05.07.2010 | Nachlassverbindlichkeit
Stückzinsen gehören mit ihrem Nennwert zum steuerpflichtigen Erwerb
von WP StB Dipl.-Kfm. Gerrit Grewe, Berlin
Gehören zum erbschaftsteuerlichen Erwerb festverzinsliche Wertpapiere, sind die bis zum Tod des Erblassers angefallenen, aber noch nicht fälligen Zinsansprüche (Stückzinsen) mit ihrem Nennwert ohne Abzug der KapESt anzusetzen (BFH 17.2.10, II R 23/09, Abruf-Nr. 101599). |
Sachverhalt
Der Kläger erbte im Jahre 2001 festverzinsliche Wertpapiere. Nach dem Tod des Erblassers flossen dem Kläger die Zinsen nach Abzug der KapESt zu. Das FA erfasste bei der ErbSt-Festsetzung die bis zum Todestag des Erblassers anteilig entstandenen Stückzinsen zum Nennwert ohne Abzug von KapESt und ließ die auf die Zinsen entfallende ESt-Schuld des Klägers nicht als Nachlassverbindlichkeit zum Abzug zu. Das FG (FG München 18.2.09, 4 K 1131/07, EFG 09, 946) folgte dem FA. Nach Ansicht des Klägers sei die KapESt als „besonderer Umstand“ i.S. des § 12 Abs. 1 S. 1 BewG wertmindernd zu erfassen. Zumindest sei seine ESt-Last als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzuziehen. Ferner verstoße die Ungleichbehandlung der Kapitalanlageformen gegen Art. 3 GG (Gleichheitssatz), weil Dividenden anders als Zinsen nicht anteilig bis zum Tod des Erblassers dem Nachlass zugerechnet würden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Anspruch auf Zinsen als selbstständiger Vermögensgegenstand neben den Wertpapieren entsteht unabhängig von der Fälligkeit laufend für die Zeit der Nutzung des überlassenen Kapitals (BFH 3.10.84, II R 194/82, BStBl II 85, 73). Dies unterscheidet Zinsen von Dividenden, die erst durch Gesellschafterbeschlüsse zu zivilrechtlich verfestigten Rechtspositionen werden. Insofern liegt keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) vor. Die Zinsforderung ist gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 BewG mit ihrem Nennwert anzusetzen. Die einbehaltene KapESt ist kein „besonderer Umstand“ i.S. des § 12 Abs. 1 S. 1 HS. 2 BewG. Ein solcher setzt voraus, dass es sich um eine der Forderung innewohnende besondere Eigenschaft selbst handelt. Das trifft zumindest auf die KapESt vor Einführung der Abgeltungssteuer ab dem Jahr 2009 nicht zu, weil sie nur eine in einem besonderen Verfahren erhobene ESt-Vorauszahlung des Gläubigers ist (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG).
Nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind vom Erwerb die persönlichen (Steuer-)Schulden des Erblassers als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Sind Zinsen aus Wertpapieren zum Todeszeitpunkt noch nicht zugeflossen, wird der ESt-Tatbestand erst nach dem Stichtag (§ 11 ErbStG i.V. mit § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) mit Zufluss der Zinsen beim Erben verwirklicht (§ 11 Abs. 1 S. 1 EStG). Für geerbte, bei Zufluss der ESt unterliegende Forderungen berücksichtigte § 35 EStG (a.F.) die Doppelbelastung durch eine Anrechnungsregelung bei der ESt. Die Vorschrift wurde zum VZ 1999 aufgehoben und ab VZ 2009 mit § 35b EStG nahezu wortgleich wieder eingeführt. Zu keiner Zeit berücksichtigte das Gesetz die Doppelbelastung bei der ErbSt durch Abzug der (latenten) ESt-Last von der Bereicherung. Es spricht also nichts für einen Willen des Gesetzgebers, in dem Zeitraum zwischen 1999 und 2008 die Doppelbelastung auf der Ebene der ErbSt zu beseitigen.
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