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  • · Fachbeitrag · Eheverträge

    Wirksamkeit von Eheverträgen bei Gütertrennung im „Outbound-Fall“

    von Dipl.-Finw. (FH) Thomas Rennar, Hannover

    | Der BGH (29.11.23, XII ZB 531/22 ) hatte jüngst über die Wirksamkeit eines Ehevertrags bei Gütertrennung zu entscheiden. Die Beteiligten stritten hierbei im Rahmen des Scheidungsverbunds in der Folgesache Güterrecht über die Wirksamkeit eines geschlossenen Ehevertrags und insbesondere der vereinbarten Gütertrennung. Im Streitfall hatte nur einer der Ehepartner die deutsche und der andere die libanesische Staatsangehörigkeit. Die Einzelheiten zu diesem „Outbound-Fall“ betrachtet die ErbBstg nachfolgend für Sie. |

    Sachverhalt

    Der Antragsteller, ein libanesischer Staatsangehöriger, und die Antragsgegnerin, eine deutsche Staatsangehörige, schlossen in Deutschland die Ehe. Zuvor hatten sie in Anwesenheit zweier muslimischer Zeugen einen notariellen Ehevertrag geschlossen. Als Güterstand vereinbarten die Beteiligten Gütertrennung. Der Scheidungsantrag des Antragstellers ist der Antragsgegnerin zugestellt worden. Die Antragsgegnerin hat einen Stufenantrag zur Folgesache Güterrecht gestellt, mit dem sie zunächst die Verpflichtung des Antragstellers begehrt, ihr Auskunft über sein Anfangs-, sein Trennungs- und sein Endvermögen zu erteilen und die Auskunft zu belegen. Dem ist der Antragsteller unter Hinweis auf die im Ehevertrag vereinbarte Gütertrennung entgegengetreten.

     

    Daraufhin hat die Vorinstanz festgestellt, dass der von den Beteiligten geschlossene Ehevertrag (insgesamt) unwirksam ist. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Antragsteller die Abweisung des Zwischenfeststellungsantrags.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet (BGH 29.11.23, XII ZB 531/22, Abruf-Nr. 239433). Die Antragsgegnerin könne daher Auskunft vom Antragsteller über sein Anfangs-, Trennungs- und Endvermögen verlangen.

     

    Der Ehevertrag sei insgesamt unwirksam. Grund hierfür sei allerdings nicht ein Verstoß gegen den Grundsatz des sog. „ordre public“, weil auf den Ehevertrag mangels ausdrücklicher oder stillschweigender Wahl ausländischen Rechts wegen des gewöhnlichen Aufenthalts beider Beteiligter in Deutschland deutsches Recht anwendbar sei. Insbesondere sei dem Vertrag, auch wenn dessen Inhalt im Wesentlichen den Vorstellungen des islamischen Kulturkreises von Ehe und Familie entspreche und mit der Beteiligung zweier volljähriger männlicher Zeugen auch islamischen Formerfordernissen Rechnung getragen worden sei, eine stillschweigende Wahl des libanesischen Rechts nicht eindeutig zu entnehmen.

     

    Eine eindeutige Bezugnahme auf die Rechtsordnung eines bestimmten Staates fehlte im Ehevertrag. Damit werde nicht deutlich, dass die Beteiligten die Geltung des libanesischen Familienrechts insgesamt hätten vereinbaren wollen. Der danach gem. § 138 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Wirksamkeitskontrolle halte der Ehevertrag in der Gesamtschau nicht stand.

     

    Bereits die Regelung des Ehevertrags über die Scheidungsvoraussetzungen sei aufgrund der damit verbundenen Einschränkung der unabdingbaren negativen Eheschließungsfreiheit wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 GG, §§ 1364 ff. BGB gem. § 138 Abs. 1 und § 134 BGB unwirksam. Auch die Unterhaltsregelung des Ehevertrags sei nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, weil sie eine einseitige und unzumutbare Lastenverteilung zwischen den Beteiligten bewirke. Denn die Antragsgegnerin werde gegenüber der gesetzlichen Lage in §§ 1569 ff. BGB erheblich schlechter gestellt, weil ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt von einem Verschulden des Antragstellers an der Ehescheidung oder vom Vorliegen eines der im Vertrag angeführten Gründe abhängig gemacht werde.

