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  • · Fachbeitrag · Erbschaftsteuer

    Übergang einer privaten Rentenversicherung

    von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster

    | Beim Abschluss von Lebensversicherungsverträgen ist zu überlegen, wer Versicherungsnehmer und wessen Leben versichert werden soll. Darüber hinaus stellt sich aber auch die Frage, welche erbschaftsteuerlichen Folgen mit der Zahlung der Prämien verbunden sind. Der BFH (18.9.13, II R 29/11, ErbBstg 14, 64 ) hatte sich kürzlich mit dieser Thematik befasst und ist von dem hierzu ergangenen Urteil der Vorinstanz ( FG Düsseldorf 23.3.11, 4 K 2354/08 Erb, siehe Brüggemann, ErbBstg 12, 138 ff.) abgewichen. Das Urteil gibt Anlass zu praxisrelevanten Gestaltungsüberlegungen. |

    1. Versicherungsvertrag und Zahlungsverpflichtung

    In dem vom BFH (18.9.13, II R 29/11, ErbBstg 14, 64, DStR 14, 137) entschiedenen Verfahren ging es um die Frage, welche Folgen bei der teilweisen Rückzahlung des von einem Ehegatten gezahlten Einmalbeitrags für eine vom anderen Ehegatten abgeschlossene Rentenversicherung nach dessen Tod eintreten.

     

    • Beispiel (nach BFH 18.9.13, a.a.O.)

    Die Ehefrau EF (Versicherungsnehmer) schließt im Jahr 03 bei einer Lebensversicherungsgesellschaft (LVG) einen Rentenversicherungsvertrag gegen einen einmaligen Gesamtbeitrag von 150.000 EUR ab. Den Beitrag entrichtet der Ehemann EM. Die Rente soll gezahlt werden, solange EF lebt. Für den Fall, dass EF verstirbt, bevor die gezahlte Rente den Beitrag erreicht, wurde vereinbart, dass die LVG den Unterschiedsbetrag an den Ehemann (EM) zurückzahlt.

     

    EF verstirbt bereits in 06. Sie wird von EM allein beerbt. Er erhält von der LVG den für die Rentenversicherung gezahlten Beitrag abzüglich der gezahlten Renten erstattet. Dieser Betrag errechnete sich mit 126.148 EUR.

     

    1.1 Auffassung der Finanzverwaltung und des FG Düsseldorf

    Nach der zwischenzeitlich überholten R 10 Abs. 2 S. 2 ErbStR 2003 sollte die Steuerpflicht für eine ausgezahlte Lebensversicherungssumme grundsätzlich nicht dadurch entfallen, dass der Bezugsberechtigte die Prämien anstelle des Versicherungsnehmers ganz oder teilweise gezahlt hat. Das FA sowie das FG Düsseldorf (23.3.11, 4 K 2354/08 Erb, siehe Brüggemann, ErbBstg 12, 138 ff.) folgerten daraus, dass bei der Festsetzung der ErbSt der Anspruch auf Prämienrückzahlung von 126.100 EUR als Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG zu erfassen ist und ermittelten für den Erwerb eine ErbSt von (126.100 EUR x 11 % =) 13.871 EUR.

     

    1.2 Geänderte Auffassung der Finanzverwaltung

    Aufgrund eines im Jahr 2008 ergangenen Urteils des BFH (1.7.08, II R 38/07, ErbBstg 08, 253) hat die Finanzverwaltung ihre Auffassung revidiert. Im Streitfall kam der BFH für einen Grundstückserwerb durch einen Nacherben zu dem Ergebnis, dass § 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG beim Nacherben die steuerliche Erfassung von Vermögenswerten ausschließt, die dieser selbst durch Baumaßnahmen auf einem nachlasszugehörigen Grundstück zu Lebzeiten des Vorerben in Erwartung der Nacherbfolge geschaffen hat. Der BFH ging daher davon aus, dass sich die Bereicherung des Nacherben um den Betrag mindert, um den die von ihm durchgeführten Baumaßnahmen den Grundbesitzwert erhöht hatten.

     

    Die Finanzverwaltung hat das Urteil auf Prämienzahlungen für einen Lebensversicherungsvertrag übertragen und darauf zunächst im Erlasswege (Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 23.2.10, BStBl I 10, 194) und sodann in R E 3.7 Abs. 2 S. 2 ErbStR 2011 mit folgender Neuformulierung reagiert: „Hat ein Bezugsberechtigter eines Lebensversicherungsvertrags die Prämien ganz oder teilweise gezahlt, ist die Versicherungsleistung nach dem Verhältnis der vom Versicherungsnehmer/Erblasser gezahlten Versicherungsbeiträge zu den insgesamt gezahlten Versicherungsbeiträgen aufzuteilen, nur dieser Teil unterliegt der Erbschaftsteuer“.

