Zugewinngemeinschaft
Steuerliche Vorteile bei Übertragung vor Scheidung
von RAin Dr. Carmen Griesel, Düsseldorf
Bei einer Ehescheidung stellt sich die Frage, wie sich die drohende Steuerbelastung der Vermögensauseinandersetzung, die oftmals das gemeinsame Wohnhaus betrifft, vermeiden oder zumindest verringern lässt. Dabei kann es, wie der nachfolgende Fall zeigt, entscheidend auf den Übertragungszeitpunkt ankommen.
1. Übertragung nach Scheidung
Überträgt M den Miteigentumsanteil nach rechtskräftiger Scheidung (Beendigung des Güterstandes, §§ 1564, 1363 BGB) zum Ausgleich des Zugewinnanspruchs auf S, wirkt sich dies steuerlich wie folgt aus:
1.1 Schenkungsteuer
Da die Zugewinngemeinschaft durch Scheidung beendet wird, findet § 5 Abs. 2 ErbStG Anwendung. Die Übertragung des Miteigentumsanteils im Wert von 600.000 EUR dient der Erfüllung der Zugewinnausgleichsforderung (700.000 EUR) und unterliegt wegen § 5 Abs. 2 ErbStG nicht der Schenkungsteuer. Eine Kürzung der steuerfreien Ausgleichsforderung insbesondere i.S. von § 5 Abs. 1 S. 5 ErbStG ist nicht vorzunehmen (Kapp/Ebeling, ErbStG § 5, Rz. 59).
Praxishinweis: Übersteigt der Wert des Miteigentumsanteils die Ausgleichsforderung und erhält der Übertragende vom Zugewinnempfänger keinen Wertersatz in Höhe des überschießenden Teils, liegt eine gemischte Schenkung vor. Ähnliches gilt, wenn der Empfänger vorliegend auf eine Zuzahlung bis zur Höhe der Ausgleichsforderung verzichtet. In Höhe des Forderungsverzichts kommt eine steuerpflichtige Schenkung an den Übertragenden in Betracht.
1.2 Einkommensteuer
Die Übertragung des Miteigentumsanteils an einem Grundstück auf den geschiedenen Ehegatten stellt ein nach §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft dar. Denn soweit der Miteigentumsanteil zum Ausgleich des Zugewinnanspruchs an Erfüllungsstatt übereignet wird, liegt ein entgeltliches Veräußerungsgeschäft i.S. von § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG vor (vgl. Bilsdorfer, ErbBstg 01, 258 ff.). Da vorliegend Anschaffung und Veräußerung innerhalb der Zehn- Jahre- Frist liegen, ist § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG grundsätzlich erfüllt.
Ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft scheidet nur insoweit aus, als ein Wirtschaftsgut zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich oder im Jahr der Veräußerung und den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG). Dabei ist auf die einzelnen Wirtschaftsgüter abzustellen, die sich aus der unterschiedlichen Nutzung der abgeschlossenen Wohnungen ergeben (vgl. BMF 5.10.00, BStBl I, 1383 Rz. 16). Der auf die eigengenutzte Wohnung entfallende Miteigentumsanteil einschließlich des entsprechend den Gebäudenutzflächen zugehörigen Grund und Bodens (BMF, a.a.O., Rz. 18) könnte bei Berechnung des steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns unberücksichtigt bleiben. Somit berechnet sich der Veräußerungsgewinn wie folgt:
Erfolgt die Übertragung nach dem Datum des In- Kraft- Tretens des Steuervergünstigungsabbaugesetzes (StVergAbG), ist § 23 EStG neuer Fassung anzuwenden. Dort ist die Zehn- Jahres- Frist ersatzlos gestrichen. Unangetastet blieb die Steuerfreiheit für selbstgenutztes Wohneigentum. Es fällt eine Pauschalsteuer von15 Prozent des Veräußerungsgewinns an (§ 32a Abs. 7 EStG n.F.). Erfolgte die Anschaffung vor dem Datum des Gesetzesbeschlusses, gelten als Gewinn zehn Prozent des Veräußerungspreises, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten den Betrag von 90 Prozent des Veräußerungspreises nicht überschreiten (§ 23 Abs. 3 S. 6 EStG n.F.). Eine Kürzung um vor der Übertragung in Anspruch genommenen AfA ist nicht mehr vorgesehen, da § 23 Abs. 3 S. 4 EStG gestrichen wurde.
Zieht der Ehegatte bereits während der Trennungszeit bzw. spätestens nach Scheidung, aber noch vor Eigentumsübertragung aus der gemeinsamen Wohnung aus, besteht das Risiko, dass die FinVerw den Auszug als Beendigung der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken einstuft. Dann wären keine der beiden Alternativen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG erfüllt (Paus, GStB 02, 212; Karasek FamRZ 02, 590 ff.; a.A. Hermanns DStR 02, 1065, 1067). Zumindest aber muss der Ehegatte nachweisen können, dass er im Hinblick auf eine geplante Veräußerung ausgezogen ist (Hermanns, DStR 02, a.a O. in Anlehnung an BMF 5.10.00, BStBl I, 1383 Rz. 25).