     

    Die Regelung zum Sorgerecht widerspreche ebenfalls zum Nachteil der Antragsgegnerin der Gesetzeslage. Dieser sei schon nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit zu entnehmen, dass der Antragsteller während der Mindestdauer der elterlichen Sorge Betreuungsunterhalt für die Antragsgegnerin und Kindesunterhalt zu leisten habe. Damit sei auch die darin getroffene Regelung über die Gütertrennung unwirksam.

     

    Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle hat der Tatrichter zunächst zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr ‒ und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse ‒ wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB). Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse beim Vertragsschluss abstellt, insbesondere also auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und etwaige Kinder.

     

    Subjektiv sind sodann die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die die Ehegatten dazu bewogen haben, den Ehevertrag zu schließen. Das Verdikt der Sittenwidrigkeit wird dabei regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt wird (BGH 29.1.14, XII ZB 303/13, NJW 14, 1101; BGH 27.5.20, XII ZB 447/19, NJW 20, 3243, m. w. N.).

     

    Bei Vorliegen derartiger Umstände würde indes auch die hier in den Vertrag aufgenommene salvatorische Klausel nichts an der Gesamtnichtigkeit des Ehevertrags und der damit einhergehenden Unwirksamkeit der Vereinbarung über die Gütertrennung ändern. Zwar ist eine salvatorische Klausel für die Beurteilung der Frage, ob ein Ehevertrag auch ohne einzelne sittenwidrige und daher nichtige Vertragsbestandteile geschlossen worden wäre, nicht von vornherein ohne Bedeutung. Wenn sich das Verdikt der Sittenwidrigkeit jedoch aus der Gesamtwürdigung eines einseitig belastenden Ehevertrages ergibt, erfasst die Nichtigkeitsfolge notwendig den gesamten Vertrag. Eine „Erhaltungsklausel“ kann hieran nichts ändern. Denn in diesem Fall spiegelt auch die vereinbarte Erhaltungsklausel selbst eine auf ungleichen Verhandlungspositionen beruhende Störung der Vertragsparität zwischen den Ehegatten wider (BGH 27.5.20, XII ZB 447/19, NJW 20, 3243). Nichts anderes gilt, wenn sich die Nichtigkeit von Einzelregelungen aus § 134 BGB ergibt und der Vertragsschluss Ausdruck einer Störung der Vertragsparität ist.

    Relevanz für die Praxis

    Vereinbarungen der Gütertrennung unterliegen bei isolierter Betrachtung keinen Wirksamkeitsbedenken, weil das Güterrecht nicht dem Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts zuzuordnen ist und der Zugewinnausgleich daher ehevertraglicher Gestaltung am weitesten zugänglich ist. Die Unwirksamkeit einer Vereinbarung über die Gütertrennung kann sich, auch wenn sie bei isolierter Betrachtung den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht zu rechtfertigen vermag, trotz einer im Vertrag enthaltenen salvatorischen Klausel gem. § 139 BGB daraus ergeben, dass sich der Ehevertrag im Rahmen der nach § 138 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Gesamtwürdigung als insgesamt sittenwidrig erweist (BGH 29.11.23, XII ZB 531/22).

     

    Insbesondere die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich unterliegen somit grds. der vertraglichen Disposition der Ehegatten. Diese darf allerdings nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann (BGH 17.1.18, XII ZB 20/17, NJW 18, 1015). Das Verdikt der Sittenwidrigkeit wird dabei regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt wird (BGH 27.5.20, XII ZB 447/19, NJW 20, 3243). Und dies war hier letztlich der Fall, wie der BGH sehr klar hervorgehoben hat.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2024 | Seite 265 | ID 50088636