     

    Die Formulierung gibt zwar nicht präzise wieder, welcher Teil der ErbSt unterliegt; gemeint ist aber offenkundig, dass nur der nicht auf eigene Prämienzahlungen beruhende Teil einer Besteuerung unterliegen soll. Hat der Bezugsberechtigte daher alle Prämien selbst gezahlt, besteht keine Erbschaftsteuerpflicht; hat er sie anteilig gezahlt, muss entsprechend aufgeteilt werden. Diese Grundsätze gelten nach R E 3.7 Abs. 2 S. 4 ErbStR 2011 auch, wenn ein Anspruch aus einer noch nicht fälligen Lebensversicherung übertragen wird, bei der der Erwerber die Versicherungsbeiträge bisher ganz oder teilweise gezahlt hat.

     

    1.3 Auffassung des BFH

    Der BFH hat die von der Finanzverwaltung aus dem Urteil vom 1.7.08 (II R 38/07, ErbBstg 08, 253) gezogenen Schlussfolgerungen unter Hinweis auf die finanzgerichtliche Rechtsprechung und die herrschende Meinung im Schrifttum im Nachhinein bestätigt. Auch nach seiner Auffassung kommt es lediglich darauf an, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die versicherte Person oder der Bezugsberechtigte die Versicherungsbeiträge gezahlt hat. Dabei ist es nach Ansicht des BFH ohne Bedeutung, ob der Versicherungsnehmer (hier die EF) im Innenverhältnis zum Prämienzahler (hier der EM) berechtigt sein sollte, über den Rückzahlungsanspruch frei zu verfügen und ihn statt dem Prämienzahler einem beliebigen Dritten zuzuwenden.

     

    PRAXISHINWEIS | Erhält EM somit vereinbarungsgemäß einen Teil des Einmalbeitrags, den er für eine von der EF abgeschlossene Rentenversicherung gezahlt hat, von dem Versicherungsunternehmen erstattet, weil die EF verstorben ist, bevor die geleisteten Rentenzahlungen die Höhe des Einmalbeitrags erreicht haben, unterliegt der Erstattungsbetrag nicht der ErbSt.

     

    Der BFH verweist zur Begründung auf den Erwerb einer Lebensversicherungssumme durch den Bezugsberechtigten. Auch hier geht der BFH davon aus, dass die Lebensversicherungssumme steuerfrei ist, wenn der Bezugsberechtigte die Prämien für den Versicherungsnehmer selbst gezahlt hat. Nichts anderes kann nach Auffassung des BFH für den Fall gelten, dass der von einer dritten Person gezahlte Einmalbeitrag für eine andere Person nach deren Tod teilweise zurückgezahlt wird.

     

    Der BFH betont in diesem Zusammenhang, dass es für die Beurteilung, ob im Falle eines Vertrags zugunsten Dritter die Zuwendung an den Dritten im Verhältnis zum Erblasser alle objektiven und subjektiven Merkmale einer freigebigen Zuwendung aufweist, nicht auf das Deckungsverhältnis zwischen dem Versprechenden (hier LVG) und dem Versprechensempfänger (hier EF), sondern allein auf das Valutaverhältnis zwischen dem Versprechensempfänger (EF) und dem Dritten (EM) ankommt. Der von der LVG mit der EF vereinbarte Anspruch des EM auf Rückzahlung des von ihm entrichteten Beitrags abzüglich der gezahlten Renten erfüllt daher nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Es fehlt hinsichtlich des durch den (vorzeitigen) Tod der EF aufschiebend bedingten Rückzahlungsanspruchs an der erforderlichen Vermögensverschiebung zwischen EF und EM. Entscheidend hierfür ist, dass nicht EF, sondern EM den Versicherungsbeitrag gezahlt hat.

    2. Beurteilung der Einzahlung in den Versicherungsvertrag

    Nicht zu befassen hatte sich der BFH mit der Frage, ob die zuvor im Jahr 03 geleistete Einmalzahlung des Betrags von 150.000 EUR durch den Ehemann an die Versicherungsgesellschaft eine Schenkung begründet. Wenn eine andere Person - wobei es sich um die versicherte Person oder einen Dritten handeln kann - die Prämien zahlt oder dem Versicherungsnehmer die dafür benötigten Mittel zur Verfügung stellt, können diese Zahlungen als wiederkehrende Kapitalleistungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG oder die Versicherungsleistung als Schenkung auf den Todesfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 ErbStG der Besteuerung unterliegen (Moench/Weinmann, ErbStG, § 3 Rn. 163). Diese Abgrenzung gilt m.E. auch im Falle der Zahlung einer Einmalprämie.

     

    Wenn der BFH für den Fall des (vorzeitigen) Todes der EF von einem aufschiebend bedingten Rückzahlungsanspruch ausgeht und daher eine Vermögensverschiebung zwischen EF und EM ausschließt, könnte dies umgekehrt auch dafür sprechen, dass die Einzahlung einer Einmalprämie noch zu keiner Vermögensverschiebung geführt hat, sondern erst die Versicherungsleistung im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls der Besteuerung unterliegt.

