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  • · Fachbeitrag · Vermögenssicherung

    Pauschalwert- versus Bedarfswertabfindung: Bewertung aus zivil- und steuerrechtlicher Sicht

    von Prof. Dr. Daniel R. Kälberer, Berlin/Hattenhofen und Tim Florian Metzmeier, RA/StB, München

    | Ehevertragliche Abweichungen von der gesetzlichen Norm werfen in der Gestaltungspraxis immer wieder Fragen auf. Ziel solcher Vereinbarungen ist es regelmäßig, den „betuchteren“ Ehegatten bzw. dessen Erben im Todesfall vor ungewollten Vermögensabflüssen zu schützen. Häufig werden dabei die Regelungen des Zugewinnausgleichs für den Fall der Scheidung modifiziert oder es wird von vornherein Gütertrennung vereinbart. Damit der Ausschluss der Scheidungsfolgen einen Ehegatten nicht übermäßig benachteiligt, wird dies oft mit einer Abfindungsregelung kombiniert, was aber schnell zu zivil- und steuerrechtlichen Verwerfungen führen kann. Der Dualismus zwischen steuerbaren Pauschalwertabfindungen und nicht steuerbaren Bedarfswertabfindungen gibt zusätzlich Anlass, sich mit dieser Materie näher zu beschäftigen. |

    1. Pauschalwert- und Bedarfswertabfindung

    Unter einer Pauschalwertabfindung versteht man die unverzüglich zu leistende Zahlung eines Ehegatten an den anderen für den Verzicht auf eine Scheidungsfolge ‒ wie sie z. B. durch den Verzicht auf einen Zugewinnausgleich zum Ausdruck kommt (vgl. BFH 1.9.21, II R 40/19, BStBl II 23, 146, Rn. 12 f.). Dabei ist die Pauschalwertabfindung unabhängig vom Eintritt einer Scheidungsfolge zu leisten. Dies gilt selbst dann, wenn die Ehe nie geschieden wird bzw. es im Wesentlichen unklar bleibt, ob güterrechtliche Ansprüche überhaupt jemals entstehen werden (vgl. BFH 17.10.07, II R 53/05, BStBl II 08, 256).

     

    Die Bedarfswertabfindung zielt hingegen auf den Eintritt der Ehescheidung ab. Sie ist abhängig von verschiedenen Faktoren ‒ wie etwa der Ehezeit ‒ und umfasst damit Zahlungen, die erst bei Eintritt der Scheidungsfolgen z. B. als Ausgleich für die Vereinbarung einer Gütertrennung zu entrichten sind (vgl. BFH 1.9.21, II R 40/19, BStBl II 23, 146, Rn. 14 ff.). Eine solche Bedarfsabfindung sieht der BFH als gegeben an, wenn Ehegatten zu Beginn ihrer Ehe einen indexierten Zahlungsanspruch für den Fall einer Scheidung vereinbaren und dessen Höhe festgelegt wird für eine bestimmte Laufzeit (z. B. Bestand der Ehe von 15 Jahren). Laut BFH wäre es auch unschädlich, wenn vereinbart ist, dass sich der Zahlungsanspruch bei einer Ehescheidung vor Ablauf der Frist pro rata temporis vermindert (GLE 13.10.22, DStR 23, 524).

    2. Zivilrechtliche Aspekte

    2.1 Gesetzlicher Güterstand

    Die Ehegatten leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, soweit sie nicht durch Ehevertrag etwas anderes bestimmt haben (§ 1363 BGB). Dabei bleibt das Vermögen der Ehegatten jeweils eigenes Vermögen der Eheleute. Lediglich der Zugewinn in der Ehezeit wird bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft ausgeglichen. Die Zugewinngemeinschaft endet z. B. bei Tod eines Ehegatten (§ 1371 BGB), der Scheidung, der vorzeitigen Aufhebung der Zugewinngemeinschaft nach § 1385 BGB oder der vertraglichen Aufhebung durch einen Ehevertrag (vgl. Budzikiewicz in: Jauernig, BGB, Rn. 1 Vorbemerkung zu den §§ 1371-1390 BGB und Rn. 1 zu § 1372 BGB).

