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  • 01.10.2005 | Testament

    Der Alleinerbe als Testamentsvollstrecker?

    von RA/StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, Paderborn
    Ein Alleinerbe oder alleiniger Vorerbe kann zugleich Erbentestamentsvollstrecker sein, wenn sich die Testamentsvollstreckung auf die sofortige Erfüllung eines Vermächtnisses beschränkt und das Nachlassgericht bei groben Pflichtverstößen einen anderen Testamentsvollstrecker bestimmen kann (BGH 26.1.05, IV ZR 296/03, Abruf-Nr. 050581).

     

    Sachverhalt

    In dem Testament des Erblassers war dessen Sohn als alleiniger, nicht befreiter Vorerbe eingesetzt. Der Erblasser bestimmte seinen Sohn zum Testamentsvollstrecker und benannte Ersatztestamentsvollstrecker. Aufgabe des Testamentsvollstreckers war es, das angeordnete Vermächtnis zu erfüllen und die der Enkelin zugewandten Nachlasswerte bis zu ihrem 25. Lebensjahr zu verwalten. Die Enkelin war beim Erbfall erst elf Jahre alt. Der Testamentsvollstrecker war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. 

     

    In 1993 – ein Jahr nach dem Erbfall – veranlasste der Sohn des Erblassers die beklagte Bank, die Wertpapiere des Erblassers einschließlich des der Vermächtnisnehmerin zugedachten Anteils auf sein eigenes Depot zu übertragen. 1997 wurde der Sohn des Erblassers auf Antrag der Vermächtnisnehmerin aus dem Amt des Testamentsvollstreckers entlassen. Das Nachlassgericht ernannte die Klägerin zur Testamentsvollstreckerin. Die Klägerin verlangt in ihrer Funktion als Testamentsvollstrecker einen Ersatz für die Wertpapiere. Die Parteien streiten darüber, ob diese Leistung an den damaligen Testamentsvollstrecker schuldbefreiend erfolgt ist. 

     

    Entscheidungsgründe

    Der alleinige Erbe oder Vorerbe kann die Funktion der Vermächtnisvollstreckung (§ 2223 BGB) ausüben. Ebenso kann dieselbe Person in Bezug auf ein Vermächtnis gleichzeitig Testamentsvollstrecker für den Erben und auch für den Vermächtnisnehmer sein (BGH 29.4.54, BGHZ 13, 203; § 2203 Nr. 1 BGB). Fraglich ist allerdings, ob auch der Alleinerbe oder alleinige Vorerbe Testamentsvollstrecker über den eigenen Nachlass sein kann. Vorliegend war der Sohn des Erblassers als Testamentsvollstrecker berechtigt, die Leistung der Bank mit Erfüllungswirkung (§ 362 BGB) anzunehmen. 

     

    Von dem Grundsatz der Unvereinbarkeit – Alleinerbe kann nicht zugleich alleiniger Testamentsvollstrecker sein – werden Ausnahmen zugelassen. Die Bestimmung von Erben zu Testamentsvollstreckern wird für zulässig gehalten, wenn der Testamentsvollstrecker bei Vorliegen eines wichtigen Grundes auf Antrag anderer Beteiligter entlassen (§ 2227 BGB) und ersetzt werden kann (BayObLG ZEV 02, 24). Entscheidend ist demnach, inwieweit der Erbe in seiner Funktion als Testamentsvollstrecker einer Kontrolle unterliegt. Im Streitfall geht es nicht etwa um eine sinnlose Verdoppelung bereits bestehender Befugnisse des Erben als Testamentsvollstrecker. Vielmehr wird seine nur schuldrechtliche Verpflichtung, die Vermächtnisse zu erfüllen (§ 2174 BGB), verstärkt, indem ihm die dingliche Verfügungsbefugnis als Erbe über die Vermächtnisgegenstände entzogen wird (§ 2208 Abs. 1 S. 2und § 2211 BGB). In diese Gegenstände können Gläubiger des Erben, die nicht zu den Nachlassgläubigern gehören, nicht vollstrecken (§ 2214 BGB). Insbesondere steht die Verpflichtung des Erben als Testamentsvollstrecker, die Verfügungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen (§ 2203 BGB), im Streitfall unter der Kontrolle des Nachlassgerichts. Es fehlt also gerade nicht an der für die Testamentsvollstreckung charakteristischen Beschränkung der Erbenrechte. 

     

    Praxishinweis

    Der Alleinerbe kann grundsätzlich nicht alleiniger Testamentsvollstrecker sein. Dies aus guten Gründen: Denn es macht keinen Sinn, dem Erben eine Rechtsmacht zu nehmen, und sie ihm als Testamentsvollstrecker zu geben (§ 2306 Abs. 1 S. 1 BGB und § 2376 BGB; Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, Rn. 109). Lediglich für den Fall, dass sich die Testamentsvollstreckung auf die sofortige Erfüllung eines Vermächtnisses beschränkt und das Nachlassgericht bei groben Pflichtverstößen einen anderen Testamentsvollstrecker bestimmen kann, macht der BGH eine Ausnahme. 

     

     

    Quelle: Ausgabe 10 / 2005 | Seite 248 | ID 86744