· Fachbeitrag · Bewertungsgesetz
Bewertung von Krypto-Assets & Co. für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer
von Dipl.-Finw. (FH) Thomas Rennar, Hannover
| Der sprichwörtliche „Krypto-Boom“ der letzten Jahre bestätigt die praktische Relevanz von Krypto-Assets in der Gegenwart. Auch für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer stellen sich daher zahlreiche praktische Einzelfragen. Die starke Volatilität dieser Anlageklasse erschwert regelmäßig eine bewertungstechnische Einstufung für Zwecke der Besteuerung. Der BFH hat zwar jüngst eine Eigenschaft als „Wirtschaftsgut“ zumindest für ertragsteuerliche Zwecke bestätigt. Abweichend hiervon scheint die Finanzverwaltung dies für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer aber anders zu sehen und wählt vielmehr eine spekulative Einstufung als „Finanzinstrument“. Welche erbschaft- und schenkungsteuerlichen Implikationen sich in der Praxis ergeben, betrachtet dieser Beitrag, wobei auch ein Ausblick auf zukünftige Meldepflichten für Krypto-Assets & Co. nach DAC 8 nicht zu kurz kommt. |
1. „Krypto-Boom“ ‒ Schwierigkeiten in der Besteuerungspraxis
In Anlehnung an die Richtlinie (EU) 2018/843 v. 30.5.18 (ABl. L 156, S. 43) zur Änderung der Richtlinie (EU) 2015/948 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und zur Änderung der Richtlinien 2009/138/EG und 2013/36/EU sind virtuelle Währungen digital dargestellte Werteinheiten, die von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert oder garantiert werden und damit nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzen, aber von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert werden und auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden können. Zu den bekanntesten virtuellen Währungen gehören z. B. Bitcoin, Ether, Litecoin und Ripple.
Die Bezeichnung „Token“ ist hingegen ein Oberbegriff für digitale Einheiten, denen bestimmte Ansprüche oder Rechte zugeordnet sind, deren Funktionen variieren. Token können als Entgelt für erbrachte Dienstleistungen im Netzwerk oder zentral von einem Projektinitiator zugeteilt werden. Die Ausgabe von Token im Rahmen eines „Initial Coin Offering“ (ICO) stellt z. B. insbesondere für Start-ups eine alternative Finanzierungsmethode dar. Diese Transaktionsdaten werden in Blöcken mit fortzuschreibender Nummerierung zusammengefasst, vergleichbar einer Kette, an deren Ende fortwährend neue Blöcke hinzugefügt werden.
Jeder Block enthält mit dem sog. Hash-Wert eine lange kryptografische Zeichenfolge, die sich aus dem Inhalt seines Vorgängerblocks errechnet. Dies hat zur Folge, dass eine spätere Veränderung eines in die Berechnung eingeflossenen Werts dazu führt, dass die sog. Hash-Werte nicht mehr mit denen der unverfälschten Blockchain übereinstimmen und die Manipulation für jeden sichtbar wird (vgl. BMF 10.5.22, BStBl I 22, 668).
Ein aktueller Blick in die Statistik offenbart, dass die Anzahl verfügbarer Kryptowährungen im weltweiten Zeitverlauf rapide angestiegen ist und sich auf einem konstant hohen Niveau von annähernd bis zu 10.000 eingependelt hat.
2. Erbschaft- und schenkungsteuerliche Implikationen
2.1 Bewertungsmaßstäbe für Krypto-Assets & Co.
Gerade für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer stellt sich insoweit die Frage, welche Bewertungsmaßstäbe für Krypto-Assets & Co. heranzuziehen sind. Jeder der Erbschaftsteuer unterliegende Erwerb ist vom Erwerber, bei einer Zweckzuwendung vom Beschwerten, binnen einer Frist von drei Monaten nach erlangter Kenntnis von dem Anfall oder von dem Eintritt der Verpflichtung dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen. Erfolgt der steuerpflichtige Erwerb durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, ist zur Anzeige auch derjenige verpflichtet, aus dessen Vermögen der Erwerb stammt (vgl. § 30 Abs. 1 f. ErbStG). Virtuelle Währungen, sog. „Kryptowährungen” wie z. B. Bitcoins, sind insoweit als Finanzinstrumente (vgl. § 1 Abs. 11 S. 1 KWG) zu qualifizieren und daher als Finanzmittel (vgl. § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG) einzustufen. Die Bewertung virtueller Währungen richtet sich letztlich nach dem gemeinen Wert nach § 9 BewG (vgl. BayLfSt 14.1.19, S 3812b.1.1 ‒ 16/10, 16/12 St 34).