     

    MERKE | Das Vorliegen des gesetzlichen Güterstandes wird nach § 1363 Abs. 1 BGB bei jeder Ehe vermutet, soweit man sich nicht auf einen anderslautenden Ehevertrag beruft. Hierfür wird einem sowohl die objektive als auch die subjektive Beweislast zuteil (vgl. Koch in: MüKo zum BGB, § 1363 Rn. 5 BGB).

     

    Sofern keine anderweitige Vereinbarung getroffen wird, tritt im Ergebnis also die Zugewinngemeinschaft ohne Rücksicht auf den Willen und die Vorstellungen der Ehegatten ein. Wegen des Grundsatzes der Vertragsfreiheit lässt sich diese allerdings jederzeit begründen und wieder aufheben. Nicht möglich sind hingegen güterrechtliche Vereinbarungen mit dinglicher Wirkung, da das Sachenrecht die Rechtsinhaberschaft zwingend anordnet. Schließlich können Ehegatten „auf güterrechtlicher Ebene (...) den gemeinschaftlichen Vermögenserwerb nur durch Änderung des gesetzlichen Güterstandes erreichen, nämlich durch Abbedingung der Zugewinngemeinschaft und Vereinbarung einer sog. Errungenschaftsgemeinschaft, deren Charakteristikum der gemeinsame dingliche Erwerb während der Ehe ist“ (vgl. Koch in: MüKo zum BGB, 9. Aufl. 2022, Rn. 2 ff. zu § 1363 BGB).

     

    Beachten Sie | Haben die Ehegatten den gesetzlichen Güterstand ausgeschlossen oder geändert, so wirkt sich die güterrechtliche Lage auch gegenüber Dritten aus. § 1412 BGB schützt deren Interessen, indem Ehegatten aus einem Ehevertrag nur dann einem Dritten gegenüber Einwendungen herleiten können, wenn dieser Kenntnis oder jedenfalls grob fahrlässige Unkenntnis von ebenjenem Ehevertrag hatte (vgl. Budzikiewicz in: Jauernig, BGB, 19. Auflage 2023, Rn. 1 zu § 1412 BGB).

     

    2.2 Ehevertragliche Regelungen

    Abweichend von den gesetzlichen Regelungen können Ehegatten durch einen Ehevertrag die Scheidungsfolgen regeln. Sie können den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft damit bspw. modifizieren oder Gütertrennung (§ 1414 BGB) bzw. Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB) vereinbaren. Der Abschluss des Ehevertrags richtet sich nach den §§ 1410 f. BGB. Ansonsten sind auf Eheverträge dieselben allgemeinen Vorschriften anzuwenden wie für alle übrigen Rechtsgeschäfte (§§ 116 ff. BGB). Der Ehevertrag kann grundsätzlich unter Bedingungen geschlossen oder zeitlich befristet werden; auch der Abschluss eines Vorvertrags ist möglich.

     

    Schließlich unterliegt der Ehevertrag wie jedes andere Rechtsgeschäft der Gläubigeranfechtung, was der BGH mit Urteil v. 1.7.10 (IX ZR 58/09, NZI 10, 738) festgestellt hat. „Allerdings wird dabei der statusbegründende Wechsel des Güterstandes nicht berührt, sodass sich die Anfechtung regelmäßig auf die vermögensrechtlichen Folgen, etwa die Erfüllung eines Zugewinnausgleichsanspruchs, beschränkt“ (vgl. Münch in: MüKo zum BGB, Rn. 2 bis 4 zu § 1408 BGB).