Dieses Besteuerungsrisiko, das bei einem Einfamilienhaus insgesamt über das „Ob“ einer Steuerpflicht entscheidet, lässt sich mit Sicherheit nur vermeiden, wenn die Eigentumsübertragung zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem beide mittlerweile geschiedenen Ehegatten noch das gemeinsame Haus bewohnen. Geht man bei vorzeitigem Auszug des M davon aus, dass § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG nicht erfüllt ist, erhöht sich der einkommensteuerpflichtige Erwerb wie folgt:
Praxishinweis: Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt noch vor, wenn die Wohnung für die Zeit zwischen Auszug und Übertragung unentgeltlich an Kinder überlassen wird, für die dem ausgezogenen Ehegatten ein Anspruch auf Kindergeld oder ein Kinderfreibetrag zusteht (BFM, a.a.O., Rz. 23). Insofern soll es sich auch nicht als schädlich auswirken, wenn der geschiedene Ehegatte als Aufsicht in der Wohnung verbleibt (Tiedtke/Wälzholz, DStZ 02, 9, 16 f.).
1.3 Grunderwerbsteuer
Da der Miteigentumsanteil durch den früheren Ehegatten bei der Vermögensauseinandersetzung nach Scheidung erworben wird, fällt gemäß § 3 Nr. 5 GrEStG keine Grunderwerbsteuer an.
2.1 Schenkungsteuer
§ 5 Abs. 2 ErbStG findet keine Anwendung, da die Norm nur Vermögensübertragungen nach Scheidung zum Ausgleich der Zugewinnausgleichsforderung von der Schenkungsteuer befreit. Die im Hinblick auf einen später erforderlichen Zugewinnausgleich erfolgte Übertragung des Miteigentumsanteils stellt – mangels Bestehens eines Ausgleichsanspruchs im Zeitpunkt der Übertragung, da der Güterstand noch nicht durch Scheidung beendet wurde – eine freigebige Zuwendung i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an F dar, die der Schenkungsteuer unterliegt (ausdrücklich H 12 ErbStH).
Eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG, die unabhängig vom Güterstand der Ehegatten eingreift (vgl. R 43 Abs. 2 S. 2 ErbStR) und eine schenkungsteuerfreie lebzeitige Zuwendung eines Miteigentumsanteil an einem inländischen Familienwohnheim ermöglicht, kommt nicht in Betracht. Denn bei einer erheblichen Fremdvermietung ist eine Befreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG stets ausgeschlossen (R 43 Abs. 1 S. 6 ErbStR).
Praxishinweis: Die Ausnutzung der Steuerbefreiung bei einem nur teilweise eigengenutzten Mehrfamilienhaus kommt jedoch in Betracht, wenn vor der Übertragung eine Aufteilung in Wohnungs- und Teileigentum erfolgt. Denn nach dem Wortlaut von § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG ist auch die Übertragung einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Eigentumswohnung begünstigt. Danach fällt vorliegend folgende Schenkungsteuer an:
Wird der Güterstand durch die spätere Scheidung beendet, erlischt die Schenkungsteuer gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit (H 12 ErbStH). Denn die Miteigentumsanteilsübertragung erfolgte – wie von § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG verlangt – unter Anrechnung auf die Zugewinnausgleichsforderung gemäß § 1380 BGB. § 29 Abs. 2 ErbStG, wonach der Erwerber für die zwischenzeitliche Nutzung wie ein Nießbraucher zu besteuern ist, findet auf den Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG keine Anwendung. Es wird kein Gegenstand zurückgegeben, sondern es findet lediglich eine Anrechnung statt (vgl. Moench, ErbStG, § 29 Rz. 34). Im Ergebnis fällt keine Schenkungsteuer an.
2.2 Einkommensteuer
Da zur Zeit der Übertragung der Güterstand noch nicht beendet war und somit kein Ausgleichsanspruch besteht, liegt eine freigebige Zuwendung vor. Die Anrechnungsmöglichkeit als solche stellt keine Gegenleistung dar (Hermanns, DStR 02, 1065, 1067; a.A. Hollender, DStR 02, 1932). Es fehlt an einer entgeltlichen Veräußerung i.S. von § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG, so dass bei einer Übertragung innerhalb der Zehn-Jahres-Frist kein Risiko einer Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft besteht. Der F ist für den Fall einer späteren Veräußerung die Anschaffung durch M zuzurechnen (§ 23 Abs. 1 S. 3 EStG). Sinngemäß gilt dies auch für die geplante Änderung des § 23 EStG durch das StVergAbG.
2.3 Grunderwerbsteuer
Grunderwerbsteuer fällt gemäß § 3 Nr. 2 bzw. Nr. 4 GrEStG nicht an.
3. Fazit
Die Übertragung vor der Scheidung unter Anrechnung ist – auch in Zukunft – steuerlich günstiger, da überhaupt keine steuerliche Belastung eintritt. Wenn die Zuwendung auf die Zugewinnausgleichsforderung angerechnet wird, geht der Übertragende selbst kein Risiko einer eventuellen Doppelzahlung im Rahmen des anschließenden Zugewinnausgleichs ein. Es stellt sich aber das praktische Problem, inwieweit die Ehegatten bei bevorstehender Scheidung aus persönlichen Gründen zu einer frühzeitigen Regelung bereit sind.
Quelle: Erbfolgebesteuerung - Ausgabe 03/2003, Seite 62