     

    In einem Fall, in dem die laufende Zahlung der Versicherungsprämien regelmäßig und in voller Höhe von einer Tante an die Nichte als Versicherungsnehmerin entrichtet wurden, sah der BFH Schenkungen der Prämien und keine mittelbare Schenkung eines Lebens- bzw. Rentenversicherungsanspruchs. Daraus folgt, dass die aus der jeweiligen Zahlung der Versicherungsprämie folgende Werterhöhung des Versicherungsanspruchs kein Zuwendungsgegenstand i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist (BFH 22.10.14, II R 26/13, ErbBstg 15, 33, BStBl II 15, 239). Eine mittelbare Schenkung setzt danach voraus, dass der Beschenkte im Verhältnis zum Schenker nicht über das ihm unmittelbar Zugewendete, sondern (erst) über das Surrogat desselben, z.B. über den Verkaufserlös, verfügen kann; der Beschenkte ist nicht um das unmittelbar Hingegebene, sondern erst um den Verkaufserlös bereichert. Das gilt nach Auffassung des BFH nicht nur für die Fälle der mittelbaren Grundstücksschenkung, sondern generell bei mittelbarer Schenkung aller als Zuwendungsobjekte in Betracht kommenden Gegenstände oder Rechte. Wird durch die unmittelbare Hingabe eines Vermögensgegenstands beim Bedachten mittelbar eine bloße Werterhöhung seines Vermögens bewirkt, verbleibt es bei der Besteuerung der unmittelbaren Zuwendung. Dennoch wäre die Einmalzahlung von 150.000 EUR als Schenkung zu beurteilen.

    3. Versicherungsnehmer ist nicht Bezugsberechtigter

    Anders sind die Fälle zu beurteilen, in denen ein Ehegatte Versicherungsnehmer und der andere Ehegatte Bezugsberechtigter einer Lebensversicherung ist. Hier richtet sich die steuerliche Bemessungsgrundlage der beim Tod des Erblassers ausgezahlten Versicherungsleistung an den Bezugsberechtigten nach dem Wert der Leistung, nicht nach der Summe der vom Erblasser eingezahlten Prämien. Bei einer Kapitalversicherung ist der Nennwert der Versicherungssumme, bei einer Rentenversicherung ihr Kapitalwert Bemessungsgrundlage. Die Besteuerung erfolgt gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG.

     

    PRAXISHINWEIS | Eine Steuerpflicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG entsteht hingegen nicht, wenn ein Versicherungsvertrag auf das Leben einer anderen Person abgeschlossen wurde und bei dessen Tod die Versicherungsleistung an den Versicherungsnehmer, der auch die Prämien entrichtet hat, ausgezahlt wird; insoweit kann auch kein Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vorliegen. Es kann daher empfehlenswert sein, dass derjenige, dessen wirtschaftliche Stellung abgesichert werden soll, als Versicherungsnehmer den Vertrag abschließt und als versichertes Risiko das Leben einer anderen Person - mit deren Zustimmung - wählt. Stirbt die versicherte Person, fällt dem Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung erbschaftsteuerfrei an.

     

    Eine wieder andere Beurteilung ergibt sich, wenn ein Erbe in die Rechtsstellung des Erblassers als Versicherungsnehmer einer noch nicht fälligen Lebensversicherung eintritt. Sind beim Erbfall noch nicht alle vereinbarten Prämien eingezahlt, ist ein Erwerb im Todeszeitpunkt des Erblassers zu besteuern; es ist dann auf das Bezugsrecht abzustellen, über das der Erbe schon vor Fälligkeit des Vertrags verfügen kann. Der Erwerb der Versicherungsleistung beruht dann nämlich auch auf den Leistungen des Erben als Versicherungsnehmer. Bemessungsgrundlage ist in diesem Fall nach § 12 Abs. 4 BewG der Rückkaufswert. Sind die Prämien zur Zeit des Erbfalls hingegen voll eingezahlt, ist davon auszugehen, dass die Besteuerung erst bei der Auszahlung der Versicherung erfolgt (BFH 27.8.03, II R 58/01, BStBl II 03, 921; Moench/Weinmann, ErbStG, § 3 Rn. 161a).

    4. Versorgungsfreibetrag und private Rentenversicherung

    Werden private Rentenversicherungsansprüche erbschaftsteuerpflichtig erworben, kommt es zu keiner Kürzung des Versorgungsfreibetrags gemäß § 17 ErbStG. Eine Kürzung des Versorgungsfreibetrags hat nur zu erfolgen, wenn die Versorgungsbezüge von Ehegatten, Lebenspartnern oder Kindern nicht der ErbSt unterliegen (§ 17 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2 ErbStG), dies sind insbesondere die kraft Gesetzes entstehenden Versorgungsansprüche sowie vergleichbare Versorgungsansprüche (R E 3.5 sowie R E 17 ErbStR 2011).

    Quelle: Ausgabe 07 / 2015 | Seite 153 | ID 42911983