     

    Im Ergebnis sind die Ehegatten in der Wahl des Güterstandes und in der individuellen Gestaltung der Eheverträge im Rahmen der Vertragsfreiheit grundsätzlich frei. Die Privatautonomie der Ehegatten wird jedoch in der neueren Rechtsprechung des BVerfG und des BGH beschränkt. Danach dürfen Kernbereiche des ehelichen Güterrechts nicht durch vertragliche Regelungen einseitig unterlaufen werden, womit eine evident einseitige Lastenverteilung zuungunsten eines Ehegatten vermieden werden soll (vgl. Wachter, ZEV 23, 333). Maßgeblicher Zeitpunkt zur Feststellung der Benachteiligung ist hierbei der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, wobei die individuellen Verhältnisse der Ehegatten in einer Gesamtschau zu würdigen sind. Abzustellen ist mithin auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, den geplanten bzw. bereits verwirklichten Lebenszuschnitt oder die (unmittelbaren) Folgewirkungen der Vereinbarungen auf die Ehegatten selbst und deren Kinder (vgl. Budzikiewicz in: Jauernig, BGB, § 1409 Rz. 9 BGB).

     

    MERKE | Das Grundprinzip der Vertragsfreiheit wird durch eine gerichtliche Inhalts- und Ausübungskontrolle beschränkt (§§ 138, 242 BGB). Die Disponibilität der Scheidungsfolgen darf nicht dazu führen, dass wesentliche Schutzzwecke beliebig unterlaufen werden und sich eine Zwangslage einstellt. Bei dieser Beurteilung sind zunächst die einzelnen Scheidungsfolgen in den Blick zu nehmen ‒ erst in einem zweiten Schritt ist zu fragen, ob der Ehevertrag in seiner Gesamtschau sittenwidrig ist (Wirksamkeitskontrolle, § 138 BGB). Indizien hierfür wären z. B. die soziale bzw. wirtschaftliche Abhängigkeit eines Ehepartners, eine intellektuelle Unterlegenheit (Lebenserfahrung, Bildungsniveau) oder die Ausnutzung einer Zwangslage (Überrumpelung, Drohung). Demgegenüber wird im Zuge der Ausübungskontrolle gem. § 242 BGB auf eine evident einseitige sowie unzumutbare Lastenverteilung abgestellt (vgl. Münch in: MüKo zum BGB, § 1408 Rz. 36 ff. BGB).

     

    Hat ein Vertrag also die Wirksamkeitskontrolle nach § 138 BGB überstanden, wird im Weiteren zu prüfen sein, ob es dem begünstigten Ehegatten verwehrt ist, sich auf die ehevertragliche Regelung zu berufen, weil die wirksame vertragliche Regelung nunmehr eine evident einseitige Lastenverteilung darstellt, die auch bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der Vereinbarung nicht hinnehmbar ist. Die Ausübungskontrolle stellt damit auf den Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe ab. Im Ergebnis wird ebenjene Rechtsfolge angeordnet, die den berechtigten Belangen der Eheleute am besten Rechnung trägt (vgl. Budzikiewicz in: Jauernig, BGB, §§ 1408, 1409 Rz. 14 f. BGB).

     

    2.3 Abfindungsregelungen als Ausgleich für Verzicht bzw. als Ausgleich für nachteilige Lastenverteilung

    Aufgrund des Gebots, dass eine einseitige Lastenverteilung in Eheverträgen nicht vorgenommen werden darf, spielen finanzielle Ausgleichszahlungen eine wichtige Rolle, um die zivilrechtliche Wirksamkeit der Abweichung von den gesetzlichen Regelungen zu sichern. Diese finanziellen Ausgleiche sind insbesondere dann wichtig, wenn sich die Vermögens- und Einkommenssituation der Ehegatten unterscheidet ‒ bspw. aufgrund von Kindererziehungszeiten. Ein etwaiger Verzicht auf die Scheidungsfolgen zum „Nulltarif“ ist im Wesentlichen kaum mehr möglich.

