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  • · Fachbeitrag · Berliner Testament

    Vorsicht vor dem unbedachten Einsatz von Pflichtteilsstrafklauseln

    von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn

    | Bei Ehegatten mit Kindern ist das „Berliner Testament“ sehr beliebt: Die Ehegatten setzen sich für den ersten Erbfall gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmen die Kinder als Schlusserben z.B. zu gleichen Teilen. Ziel eines solchen Testaments ist am Ende die „gerechte“ Verteilung des Nachlasses zwischen den Kindern, jedoch zunächst die Versorgung des überlebenden Ehegatten; er soll zunächst sämtliches Vermögen erhalten. Steuerliche Überlegungen werden dabei häufig übersehen. |

    1. Berliner Testament

    Hauptmotiv des „Berliner Testaments“ ist zunächst die maximale Versorgung des überlebenden Ehegatten und dann die gerechte Endbegünstigung der Kinder. Damit sind aber regelmäßig folgende Nachteile verbunden:

     

    • Beim ersten Erbfall: Da der überlebende Ehegatte Alleinerbe wird, sind die Kinder enterbt. Ihre Freibeträge bleiben ungenutzt. Weiter unterliegt das Vermögen des Erstversterbenden zweifach der Besteuerung. Einmal beim überlebenden Ehegatten und dann im zweiten Erbfall bei den Kindern. Angesichts der Freibeträge von 500.000 EUR für den Ehegatten und 400.000 EUR für jedes Kind stellt sich das Problem freilich nur bei vermögenden Ehegatten.

     

    • Beim zweiten Erbfall: Der Nachlass hat sich beim überlebenden Ehegatten kumuliert, sodass der Erwerb der Kinder unter Umständen einem höheren Steuersatz unterliegt.

    2. Problem: Pflichtteilsansprüche der Kinder

    Die Kinder können das Konstrukt jedoch dadurch aus den Angeln heben, dass sie beim Tod des Erstversterbenden ihre Pflichtteilsansprüche geltend machen. Da ja zunächst der überlebende Ehegatte Alleinerbe wird, sind die Kinder für diesen Erbfall enterbt - ob sie als Schlusserben nach dem Zweitversterbenden eingesetzt sind, spielt hierbei keine Rolle.

     

    2.1 Einfache Pflichtteilsstrafklausel

    In der Praxis zu verhindern sind derartige Pflichtteilsansprüche der Kinder nur durch einen notariellen Pflichtteilsverzicht der Kinder gegenüber den Eltern. Wird ein solcher Vertrag nicht geschlossen, wird vielfach in das gemeinschaftliche Testament der Ehegatten eine Strafklausel aufgenommen, um damit die Kinder von der Geltendmachung ihrer Pflichtteilsansprüche abzuschrecken.

     

    • Beispiel

    „Verlangt einer unserer Abkömmlinge beim Tod des Erstversterbenden der Ehegatten seinen Pflichtteil, so werden er und seine Abkömmlinge nicht Erben des Letztversterbenden.“

     

    Trotz dieser Enterbung auf den Schlusserbfall kann der Abkömmling, der beim Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteil geltend gemacht hat, auch beim Tod des Zweitversterbenden seinen Pflichtteil geltend machen. Da sich die Ehegatten beim klassischen „Berliner Testament“ gegenseitig als Alleinerben eingesetzt haben, partizipiert so der Pflichtteilsberechtigte gegebenenfalls zweifach am Nachlass des Erstversterbenden: Der Nachlass des Erstversterbenden geht - geschmälert um den Pflichtteil - auf den überlebenden Ehegatten über und vereinigt sich dort mit dem Vermögen des überlebenden Ehegatten. Macht nun der Abkömmling auch beim Tod des zweitversterbenden Ehegatten seinen Pflichtteil geltend, beziehen sich seine Ansprüche auf das nunmehr vorhandene Gesamtvermögen des überlebenden Ehegatten, also auf das ursprüngliche Eigenvermögen und das vom Erstverstorbenen hinzuerworbene Vermögen. Wirtschaftlich gesehen ist daher die „Bestrafung“ durch die Verwirkungsklausel vielfach eher milde, dies auch vor dem Hintergrund, dass der überlebende Ehegatte möglicherweise noch eine hohe Lebenswartung hat und das Vermögen in dieser Zeit aufbrauchen könnte.

