B. an der Vermehrung des Vermögens des anderen Ehegatten tatkräftig mitgewirkt hat.
Praxishinweis: Die Zweckmäßigkeit einer Gütertrennung sollte aber wegen ihrer zivilrechtlichen und steuerlichen Auswirkungen nur nach vorheriger fachkundiger Beratung erwogen werden.
3. Modifizierte Zugewinngemeinschaft
Wer den Ausschluss des Zugewinnausgleichs nur aus Sorge wegen einer etwaigen Scheidung anstrebt, sollte in einem notariellen Ehevertrag an Stelle der Gütertrennung eine so genannte modifizierte Zugewinngemeinschaft vereinbaren.
3.1 Grundzüge
Bei diesem Güterstand verbleibt es grundsätzlich bei den Regeln der Zugewinngemeinschaft – sowohl bei Beendigung durch Scheidung als auch bei Beendigung durch den Tod eines Ehepartners. Jedoch werden diese in Teilbereichen geändert oder ganz ausgeschlossen.
Der Zugewinnausgleich kann allgemein oder für bestimmte Zwecke modifiziert, pauschaliert, erhöht oder nur für bestimmte Fälle oder auch unter Beibehaltung des gesetzlichen Güterstandes im Übrigen, d.h. unter Beibehaltung der Verfügungsbeschränkungen insgesamt, ausgeschlossen werden. Auch von den gesetzlichen Bestimmungen abweichende Vereinbarungen über die Ermittlung des Anfangs- und Endbestandes sind möglich (Kanzleitner in MüKo, BGB, § 1408, Rz. 14):
- So können bestimmte Vermögenspositionen (z.B. die Berücksichtigung des Betriebsvermögens) vom Zugewinnausgleich ausgeschlossen werden.
- Es kann der Zugewinnausgleich aber auch insgesamt im Todesfall beibehalten und nur für den Fall der Scheidung ausgeschlossen werden.
Dem gemäß empfiehlt sich in Eheverträgen z.B. folgende Formulierung:
Für den Fall der Beendigung des Güterstandes durch Tod eines Ehegatten soll es beim Zugewinnausgleich durch Erbteilserhöhung oder durch güterrechtliche Lösung verbleiben. Wird jedoch der Güterstand auf andere Weise als durch Tod eines Ehegatten beendet (z.B. Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe), so findet kein Zugewinnausgleich statt. Dieser Ausschluss gilt auch für einen vorzeitigen Zugewinn bei Getrenntlebenden.
Allerdings steht der steuerlichen Anerkennung einer Modifikation u.U. § 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG entgegen, wonach von den §§ 1373 bis 1383, 1390 BGB abweichende güterrechtliche Vereinbarungen bei der Berechnung des Betrages nach § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG unberücksichtigt bleiben.
Die Finanzverwaltung vertritt in R 12 ErbStR die Auffassung, dass, soweit durch solche Vereinbarungen einem Ehegatten für den Fall der Beendigung der Zugewinngemeinschaft eine erhöhte güterrechtliche Ausgleichsforderung verschafft wird, eine steuerpflichtige Schenkung auf den Todesfall (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG) bzw. eine Schenkung unter Lebenden (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) vorliegt. Voraussetzung ist, dass mit den Vereinbarungen in erster Linie nicht güterrechtliche, sondern erbrechtliche Wirkungen herbeigeführt werden sollen. Ausführungen zu einer niedrigeren güterrechtlichen Ausgleichsforderung, weil z.B. die Freiberuflerpraxis aus der Berechnung herausgelassen wurde, finden sich dort jedoch nicht.
3.2 Rückkehr in die Zugewinngemeinschaft
Ehepaare, die bereits Gütertrennung vereinbart haben, sollten sich zumindest im Alter überlegen, ob sie nicht wenigstens in dieser modifizierten Form zum gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft zurückfinden wollen, weil der hinterbliebene Ehegatte dadurch weniger Erbschaftsteuern zu zahlen hat. Die Gütertrennung wird rückgängig gemacht, indem die Ehepartner sich für die (Wieder-)Aufnahme der Zugewinngemeinschaft vor einem Notar erklären.
