· Fachbeitrag · Der entscheidende Fehler
Steuerbefreiung für Wohnimmobilien und die Einräumung von Nutzungsrechten
von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster
| Sowohl zu eigenen Wohnzwecken genutzte als auch vermietete Wohnimmobilien können unter Vorbehalt von Nutzungsrechten oder gegen Einräumung von Nutzungsrechten an Dritte übertragen werden. Sowohl beim Familienheim als auch bei vermieteten Wohnimmobilien stellt sich die Frage, welche Wechselwirkungen zischen den Steuerbefreiungen und der Besteuerung der Nutzungsrechte bestehen. |
1. Familienheim und Nutzungsrecht
Die Nutzung einer Wohnung aufgrund eines Nutzungsrechts (Nießbrauch/Wohnrecht) wird von der Finanzverwaltung nicht als Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken angesehen (R E 13.4 Abs. 6 S. 2 ErbStR 2011). Die Finanzverwaltung äußert dies in den ErbStR 2011 zwar nur im Zusammenhang mit dem Nachversteuerungsvorbehalt; der Aussage dürfte aber grundsätzliche Bedeutung zukommen. Die im Schrifttum geäußerte Auffassung, der Wortlaut des Gesetzes („zu eigenen Wohnzwecken“) erfasse auch die Nutzung in Ausübung eines Nutzungsrechts (siehe hierzu Reimann, ZEV 10, 174; Steiner, ErbStB 10, 179 jeweils m.w.N.) kann für sich in Anspruch nehmen, dass nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes, die Eigennutzung der Immobilie zu begünstigen, es überzeugender erscheint, die Steuerbefreiung für Nutzungsrechte zu gewähren. Da diese Auffassung von der Finanzverwaltung nicht geteilt wird, kann diese Frage durch die Gerichte geklärt werden.
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Alleinerbin des 2009 verstorbenen Erblassers ist seine Ehefrau. Die Ehegatten lebten im Güterstand der Gütertrennung. Die Ehefrau hat unter anderem das in Düsseldorf belegene Familienheim geerbt (festgestellter Grundbesitzwert 450.000 EUR) und dafür die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG in Anspruch genommen. Ihren persönlichen Freibetrag von 500.000 EUR (§ 16 ErbStG) und den Versorgungsfreibetrag (§ 17 ErbStG) hat sie durch den Erwerb anderen Vermögens verbraucht und für einen steuerpflichtigen Erwerb von 380.000 EUR bei einem Steuersatz von 15 % ErbSt i.H. von 57.000 EUR bezahlt. Der ErbSt-Bescheid enthält den Hinweis, dass Verstöße gegen die Selbstnutzungsverpflichtung nach § 153 Abs. 2 AO anzeigepflichtig sind (R E 13.4 Abs. 6 S. 7 ErbStR 2011). Da ihr einziger Sohn in Würzburg lebt und er das Haus in Düsseldorf im Falle des Todes seiner Mutter aller Voraussicht nach nicht zu eigenen Wohnzwecken nutzen wird und somit die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c für sich nicht nutzen kann, überträgt die Mutter im Jahr 2012 die Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Nießbrauchsvorbehalt auf ihren Sohn. Der Kapitalwert des Nutzungsrechts soll 240.000 EUR betragen. Der Grundbesitzwert soll weiterhin 450.000 EUR betragen. | ||||||||||||||||||||||||
Schenkungsteuer Sohn Der Sohn erhält für die Immobilie keine Steuerbefreiung, da die Zuwendung des Familienheims unter Lebenden nur unter Ehegatten/Lebenspartnern begünstigt ist und der Sohn zudem die Voraussetzungen einer Eigennutzung nicht erfüllt.
Erbschaftsteuer Ehefrau Aufgrund der Weiterübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt liegt nach Auffassung der Finanzverwaltung ein Verstoß gegen den Nachversteuerungsvorbehalt vor. Der Erbschaftsteuerbescheid ist gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern. Die Ehefrau ist gemäß R E 13.4 Abs. 6 S. 6 ErbStR 2011 verpflichtet, den Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen anzuzeigen, worauf der ErbSt-Bescheid auch ausdrücklich hinweist. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Anzeigeverpflichtung - anders als in § 13a Abs. 6 ErbStG - in § 13 Abs. 1 Nr. 4b und 4c ErbStG nicht gesetzlich geregelt ist, sondern aus § 153 Abs. 2 AO abgeleitet wird.
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Der Ehefrau ist somit zu empfehlen, die Immobilie frühestens nach Ablauf der zehnjährigen Behaltensfrist des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG auf den Sohn zu übertragen. Werden vergleichbar bleibende Vermögens- und Wertverhältnisse unterstellt, wird die spätere Versteuerung durch den Sohn selbst dann zu einer niedrigeren Steuerentlastung führen, wenn er den Erwerb zusammen mit anderen hohen Vermögenswerten versteuern muss. Bei einem für einen späteren Gesamterwerb unterstellten Steuersatz von 19 % würde für das Einfamilienhaus eine maximale Steuer von 19 % von 450.000 EUR = 85.500 EUR anfallen und wäre damit immer noch niedriger - und zudem später fällig - als die von der Ehefrau zu zahlende Nachsteuer. |
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