    3. Steuerliche Aspekte

    3.1 Zuwendungen zwischen Ehegatten

    Der steuerliche Schenkungsbegriff des § 7 Abs. 1 ErbStG unterscheidet sich vom zivilrechtlichen Schenkungsbegriff des § 516 BGB darin, dass eine Einigung zwischen Schenker und Beschenktem über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung nicht erforderlich ist. Insoweit sieht § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG jede freigebige Zuwendung als Schenkung an, wobei sie unentgeltlich zu erfolgen hat und den Empfänger objektiv auf Kosten des Zuwendenden bereichern muss. Im Übrigen muss der Zuwendende die Unentgeltlichkeit auch subjektiv gewollt haben (Erbschaftsteuer-Richtlinie R E 7.1 Abs. 1).

     

    Diesem weiten Schenkungsbegriff folgend sind unbenannte ehebedingte Zuwendungen auch dann schenkungsteuerlich relevant, wenn sie die vorgenannten Voraussetzungen erfüllen, obwohl es sich zivilrechtlich ‒ aufgrund ihres spezifisch ehebezogenen Charakters ‒ nicht um Schenkungen handelt. In der Folge kann die nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erforderliche objektive Unentgeltlichkeit der Leistung nicht allein deswegen verneint werden, weil der unbenannten Zuwendung besondere ehebezogene Motive zugrunde liegen ‒ wie z. B. dem „Ausgleich für geleistete Mitarbeit“ des bedachten Ehegatten oder dessen „angemessener Beteiligung an den Früchten des ehelichen Zusammenwirkens“. Auch auf die Art des zugewendeten Vermögens und die Angemessenheit der Zuwendung kommt es grundsätzlich nicht an (Erbschaftsteuer-Richtlinie R E 7.2).

     

    3.2 Der Zugewinnausgleich in der Erbschaft- und Schenkungsteuer

    § 5 ErbStG regelt, dass der Ausgleich des Zugewinns im Falle der Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten (Abs. 1) oder durch eine andere Beendigung der Zugewinngemeinschaft (Abs. 2) nicht der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterliegt. Dies gilt nach § 5 Abs. 3 ErbStG ebenfalls für die Beendigung der Wahlzugewinngemeinschaft. Die Beendigung der Zugewinngemeinschaft auf andere Weise als durch den Tod kann auf mehreren Wegen erfolgen. Die Zugewinngemeinschaft kann z. B. durch Scheidung, durch Eheaufhebung oder auch durch eine ehevertragliche Aufhebung der Zugewinngemeinschaft beendet werden (vgl. Budzikiewicz in: Jauernig, BGB, 19. Aufl. 2023, Rn. 1 zu § 1372 BGB).

     

    Zu bewussten Gestaltungen von Vermögensübertragungen zwischen Ehegatten wird die Variante der Beendigung des Güterstandes durch Ehevertrag gewählt, um in einem ersten Schritt zunächst den Güterstand der Gütertrennung zu vereinbaren und anschließend wieder ehevertraglich in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft zurückzukehren. Diese vom BFH anerkannte Gestaltung wird als Güterstandsschaukel bezeichnet (vgl. die Sonderausgabe von Dorn/Stein, Die Güterstandsschaukel im Praxis-Check: So gestalten Sie rechtssicher, iww.de/erbbstg, Abruf-Nr. 49720005; s. auch zu Gestaltungsmöglichkeiten Gölz-Kälberer/Kälberer, ErbBstg 21, 308 ff.).

     

    Nach Ansicht der Finanzverwaltung kann ein Verzicht auf eine entstandene Zugewinnausgleichsforderung schenkungsteuerlich als Schenkung unter Lebenden beurteilt werden und damit sowohl steuerbar als auch ggf. steuerpflichtig sein (Erbschaftsteuer-Richtlinie R E 5.2 Abs. 1 S. 2). Bei einem Verzicht auf die bereits entstandene Forderung gegen eine Abfindung tritt nach Ansicht der Finanzverwaltung nun die Abfindung an die Stelle der Ausgleichsforderung, auf welche verzichtet wurde. Die Abfindung sei in diesem Fall schenkungsteuerfrei (R E 5.2 Abs. 1 S. 3); § 5 Abs. 2 ErbStG ist jedoch nicht anzuwenden, wenn ein Zugewinn ausgeglichen werden soll, ohne dass der Güterstand der Zugewinngemeinschaft aufgehoben wird, da in diesem Fall kein zivilrechtlicher Zugewinnausgleichsanspruch entstanden ist (R E 5.2 Abs. 2).