Bei Bewertungen ist somit, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, der gemeine Wert zugrunde zu legen. Der gemeine Wert wird hierbei durch den Preis bestimmt, der im „gewöhnlichen Geschäftsverkehr“ nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (siehe im Einzelnen R B 9.1 ErbStR). Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen (vgl. § 9 Abs. 1 f. BewG). Die Ermittlung des gemeinen Werts von Krypto-Assets & Co. dürfte allerdings praktische Schwierigkeiten verursachen. Dieses vor dem Hintergrund, dass regelmäßig kein offizieller Börsenkurs ableitbar sein und eine starke Volatilität eine Kursableitung erschweren dürfte. Da eine Wertermittlung auf den Bewertungsstichtag somit regelmäßig erschwert ist, sollte eine Wertermittlung im Schätzungswege ggf. Abhilfe schaffen können.
Im Rahmen des sog. „Finanzmittel-Tests“ gehört zum Verwaltungsvermögen der gemeine Wert des nach Abzug des gemeinen Werts der Schulden verbleibenden Bestandes an Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und anderen Forderungen (Finanzmittel), soweit er 15 % des anzusetzenden Werts des Betriebsvermögens des Betriebs oder der Gesellschaft übersteigt. Sog. „junge Finanzmittel“ sind der positive Saldo der innerhalb von zwei Jahren vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer eingelegten und der entnommenen Finanzmittel. Dies gilt unabhängig davon, ob die eingelegten Finanzmittel am Besteuerungszeitpunkt noch vorhanden sind. Der Wert der jungen Finanzmittel ist aber auf den Wert der Finanzmittel in diesem Zeitpunkt vor Abzug der abzugsfähigen Schulden und des Sockelbetrags begrenzt. Junge Finanzmittel sind somit Verwaltungsvermögen und i. R. d. Finanzmittel-Tests vom Wert der Finanzmittel abzuziehen. Junge Finanzmittel sind somit nicht in die Schuldenverrechnung mit dem Verwaltungsvermögen einzubeziehen und stellen kein unschädliches Verwaltungsvermögen dar (vgl. R E 13b.23 Abs. 3 ErbStR).
2.2 Finanzrechtsprechung bestätigt hingegen Wirtschaftsgut-Eigenschaft
Der BFH (14.2.23, IX R 3/22, BFH/PR 23, 125) hat abweichend von einer Einstufung als sog. „Finanzmittel“ zumindest ertragsteuerlich eine Einstufung als Wirtschaftsgut bestätigt. Demnach gehören zu den (anderen) Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG sein können, auch virtuelle Währungen. Diese werden angeschafft, wenn sie im Tausch gegen EUR, gegen eine Fremdwährung oder gegen andere virtuelle Währungen erworben werden. Sie werden hingegen veräußert, wenn sie in EUR oder gegen eine Fremdwährung zurückgetauscht oder umgetauscht werden. Dies gilt unabhängig davon, dass sie weder unter den zivilrechtlichen Begriff des „Geldes“ fallen noch als elektronisches Geld (sog. „E-Geld“) zu klassifizieren sind.
2.3 Zukünftige Meldepflichten für Krypto-Assets & Co. nach DAC 8?
Viele Nutzer von Kryptowerten erzielen erhebliche Gewinne, bleiben jedoch dank der Anonymität bisher regelmäßig unter dem Radar der nationalen Steuerbehörden. Ein EU-Vorschlag nach DAC 8 wird daher zukünftig dafür sorgen, dass die Mitgliedstaaten die benötigten Informationen erhalten, um sicherzustellen, dass für Gewinne aus dem Handel mit Kryptowerten oder aus Anlagen in Kryptowerte Steuern gezahlt werden.
