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  • 01.11.2005 | Vermächtnis

    Inwieweit ist ein zivilrechtlich unwirksames Verschaffungsvermächtnis steuerlich relevant?

    von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster
    1.Ein Verschaffungsvermächtnis ist bei der ErbSt mit dem gemeinen Wert des Grundstücks anzusetzen, auf dessen Erwerb sich der Vermächtnisanspruch bezieht. 
    2.Die Übertragung eines Vermächtnisgegenstandes entfaltet die nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO erforderliche steuerliche Rückwirkung. 
    3. Ein zivilrechtlich unwirksames Vermächtnis ist für Zwecke der ErbSt nach dem Rechtsgedanken des § 41 Abs. 1 S. 1 AO als gültig anzusehen, wenn und soweit der Beschwerte es beachtet und tatsächlich erfüllt. 
    (FG Köln 5.4.05, 9 K 7416/01, Rev. BFH: II R 25/05, Abruf-Nr. 052548)

     

    Sachverhalt

    Die Schwester des Erblassers und einzige Erbin hatte in ihrer ErbSt-Erklärung – wie testamentarisch verfügt – den Neffen mit einem Erwerb von 50.000 DM als Vermächtnisnehmer angegeben. Hierzu teilte sie dem FA mit, der Erblasser habe ihr wenige Tage vor seinem Tod aufgetragen, für den Neffen aus den Mitteln des Nachlasses eine Eigentumswohnung im Wert von etwa 250.000 DM zu kaufen. Sie habe bis jetzt noch kein geeignetes Objekt gefunden und beantrage deshalb, den Bescheid hinsicht­lich eines Teilbetrags von 300.000 DM nach § 165 Abs. 1 AO vorläufig zu erteilen. 

     

    Das FA folgte dem nicht und legte einen Vermächtniserwerb im Wert von 50.000 DM zu Grunde. Ein Jahr später ging beim FA die beglaubigte Abschrift eines notariellen Vertrags ein, mit dem die Schwester dem Neffen eine Eigentumswohnung im Wert von 251.000 DM übertragen hatte. Als „Rechtsgrund der Übergabe“ war ausdrücklich genannt: Der Erblasser habe den Ankauf und die Übertragung einer Eigentumswohnung noch in sein Testament aufnehmen wollen und sie für den Fall, dass ihm dies nicht mehr gelinge, gebeten, die mündliche Erklärung seines letzten Willens, über den er auch seinen Neffen unterrichtet habe, zu bezeugen. 

     

    Nachdem der Neffe eine ErbSt-Erklärung übersandt hatte, erließ das FA einen auf § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO gestützten Änderungsbescheid, in dem es von einem Erwerbswert i.H. von 297.858 DM ausging (50.000 DM Barvermächtnis zuzgl. 251.000 DM Kaufpreis Wohnung abzgl. 3.142 DM Notar- und Grundbuchkosten). Dagegen beantragte der Neffe, der Besteuerung das Barvermächtnis mit 50.000 DM sowie den mit 108.000 DM bezifferten Bedarfswert der Eigentumswohnung zu Grunde zu legen.