· Fachbeitrag · Grundstücksübertragungen
Leerstands-Modell ‒ sendet der BFH dunkle Wolken über die Gestaltung?
von Dr. Thomas Stein, Ulm und Dr. Katrin Dorn, München
| Das sogenannte Leerstands-Modell (auch bekannt als Sylter-Modell) erfreut sich in der Praxis einiger Beliebtheit. Schließlich ließ sich bislang auf diese Weise nicht zu eigenen betrieblichen Zwecken genutzter Grundbesitz im Rahmen eines betrieblichen Vermögens oder einer Kapitalgesellschaft gemäß §§ 13a, b ErbStG steuerbefreit übertragen. Verschiedentlich wurde von positiven verbindlichen Auskünften zu dieser Gestaltung berichtet, doch nun ziehen dunkle Wolken auf. Aus der aktuellen Rechtsprechung des BFH könnte sich ein Ende dieses Gestaltungsmodells andeuten. |
1. Hintergrund und Ausgestaltung im Leerstands-Modell
Nach den allgemeinen Regeln zur Steuerbefreiung betrieblicher Vermögenswerte und von Kapitalgesellschaftsanteilen nach §§ 13a, b ErbStG können entsprechende Vermögenswerte vorbehaltlich des Verwaltungsvermögenstests steuerbefreit übertragen werden. Einen wesentlichen Ausschlussgrund der Steuerbefreiung regelt dabei § 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG, indem Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Grundstücksteile und grundstücksgleiche Rechte und Bauten als Verwaltungsvermögen eingestuft werden.
MERKE | Für Grundbesitz im Betriebsvermögen bzw. im Vermögen einer Gesellschaft, der nicht zur eigenbetrieblichen Nutzung bestimmt ist, lässt sich auch über die Rückausnahmen von der Verwaltungsvermögensbestimmung gemäß § 13b Abs. 4 Nr. 1 S. 2 ErbStG hinaus in der Regel keine Begünstigung nach den §§ 13a, b ErbStG erreichen. Zu denken ist hier an die Ausnahmen für Wohnungsunternehmen, Betriebsaufspaltungen, Nutzungsüberlassungen im Konzern etc. |
Beachten Sie | Mit Urteil vom 28.2.24 (II R 27/21, Abruf-Nr. 242235) hat der BFH jüngst entschieden, dass im Rahmen eines Parkhausbetriebs Dritten zur Nutzung überlassene Parkplätze erbschaftsteuerlich nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen darstellen, und damit auch der Auffassung der Finanzverwaltung widersprochen, die in Ausnahmefällen für den vergleichbaren Fall der Beherbergungsbetriebe bislang eine Begünstigung gewährte (vgl. R E 13b.13 S. 3 ErbStR). In diesem Zusammenhang hat der BFH klargestellt, dass die Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens in § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 5 ErbStG abschließend aufgezählt sind und maßgebend für die Einordnung von Wirtschaftsgütern als Verwaltungsvermögen die Verhältnisse am Stichtag der Entstehung der Steuer nach § 9 Abs. 1 ErbStG sind.
Eine Ausnahme für die Nutzungsüberlassung im Rahmen einer Gewerblichkeit hat der Gesetzgeber auch nicht in § 13b Abs. 4 S. 1 Nr. 1 S. 2 ErbStG vorgesehen. Zudem wird nicht zwischen kurzfristiger und langfristiger Überlassung differenziert (Anm. Kugelmüller-Pugh, DStR 24, 1490). Die Finanzverwaltung hält an R E 13b.13 S. 3 ErbStR fest (vgl. GLE vom 19.11.24). Damit qualifiziert sie Grundstücke, die von Beherbergungsbetrieben genutzt werden, weiterhin nicht als Verwaltungsvermögen. Darüber hinaus wendet die Finanzverwaltung das Urteil jedoch auch auf Fälle an, in denen der Betrieb des Parkhauses nicht verpachtet ist. Für Betreiber von Hotels, Campingplätzen etc. erst einmal gute Nachrichten, auch wenn eine gesetzliche Anpassung gleichwohl notwendig erscheint.
An diese Bestandsaufnahme sowie an das Grundprinzip der Stichtagsbezogenheit der Bestimmung des Verwaltungsvermögens knüpft das Leerstands-Modell an. Die Gestaltung des Leerstands-Modells basiert darauf, Schenkungen zu Zeitpunkten umzusetzen, in denen im Betriebsvermögen bzw. dem Vermögen einer GmbH befindlicher Grundbesitz nicht vermietet ist. Hierfür kommen z. B. Zeiträume zwischen der Beendigung eines Mietvertrags und dem Abschluss eines neuen Mietvertrags in Betracht. Gleiches gilt für Leerstandszeiten nach Grundbesitzerwerb und vor der Vermietung des Grundbesitzes an einen fremden Dritten.