     

    3.3 Pauschalwertabfindung in der Erbschaft- und Schenkungsteuer

    Abfindungen in Eheverträgen, die einen Ausgleich für Abweichungen von den gesetzlichen Folgen bei der Beendigung der Ehe darstellen, unterliegen einem Spannungsfeld. Denn einerseits sind sie zivilrechtlich notwendig, um die Wirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung zu sichern, andererseits können sie den steuerlichen Regelungen für unentgeltliche Zuwendungen unterliegen. Vor diesem Hintergrund hatte sich der BFH in zwei Entscheidungen aus dem Jahr 2007 mit Abfindungszahlungen in Eheverträgen auseinanderzusetzen:

     

    • Im Fall 1 hatte die spätere Ehefrau teilweise auf nachehelichen Unterhalt verzichtet und mit dem zukünftigen Ehemann eine Unterhaltshöhe verbindlich festgelegt. Als Gegenleistung erhielt sie einen Geldbetrag, der am Tag der Eheschließung fällig geworden ist (BFH 17.10.07, II R 53/05, BStBl II 08, 256).

     

    • Im zweiten Fall hatten die Ehegatten vereinbart, dass der Ehemann den bisher erwirtschafteten Zugewinn an die Ehefrau in zwei Raten mit jeweils festem Fälligkeitsdatum ausgleicht und gleichzeitig der Güterstand der Zugewinngemeinschaft so modifiziert wird, dass im Falle einer Scheidung kein weiterer Ausgleich mehr erfolgen soll sowie im Falle des Todes eines Ehegatten bestimmte Vermögenswerte nicht in den Zugewinnausgleich einbezogen werden (BFH 28.6.07, II R 12/06, BStBl II 07, 785).

     

    In beiden Fällen kam der BFH zu dem Ergebnis, dass die Abfindungszahlungen der Ehemänner an die Ehefrauen freigebige Zuwendungen i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sind. So fehle es in beiden Fällen an einer Gegenleistung der Ehefrauen, da im Zeitpunkt der Fälligkeit der jeweiligen Ausgleichszahlungen von den Ehefrauen auf einen noch nicht entstandenen Anspruch verzichtet wurde. Ob dieser Anspruch irgendwann einmal entstehen würde und in welcher Höhe, war in beiden Fällen ungewiss. Daher waren die Verzichte nach Ansicht des erkennenden Senats nach § 7 Abs. 3 ErbStG auch nicht zu berücksichtigen und somit nicht von der Bereicherung der jeweiligen Ehefrau abzuziehen, da die Gegenleistungen (der Verzicht) nicht in Geld veranschlagt werden konnten.

     

    Beachten Sie | Mit Blick auf die Sachverhaltsgestaltung des Urteils v. 28.6.07 (II R 12/06, BStBl II 07, 785) gilt darauf hinzuweisen, dass durch eine echte Beendigung der Zugewinngemeinschaft anstelle des Ausgleichs, d. h. unter Beibehaltung der Zugewinngemeinschaft, ein für die Steuerpflichtigen besseres Ergebnis durch Anwendung des § 5 Abs. 2 ErbStG erzielt hätte werden können.