     

    2.2 Jastrow´sche Klausel

    Angesichts dessen ist vielfach eine wirtschaftliche Gleichstellung der Kinder, die im ersten Erbfall Pflichtteilsansprüche geltend machen, mit den Kindern, die im ersten Erbfall keine Pflichtteilsansprüche geltend machen, gewünscht. Hierzu muss versucht werden, dasjenige Vermögen, welches beim ersten Erbgang auf den überlebenden Ehegatten übergeht, beim zweiten Erbfall zu minimieren. Hierzu werden Geldvermächtnisse zugunsten der Abkömmlinge, die im ersten Erbfall ihren Pflichtteil nicht geltend gemacht haben, aus dem Nachlass des Erstversterbenden angeordnet, die erst mit dem zweiten Erbfall fällig werden, die sogenannte Jastrow´sche Klausel.

     

    • Beispiel

    „Verlangt ein Schlusserbe beim Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteil, werden er und seine Abkömmlinge nicht Erben des Letztversterbenden. Die anderen Schlusserben, die den Pflichtteil nicht verlangt haben, erhalten aus dem Nachlass des Erstversterbenden Geldvermächtnisse in Höhe ihres gesetzlichen Erbteils auf Ableben des Erstversterbenden, wie wenn dieser beim Tod des Längstlebenden verstorben wäre. Die Vermächtnisse fallen mit dem Tod des Längstlebenden an, und zwar nur an die zu diesem Zeitpunkt noch lebenden Bedachte.“

     

    Teilweise wird angeordnet, dass sich die Höhe der Vermächtnisse aus dem beim Tod des Längstlebenden noch vorhandenen Nachlass des Erstverstorbenen berechnen. Obwohl es sich um Vermächtnisse handelt, die den Nachlass des Erstversterbenden belasten, sind diese im ersten Erbfall bei der Bemessung der ErbSt des überlebenden Ehegatten nicht abzugsfähig (§ 6 Abs. 4 ErbStG).

     

    2.3 Definition des Pflichtteilsverlangens

    Bei der Ausgestaltung der Pflichtteilsstrafklausel empfiehlt es sich zusätzlich im Testament zu bestimmen, wann tatsächlich ein Pflichtteilsverlangen vorliegt. Ist nicht klar definiert, wann die Sanktion der Enterbung auf den Schlusserbfall eintreten soll, kann dies ungewollte Folgen haben. So wird teilweise bereits in einem verbindlichen Auskunftsverlangen über Bestand und Höhe des Nachlasses des Erstversterbenden auch dann ein sanktionswürdiges Verhalten gesehen, wenn der Abkömmling nach der Auskunftserteilung seinen Pflichtteilsanspruch nicht weiter verfolgt.

     

    • Beispiel

    „Ein Pflichtteilsverlangen in diesem Sinne liegt vor, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteilsanspruch tatsächlich erhalten hat oder gerichtlich durchsetzt. Die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs führt dagegen nicht zum Eintritt der Bedingung und nicht zur Enterbung im Schlusserbfall.“

     

    Zu beachten ist, dass nach der Rechtsprechung - richtigerweise - die Pflichtteilsstrafklausel nicht nur dann ausgelöst wird, wenn der Pflichtteilsberechtigte tatsächlich seinen Pflichtteil geltend macht, sondern auch, wenn der Pflichtteilsberechtigte die Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments der Eltern geltend macht und seinen gesetzlichen Erbteil fordert (OLG München 7.4.11, 31 Wx 227/10, ErbBstg 11, 188). Weiter sollte innerhalb der Pflichtteilsstrafklausel auch geregelt werden, was geschehen soll, wenn sämtliche der als Schlusserben benannten Abkömmlinge ihre Pflichtteilsansprüche geltend machen. Denn auch in diesem Fall greift die Verwirkungsklausel ein (OLG Frankfurt 2.8.10, 20 W 49/09, ErbBstg 11, 34).

     

    2.4 „Automatisch“ wirkende Pflichtteilsstrafklausel

    Von besonderer Bedeutung ist die Frage, ob die Pflichtteilsstrafklausel automatisch wirken soll oder ob dem überlebenden Ehegatten lediglich das Recht eingeräumt wird, die - grundsätzlich bindende - Schlusserbeneinsetzung zugunsten der Abkömmlinge in Bezug auf denjenigen Abkömmling, der seinen Pflichtteilsanspruch frühzeitig geltend gemacht hat, zu ändern.