Der Vorschlag steht zudem voll und ganz mit der OECD-Initiative für einen Melderahmen für Kryptowerte sowie der EU-Verordnung über Märkte für Kryptowerte in Einklang (vgl. EU-Wirtschaftskommissar Gentiloni, 12/22). Dieser Richtlinienvorschlag zielt darauf ab, die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Steuerbehörden insbesondere in neu entstehenden Bereichen zu verbessern. Die Initiative soll den Steuerverwaltungen Informationen zur Verfügung stellen, um Steuerpflichtige zu identifizieren, die in neuen Tauschmitteln, insbesondere Krypto-Assets und E-Geld, tätig sind. Die neuen Meldepflichten sollen in Bezug auf Kryptowerte, E-Geld und digitale Währungen spätestens am 1.1.26 in Kraft treten und bedürfen einer nationalen Umsetzung.
Die Hauptprobleme, die mit der Initiative angegangen werden sollen, sind der Mangel an Informationen auf der Ebene der nationalen Steuerverwaltungen über die zunehmende Verwendung von Krypto-Assets und E-Geld, was möglicherweise zu Einnahmeverlusten auch für den EU-Haushalt führt, sowie die Unterschiede bei den Sanktionen, die auf der Grundlage der geltenden Bestimmungen verhängt werden. In den letzten Jahren haben die Digitalisierung und der Einsatz von Technologie im Finanzsektor nämlich bereits zu erhöhten Effizienzgewinnen und neuen Produkten für die Verbraucher geführt. Die vorgeschlagene EU-Verordnung über Märkte für Krypto-Assets legt daher einheitliche Transparenz- und Offenlegungsanforderungen für Anbieter und Emittenten von Krypto-Assets sowie für E-Geld-Institute fest. Dies stellt auch für steuerliche Zwecke einen nützlichen Rahmen dar, auch wenn aus steuerlicher Sicht die hohen Preisschwankungen an sich schon ein Problem für die Bewertung sind, die für die Berechnung des Gesamtkapitals und der Veräußerungsgewinne von entscheidender Bedeutung sind (siehe hierzu auch FAQ der EU-Kommission zu DAC 8 v. 8.12.22).
FAZIT | Für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sind etwaige Bewertungsmaßstäbe für Krypto-Assets & Co. relevant. Virtuelle Währungen sind zumindest nach Auffassung der Finanzverwaltung als sog. „Finanzinstrumente“ zu qualifizieren und daher auch als Finanzmittel i. R. d. sog. „Finanzmittel-Tests“ einzustufen. Die Bewertung soll sich letztlich nach dem gemeinen Wert nach § 9 BewG richten. Abweichend hiervon hat der BFH in jüngster Judikatur zumindest für ertragsteuerliche Zwecke eine Einstufung als „Wirtschaftsgut“ bestätigt. Da regelmäßig kein offizieller Börsenkurs ableitbar sein dürfte und eine starke Volatilität eine Kursableitung erschwert, dürfte eine Wertermittlung für Erbschaft- und Schenkungsteuerzwecke im Schätzungswege ggf. Abhilfe schaffen. Die national umzusetzende EU-Initiative nach DAC 8 sollte den Steuerverwaltungen hierbei künftig etwaige Informationen zur Verfügung stellen, um Steuerpflichtige zu identifizieren, die in neuen Tauschmitteln, insbesondere Krypto-Assets und E-Geld, tätig sind. Die neuen Meldepflichten sollen somit in Bezug auf Kryptowerte, E-Geld und digitale Währungen spätestens am 1.1.26 in Kraft treten und bedürfen einer nationalen Umsetzung nach finaler Einigung auf EU-Ebene. |
Weiterführende Hinweise
- Zu Outbound-Steuergestaltungen in der Steuerdeklaration des Nutzers nach DAC 6 siehe Rennar, PIStB 22, 231.
- Zu erweiterten Meldepflichten für Online-Plattformbetreiber & Co. nach DAC 7 siehe Rennar, PIStB 22, 245.