     

    3.4 Bedarfswertabfindung in der Erbschaft- und Schenkungsteuer

    Im Jahr 2021 hatte der BFH erneut die Möglichkeit, sich mit Abfindungszahlungen im Zusammenhang mit einem Ehevertrag auseinanderzusetzen. Im Gegensatz zu den im Jahr 2007 entschiedenen Fällen haben die Eheleute im Ehevertrag die Scheidungsfolgen jedoch ohne eine sofortige Zahlung an den verzichtenden Ehegatten geregelt. Es wurde der Ausschluss des Versorgungsausgleichs zugunsten einer Kapitalversicherung mit Rentenwahlrecht vereinbart, der nacheheliche Unterhalt wurde begrenzt, und es wurde Gütertrennung vereinbart. Zudem haben die Eheleute vereinbart, dass der Ehemann der Ehefrau im Falle der Scheidung eine Abfindung zu zahlen hat. Dieser Betrag wurde indexiert auf den Zeitpunkt der Scheidung und sollte nach einer Ehezeit von 15 Jahren voll ausbezahlt und bei einer kürzeren Ehezeit anteilig gekürzt werden (vgl. BFH 1.9.21, II R 40/19, BStBl II 23, 146).

     

    Nach Ansicht des BFH handelte es sich bei der vereinbarten Ausgleichsregelung nicht um eine freigebige Zuwendung des Ehemanns an die Ehefrau, da die Eheleute im Wege eines umfassenden Regelungskonvoluts die Scheidungsfolgen erschöpfend geregelt hätten. Daher könne dieses Gesamtpaket, welches keine pauschale Abfindung ohne Gegenleistung darstellt, sondern in dem die Rechte und Pflichten der Ehegatten durch umfangreiche Modifikationen denkbarer gesetzlicher familienrechtlicher Ansprüche im Falle der Scheidung durch Pauschalisierung neu verteilt sind, nicht in Einzelleistungen aufgeteilt werden. Ein solches Regelungskonvolut sei vielmehr auf einen umfassenden Interessenausgleich ausgerichtet und daher keine Einzelleistung ohne Gegenleistung. Des Weiteren ist auch § 7 Abs. 3 ErbStG nicht anwendbar, da die Zahlungsansprüche aufschiebend bedingt sind und die Ansprüche, auf die verzichtet wird, im Zeitpunkt des Bedingungseintritts (der Scheidung) von einer Anwartschaft zum Vollrecht erstarken und somit bewertbar sind, obwohl eine Bewertung durch die gewählte Pauschalierung nicht notwendig ist (BFH a. a. O.).

     

    Gleichwohl kann sich die Gestaltungsberatung nicht uneingeschränkt auf die Anwendung des BFH-Urteils berufen. So kann bei der Erfüllung von freiwilligen vertraglichen Vereinbarungen weder generell davon ausgegangen werden, dass eine Zahlung im rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung steht, noch, dass der Zuwendende seine Leistung ‒ ggf. mit laienhafter Beurteilung ‒ als entgeltlich ansieht. Leider hat es die Finanzverwaltung versäumt, den vom BFH aufgezeigten Dualismus zwischen Pauschalwert- und Bedarfswertabfindung weiter zu konkretisieren und beschränkt sich stattdessen darauf, das BFH-Urteil nicht über den Einzelfall hinaus anzuwenden.

     

    FAZIT | Jedes Ehepaar wird von höchstpersönlichen Interessen geleitet, was sich nicht zuletzt in der Wahl bzw. Anpassung des Güterstandes niederschlägt. Die Vertragsfreiheit ermöglicht der Gestaltungsberatung dabei sehr weitgehende Änderungen, die erst im Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts oder bei einseitigen Lastenverteilungen etwaige Grenzen erfahren. Dies hat indes zur Folge, dass auch steuerlich nachteilige Regelungen zwischen den Ehegatten wirksam vereinbart werden können. Wird also der Wunsch nach einer ehevertraglichen Regelung geäußert, sind Mandanten über die steuerlichen Folgen einer jeweiligen Gestaltung aufzuklären. Häufig lassen sich dabei ähnliche wirtschaftliche Ergebnisse auf verschiedene Weisen erreichen und dadurch steuerlich optimieren.

     
    Quelle: Ausgabe 07 / 2024 | Seite 157 | ID 50051446

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