MERKE | Dabei knüpft das Leerstands-Modell an den Wortlaut des § 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG an, der auf „Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten“ abstellt. Bei enger Wortlautauslegung ist eine Vermietung an fremde Dritte am Schenkungsstichtag erforderlich. Liegt für Gebäude ein Leerstand ‒ ggf. auch ein teilweiser Leerstand ‒ vor, wird das Tatbestandsmerkmal des „Überlassens von Grundbesitz“ insoweit nicht erfüllt. |
Einem zweckbezogenen Verständnis der Vermietung an fremde Dritte wird von Befürwortern des Leerstands-Modells im Hinblick auf die Stichtagsbetrachtung der Verwaltungsvermögensprüfung eine Absage erteilt. Ein Zweckbezug stellt nicht auf die konkrete Vermietung ab, sondern erfragt die Intention, ob die Immobilie dem Zweck der Vermietung an Dritte dient. Ein solches zweckbezogenes Verständnis kennt das Erbschaftsteuergesetz an anderer Stelle, etwa bei § 13d Abs. 3 ErbStG. So kommt es bei § 13d Abs. 3 ErbStG nicht darauf an, ob der jeweilige Grundbesitz am Zuwendungsstichtag zu Wohnzwecken vermietet ist. Vielmehr genügt, dass solcher Grundbesitz dazu bestimmt ist, zu Wohnzwecken vermietet zu sein. Folglich findet § 13d Abs. 3 ErbStG auch Anwendung, wenn der übertragene Grundbesitz am Schenkungsstichtag leer steht.
Die Abgrenzung der Würdigung des Leerstands-Modells durch die Befürworter des Modells zu § 13d Abs. 3 ErbStG erfolgt letztlich nicht über die Wortlautauslegung, sondern im Wege der systematischen Auslegung, wonach die stichtagsbezogene Prüfung gerade für das Verwaltungsvermögen gilt.
Beachten Sie | Eine gewisse Absicherung hat die Gestaltung dadurch erfahren, dass ein Rechtsstreit seinerzeit für erledigt erklärt wurde mit der Konsequenz der Gewährung der Steuerbefreiung nach den §§ 13 a, b ErbStG. Durch die Verfahrensbeendigung im Rahmen einer Erledigungserklärung ist der Fall aber nicht veröffentlicht, sodass keine Referenzierung möglich ist. Dem Fall lag (offenbar) eine Konstellation des Immobilienleerstands im Betriebsvermögen zugrunde.
2. Neue Entwicklungen in der BFH-Rechtsprechung
Wenngleich der II. Senat des BFH nicht an der grundsätzlichen Stichtagsbezogenheit der Verwaltungsvermögensprüfung rüttelt, lassen die Urteilsgründe des sog. Parkhaus-Urteils bei näherer Betrachtung dennoch aufhorchen. In der Entscheidung vom 28.2.24 (II R 27/21, BFH/NV 24, 995) versagte der II. Senat einem gewerblichen Parkhausbetrieb die Steuerbefreiung gemäß den §§ 13a, b ErbStG, da die Nutzungsüberlassung im Rahmen eines Parkhausbetriebs als Verwaltungsvermögen durch Vermietung von Grundbesitz an fremde Dritte eingeordnet wurde.
Nach der Sachverhaltsermittlung des erstinstanzlich entscheidenden FG Köln (10.6.21, 7 K 2718/20, EFG 21, 1831), die für den BFH als Revisionsinstanz bindend ist, wurde zwar festgestellt, dass die Öffnungszeiten des Parkhauses 24 Stunden betrugen und dass das Parkhaus am Übertragungstag (= Todestag) geöffnet hatte. Weitere Erhebungen zur Vermietung sämtlicher Stellplätze im Parkhaus wurden seitens des Finanzgerichts ausweislich des Urteilssachverhalts aber nicht getroffen.
Auf Basis dieses Sachverhalts urteilte der II. Senat sodann und bejahte das Vorliegen von Verwaltungsvermögen. Dies wiederum legt den Schluss nahe, dass es dem II. BFH-Senat nicht darauf ankam, ob der jeweilige Stellplatz am Zuwendungsstichtag vermietet war oder nicht. Vielmehr muss es dem II. Senat genügt haben, dass eine abstrakte Anlage zur Nutzungsüberlassung der Stellflächen an fremde Dritte gegeben war.