3.2.1 Gesetzliche Grundlage
Die rückwirkende Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft mussten nach einer Entscheidung des BFH (BStBl 89, II 897) in der Vergangenheit auch die FÄ anerkennen, so dass die Erbschaftsteuerbefreiung auch für das vor der notariellen Vereinbarung zugewonnene Vermögen galt. Der BFH hatte seinerzeit argumentiert, dass § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG lediglich voraussetze, dass im Zeitpunkt des Todes eines Ehegatten der Güterstand der Zugewinngemeinschaft bestanden habe, ohne darauf abzustellen, wann der Güterstand eingetreten oder wann er vereinbart worden sei und wie lange die Zugewinngemeinschaft überhaupt gedauert habe.
Für die Zeit nach dem 1.4.94 gilt jedoch die gesetzliche Bestimmung des § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG, wonach als Zeitpunkt des Eintritts des Güterstandes (§ 1374 Abs. 1 BGB) der Tag des Vertragsabschlusses gilt. Nur für vor Inkrafttreten des Gesetzes eingetretene Erbfälle verbleibt es damit bei der Steuervergünstigung für rückwirkend vereinbarte Zugewinngemeinschaften.
M und F haben 1958 geheiratet und vereinbarten bei Eheschließung Gütertrennung. 1988 kehrten sie vertraglich zur Zugewinngemeinschaft zurück. Im Dezember 1998 verstirbt M und hinterlässt F als Alleinerbin. Der Verkehrswert des Nachlasses (= Endvermögen des M) beträgt 5 Mio EUR, der Steuerwert 3 Mio EUR. Das Endvermögen von F beträgt 1 Mio EUR. Das Anfangsvermögen von M hatte 1988 umgerechnet 2 Mio EUR betragen, das von F 500.000 EUR.
3.2.2 Beseitigung durch rückwirkende Anfechtung
Die Gesetzesänderung verletzt den Grundsatz, dass das Erbschaftsteuerrecht die bürgerliche Gestaltungsfreiheit anerkennen muss, denn zivilrechtlich kann die Zugewinngemeinschaft nach wie vor rückwirkend vereinbart werden. Hier kann eine Rückwirkung schon durch Anfechtung des früher abgeschlossenen Gütertrennungsvertrages erreicht werden, wenn sich etwa einer der Ehegatten über die Bedeutung der Gütertrennung geirrt hat und meinte, Gütertrennung vereinbaren zu müssen, damit die Ehegatten nicht wechselseitig für die Schulden des anderen Ehegatten haften.
Ein solcher (im sonstigen Rechtsleben unbeachtlicher) Motivirrtum ist im Erbrecht durchaus zulässig. Der Anfechtungsgegner (also der andere Ehegatte, der ebenfalls die Rückführung in die Zugewinngemeinschaft anstrebt), wird sich der Anfechtung wohl kaum widersetzen, so dass der Notar in dem neuen Ehevertrag einvernehmliche Erklärungen mit dem Inhalt aufnehmen sollte, der andere Ehegatte als Anfechtungsadressat erkenne das Anfechtungsrecht ausdrücklich an. Durch die somit erklärte Anfechtung wird der frühere Ehevertrag und damit die Gütertrennung zivilrechtlich jedenfalls rückwirkend unwirksam.
Praxishinweis: Vorsorglich ist anzuraten, bei der Wiederaufnahme der Zugewinngemeinschaft in einem notariellen Ehevertrag, mit dem die bisherige Gütertrennung aufgegeben wird, einen Vermögensstatus zu erstellen, mit dem das Anfangsvermögen beider Ehegatten bei Abschluss dieser notariellen Vereinbarung festgestellt wird. Nur so kann später der Nachweis geführt werden, dass zumindest der künftig erwirtschaftete Zugewinn Erbschaftsteuerbefreiung genießt.
Quelle: Erbfolgebesteuerung - Ausgabe 03/2002, Seite 76