01.09.2005 | Stuttgarter Verfahren
Zur Ermittlung des Ertragshundertsatzes
Der gemeine Wert von nichtnotierten Anteilen an Kapitalgesellschaften kann entweder aus Verkäufen abgeleitet oder nach dem sog. Stuttgarter Verfahren geschätzt werden (R 96 ff. ErbStR). Schätzungsgrundlage ist der im Besteuerungszeitpunkt vorhandene Vermögenswert der Kapitalgesellschaft. Dieser wird durch den Ertragshundertsatz, der den voraussichtlich künftig zu erzielenden Jahresertrag berücksichtigt, ergänzt. Der Jahresertrag ist ein gewichteter Durchschnittsertrag aus den in der Vergangenheit in 3 Wirtschaftsjahren tatsächlich erzielten Jahreserträgen. Nach R 99 Abs. 1 S. 3 ErbStR hat die Berechnung des Jahresertrags „möglichst aus den Betriebsergebnissen der letzten drei vor dem Besteuerungszeitpunkt abgelaufenen Wirtschaftsjahren“ zu erfolgen.
Beispiel |
Zum Nachlass des am 30.12.04 verstorbenen Erblassers gehörten GmbHAnteile an der XY-GmbH. Das Stammkapital beträgt 100.000 EUR, der Wert des Betriebsvermögens zum Todestag (Besteuerungszeitpunkt) 300.000 EUR. Die Betriebsergebnisse betrugen im Jahr 2004 15.000 EUR, in 2003 10.000 EUR, in 2002 9.000 EUR und in 2001 5.000 EUR. |
Die Finanzverwaltung ist grundsätzlich der Auffassung, dass die drei abgelaufenen Wirtschaftsjahre zu Grunde zu legen sind. Im Einzelfall lasse es der Begriff „möglichst“ in R 99 Abs. 1 S. 3 ErbStR jedoch zu, an Stelle des vorletzten Wirtschaftsjahres das aktuelle Jahr zu berücksichtigen. Voraussetzung sei, dass die Ertragsentwicklung am Bewertungsstichtag vorhersehbar war und dadurch die Zukunftsprognose zeitnaher gefasst werden kann. Im Beispiel würde sich der Ertragshundertsatz aus den Betriebsergebnissen der Jahre 2002 bis 2004 (Durchschnittsertrag 12.333 EUR = 12,33 %) statt 2001 bis 2003 (Durchschnittsertrag: 8.833 EUR = 8,83 %) errechnen. Die Auffassung der Finanzverwaltung wird durch das BFH-Urteil vom 6.2.91 (BStBl II 91, 459) gestützt. Allerdings erging dieses Urteil noch zu den Vermögensteuerrichtlinien.
Das FG Nürnberg hat dem nun widersprochen (FG Nürnberg 2.12.04, IV 77/2004, Abruf-Nr. 052010). Es hält das BFH-Urteil (a.a.O.) nicht für einschlägig, weil nach A 7 Abs. 1 S. 3 VStR der Durchschnittsertrag möglichst aus den Betriebsergebnissen der letzten drei Jahre vor dem Stichtag herzuleiten war. Dagegen werde in R 99 ErbStR ausdrücklich auf die letzten drei „abgelaufenen Wirtschaftsjahre“ abgestellt. Der Begriff „möglichst“ lasse lediglich dann eine abweichende Berechnung zu, wenn etwa die Betriebsergebnisse sprunghaft sind und zu einem unzutreffenden Ergebnis führen würden oder wenn weniger als drei Wirtschaftsjahre verfügbar sind. Liegen jedoch die Betriebsergebnisse aus drei abgelaufenen Wirtschaftsjahren vor, die eine kontinuierliche Entwicklung aufzeigen, ist an dem eindeutigen Richtlinienwortlaut festzuhalten: Es sind nur die „abgelaufenen Wirtschaftsjahre“ zu berücksichtigen. Die Finanzverwaltung wird gegen das Urteil des FG Nürnberg Revision einlegen. (TS)
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