Andernfalls hätte der II. Senat den Fall zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Finanzgericht zurückverweisen müssen. So hätte aufgeklärt werden können, ob am Zuwendungsstichtag tatsächlich jeder einzelne Stellplatz vermietet war. Denn es könnte sich am Zuwendungsstichtag um einen Tag mit weniger Betrieb und daher geringerer Parkhausauslastung gehandelt haben, sodass ein teilweiser Leerstand bestanden hätte. Ebenso wären Reparaturen in Teilbereichen des Parkhauses denkbar gewesen mit der Folge der Nichtvermietbarkeit einzelner Stellplätze. Überdies kennen viele Parkgaragen Zonen für Dauermietverhältnisse über Stellplätze. In diesen Dauerparkerzonen ist es ebenfalls denkbar, das am Stichtag einzelne Stellplätze nicht vermietet waren.
Diese weitere Aufklärung des Sachverhalts erfolgte nicht und wurde vom II. Senat offenbar auch nicht für erforderlich erachtet. Hieraus mag wiederum gefolgert werden, dass für die Begründung von Verwaltungsvermögen durch Überlassung von Grundbesitz an fremde Dritte nicht die tatsächliche Überlassung im Zuwendungszeitpunkt entscheidend ist, sondern die generelle Ausrichtung auf eine Grundbesitzüberlassung an fremde Dritte.
Sicherlich kann aus der Entscheidung II R 27/21 allenfalls eine gewisse Tendenz des II. Senats herausgelesen werden. Schließlich ist bei einem Parkhausbetrieb eine tatsächliche Feststellung, welche Stellplätze am Stichtag vermietet waren, häufig im Nachhinein nicht mehr möglich. Zudem wurde im Sachverhalt gerade festgestellt, dass das Parkhaus am Stichtag geöffnet war, sodass grundsätzlich eine Überlassungsmöglichkeit an fremde Dritte bestanden hatte. Der II. Senat hatte daher gerade nicht über einen Fall zu entscheiden, in dem sicher keine Nutzungsüberlassung an fremde Dritte erfolgte.
Beachten Sie | Überdies ist bei der Würdigung dieser Entscheidung noch zu bedenken, dass der Fall auf einer Betriebsverpachtung im Ganzen mit einer inzidenten Verwaltungsvermögensprüfung beruhte, mithin also nicht den Regelfall der Bestimmung des Verwaltungsvermögens im Rahmen des Betriebsvermögens oder des Vermögens von Kapitalgesellschaften betraf.
3. Ausblick
Konstellationen, in denen die Übertragung von Vermögenswerten im Rahmen des Leerstands-Modells angedacht wird, sollten im Hinblick auf diese etwaigen Tendenzen in der Rechtsprechung eher zeitnah umgesetzt werden, möglichst abgesichert durch entsprechende verbindliche Auskünfte der Finanzverwaltung.
Allerdings ist von Vertretern der Finanzverwaltung teils zu vernehmen, dass die Finanzverwaltung über die Gestaltung des Leerstands-Modells unglücklich ist. Offenbar gibt es Tendenzen, kommende Fälle, die auf dieser Gestaltung beruhen, finanzgerichtlich überprüfen zu lassen und die Revision zum BFH herbeizuführen. Die hinter dem Leerstands-Modell stehende Rechtsfrage wird dabei als wesentlich eingestuft. Demzufolge dürfte allen Konstellationen des Leerstands-Modells eine eher unruhige Prüfung durch die Finanzämter bevorstehen, sofern diese noch nicht bestandskräftig beschieden sind.
Neben den Konstellationen, in denen die Gestaltung des Leerstands-Modells bewusst gewählt worden ist, sind selbstverständlich auch Sachverhalte anzutreffen, die zufälligerweise die Voraussetzungen des Leerstands-Modells erfüllen ‒ bei denen also im Betriebsvermögen befindlicher Grundbesitz zwar zur Vermietung an fremde Dritte bestimmt war, am Stichtag allerdings nicht vermietet oder verpachtet wurde. In diesen Konstellationen sollte im Steuerdeklarationsweg weiterhin auf eine Steuerbefreiung dieses Grundbesitzes nach §§ 13a, b ErbStG hingearbeitet werden. Dies gilt natürlich auch dann, wenn grundsätzlich keine Vermietung angedacht war, weil dann eine Inanspruchnahme der Begünstigung auch für Grundstücke unstrittig ist, solange keine gesetzliche Anpassung erfolgt.