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  • 01.01.2006 | Vorweggenommene Erbfolge

    Ablösung des Nießbrauchs eine Veräußerung?

    von WP / StB Dipl.-Kfm. Gerrit Grewe, Berlin
    1. Die Übertragung einer wesentlichen Beteiligung unter Vorbehalt eines Nießbrauchsrechts im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ist als unentgeltliche Vermögensübertragung keine Veräußerung i.S. des § 17 Abs. 1 EStG. Eine Anteilsveräußerung liegt auch dann nicht vor, wenn das Nießbrauchsrecht später abgelöst wird und der Nießbraucher für seinen Verzicht eine Abstandszahlung erhält, sofern der Verzicht auf einer neuen Entwicklung der Verhältnisse beruht. 
    2. Ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO liegt bei einem abgeschlossenen Rechtsgeschäft nur vor, wenn der Rechtsgrund für die später geleisteten Zahlungen bereits in diesem Rechtsgeschäft angelegt ist. 
    (BFH 14.6.05, VIII R 14/04, Abruf-Nr. 053015)

     

    Sachverhalt

    Der Kläger übertrug auf seine Kinder einen 30-prozentigen GmbH-Anteil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Vorbehalt eines lebens­länglichen Nießbrauchs. Zwei Jahre später veräußerten die Kinder diesen GmbH-Anteil und lösten den Nießbrauch gegen Leistung einer Zahlung ab. Hierauf änderte das FA den ESt-Bescheid des Klägers nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO für das Jahr, in dem die Anteilsübertragung auf die Kinder erfolgte und setzte einen Veräußerungsgewinn (§ 17 EStG) fest. Das FG (EFG 04, 652) folgte der Auffassung des Klägers, dass der Bescheid jenes Jahres nicht mehr geändert werden durfte. 

     

    Entscheidungsgründe

    Die Revision des FA ist unbegründet. Das FA durfte den bestandskräftigen ESt-Bescheid nicht mehr ändern. Die Übertragung der Anteile unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ist als unentgeltliche Vermögensübertragung keine Veräußerung i.S. des § 17 EStG. Ob ein Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO steuerlich zurückwirkt, ist ein Problem des materiellen Rechts, hier also der Bestimmung des § 17 EStG. Diese Vorschrift erfordert mit der entgeltlichen Übertragung der wesentlichen Beteiligung auf den Erwerber die Beurteilung eines einheitlichen Sachverhalts. Ohne Entgelt fehlt eines dieser Merkmale, an das § 17 EStG die Besteuerung knüpft. 

     

    Im Streitfall besteht auch kein erkennbarer sachlicher Zusammenhang zwischen der Anteilsübertragung und der für die Ablösung des Nießbrauchs geleisteten Zahlung. Ein solcher Zusammenhang liegt bei einem abgeschlossenen Rechtsgeschäft nur vor, wenn der Rechtsgrund für die später geleisteten Zahlungen bereits in diesem Rechtsgeschäft, hier dem Vertrag über die vorweggenommene Erbfolge, angelegt ist. Der Verzicht auf ein Nutzungsrecht kann Gegenstand eines selbstständigen Rechtsgeschäfts sein. Der Ablösevorgang ist weder zivilrechtlich noch steuerlich der ursprünglichen Bestellung des Nutzungsrechts zuzurechnen. Von diesem Grundsatz ist auch für die Bestimmung des Anwendungsbereichs § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO auszugehen, wenn es sich bei der Übertragung des belasteten Wirtschaftsguts und der Ablösung des Nutzungsrechts um zwei getrennte auf selbstständigen Willensentscheidungen der Beteiligten beruhende Rechtsgeschäfte handelt. Im Streitfall beruhte der Verzicht auf das Nießbrauchsrecht auf einer neuen Entwicklung der Verhältnisse.