     

    Nachteilig an einer automatisch wirkenden Pflichtteilsstrafklausel, die mit dem Tod des Erstversterbenden bindend wird, ist, dass der überlebende Ehegatte nicht mehr auf veränderte Umstände reagieren kann. So mag es z.B. sein, dass das den Pflichtteil verlangende Kind, sich später aufopferungsvoll um den überlebenden Ehegatten kümmert, während sich die anderen Kinder vollständig abwenden. Auch für diesen Fall bleibt die Enterbung bindend und kann nicht mehr geändert werden. Wird eine automatisch wirkende Pflichtteilsstrafklausel geregelt, so sollte jedenfalls dem überlebenden Ehegatten das Recht zur Verzeihung eingeräumt werden. Das zeigt auch sehr anschaulich der Fall des OLG Frankfurt vom 2.8.10 (20 W 49/09, ErbBstg 11, 34): Hier hatten sich die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und ihre drei Abkömmlinge als Schlusserben nach dem Letztversterbenden. Weiter war eine automatisch wirkende Pflichtteilsstrafklausel geregelt. Nach dem Tod des - mittlerweile sehr vermögenden - Ehemanns sind die überlebende Ehefrau und die Kinder angesichts der hohen möglichen Steuerbelastung zu dem Entschluss gekommen, dass sämtliche Kinder ihre Pflichtteilsansprüche nach dem verstorbenen Ehemann geltend machen. Nachdem die Mutter verstorben war, beantragten die drei Kinder die Erteilung eines sie als Erben ausweisenden Erbscheins. Der Antrag wurde - zu Recht - zurückgewiesen, da die Kinder aufgrund der automatisch wirkenden Pflichtteilsstrafklausel nicht Erben des Letztversterbenden wurden. Dabei konnten sich die Kinder nicht darauf berufen, dass die Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche lediglich von steuerlichem Vorteil der Erblasserin gewesen sei. Denn die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs wird durch den Steuervorteil in keiner Weise ausgeglichen. Das Vermögen der Erblasserin wurde dadurch im Ergebnis vielmehr dauerhaft geschmälert. Das Fatale an dem vorliegenden Fall war, dass lediglich eines der drei Kinder seinerseits Kinder hatte, während die anderen beiden kinderlos waren. Das Gesamtvermögen fiel danach allein an einen Stamm. Dieses Ergebnis war von den Beteiligten so sicherlich nicht gewünscht.

     

    PRAXISHINWEIS | Wenn eine automatisch wirkende Pflichtteilsstrafklausel geregelt wird, so ist zumindest daran zu denken, dass dem überlebenden Ehegatten unter Umständen das Recht eingeräumt wird, die Enterbung auch nach dem Tod des Erstversterbenden zu widerrufen. Falls die Pflichtteilsstrafklausel mit einer Jastrow´schen Klausel erweitert wird, ist im Rahmen der Änderungsbefugnis weiter zu regeln, dass die zugunsten der den Pflichtteil nicht fordernden Abkömmlinge ausgesprochenen Vermächtnisse entfallen, wenn die Enterbung der pflichtteilsverlangenden Abkömmlinge widerrufen wird.

     

    In bestimmten Situationen kann jedoch durchaus auch eine automatisch wirkende Pflichtteilsstrafklausel in Betracht kommen und sinnvoll sein: Beispielsweise in den Fällen, in denen die Ehegatten bereits fortgeschrittenen Alters sind. In solchen Fällen kann möglicherweise eine Abänderungsbefugnis dem überlebenden Ehegatten dann nichts mehr nutzen, wenn er bereits beim Tod des Erstversterbenden selbst - z.B. wegen Demenz - testierunfähig ist.

    3. Fazit

    Sind die Eheleute noch jung, verbietet sich in aller Regel eine automatische Pflichtteilsstrafklausel, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass einer der Ehegatten früh verstirbt, sodass die weitere Bindung für den überlebenden Ehegatten unzumutbar erscheint. Er kann auf veränderte Gegebenheiten nicht mehr reagieren. Der überlebende Ehegatte sollte von jeder Bindung für den Schlusserbfall befreit oder es sollte ihm jedenfalls das Recht eingeräumt werden, das den Pflichtteil verlangende Kind zu enterben. Sind die Ehegatten hingegen bereits im vorgerückten Alter, könnte der überlebende Ehegatte beim Tod des Erstversterbenden gegebenenfalls bereits testierunfähig sein. In einem solchen Fall nützt eine Änderungsbefugnis nichts. Gleichwohl sollte auch hier zumindest darüber nachgedacht werden, ob dem überlebenden Ehegatten ein Recht zur Verzeihung eingeräumt wird. Wie auch insbesondere der Fall des OLG Frankfurt zeigt, müssen bestehende Testamente von Zeit zu Zeit überprüft und den sich wandelnden Verhältnissen angepasst werden.

    Quelle: Ausgabe 11-12 / 2011 | Seite 274 | ID 30046220