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  • 01.05.2006 | Pflichtteilsanspruch

    Testamentsauslegung: Anrechnungsbestimmung

    von RA / StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, Paderborn
    Der Pflichtteilsberechtigte muss sich eine Zuwendung des Erblassers nur dann nach § 2315 BGB auf den Pflichtteil anrechnen lassen, wenn der Erblasser die Zuwendung mit der Bestimmung gemacht hatte, dass das Zugewandte auf den Pflichtteil angerechnet werden soll (OLG Koblenz 21.11.05, 12 U 1151/04, Abruf-Nr. 060280).

     

    Sachverhalt

    Der verstorbene Vater hatte durch notarielles Testament seine Tochter als Alleinerbin eingesetzt, seine beiden Söhne enterbt und weiter verfügt: „Meine Tochter hat auf den Erbanspruch ihrer beiden Brüder an jeden von ihnen einen Betrag i.H. von 50.000 DM herauszuzahlen. Hinsichtlich meines Sohnes N ist dieser Herauszahlungsanspruch bereits abgegolten durch eine Zahlung i.H. von 50.000 DM für den Erwerb einer Eigentumswohnung.” Gegenüber dem Notar hatte er bei Testamentserrichtung angegeben, sein Vermögen bestehe im Wesentlichen nur aus einem Hausgrundstück im Wert von etwa 200.000 DM. Tatsächlich befand sich im Nachlass neben dem Hausgrundstück im Wert von 180.000 EUR ein Bankguthaben i.H. von 95.000 EUR. 

     

    Sohn N, der Kläger, macht nun gegenüber seiner Schwester, der Beklagten, Pflichtteilsansprüche geltend und behauptet, die im Testament des Vaters erwähnte Zahlung i.H. von 50.000 DM nie erhalten zu haben. Er konnte belegen, dass er die Eigentumswohnung über ein Bankdarlehen finanziert hatte. Die Beklagte hat Klageabweisung mit dem Vortrag beantragt, die im Testament genannten 50.000 DM seien tatsächlich vom Erblasser an den Kläger gezahlt worden. Die Testamentsbestimmung enthalte eine wirksame Anrechnungsbestimmung hierzu. 

     

    Entscheidungsgründe

    Die Berufung des Klägers ist begründet. Eine Wirkung der Testamentsbestimmung dahin, dass die behauptete Zahlung von 50.000 DM zu Lebzeiten des Erblassers vor der Testamentserrichtung auf den Pflichtteilsanspruch des Klägers anzurechnen sei, ist nicht eingetreten. Der Kläger hat vielmehr einen Pflichtteilsanspruch in Höhe der Klageforderung.