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  • · Fachbeitrag · Postmortale Korrekturen

    Ausschlagung eines Erbteils oder Vermächtnisses durch den Ehegatten bei Zugewinngemeinschaft

    von RA StB Dipl.-Finanzwirt (FH) Dr. Hellmut Götz, FA StR, BDO AG, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Freiburg i. Br.

    | Haben Ehegatten erst Jahre nach der Eheschließung zum gesetzlichen Güterstand gewechselt, und tritt kurze Zeit später der Erbfall ein, kann es aus erbschaftsteuerlicher Sicht vorteilhafter sein, wenn der überlebende Ehegatte eine Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis ausschlägt. Dies zeigt der folgende Beitrag anhand eines Beispiels auf. |

    1. Ausschlagung eines Erbteils durch den Ehegatten

    Der überlebende Ehegatte einer Zugewinngemeinschaft behält auch nach der Ausschlagung des Erbteils seinen Pflichtteilsanspruch (§ 2303 Abs. 2 S. 2 BGB, § 1371 Abs. 2 und 3 HS. 1 BGB) und kann daneben den Zugewinnausgleich (§ 1371 Abs. 2 HS. 1 BGB) geltend machen.

     

    Während die Ausschlagung eines Erbteils durch den Ehegatten an Fristen gebunden ist und daher in der Praxis selten in Betracht kommen dürfte, führt die - fristfreie - Ausschlagung eines Vermächtnisses zum gleichen Ergebnis, nämlich dass der Ehegatte ebenfalls neben dem Pflichtteilsanspruch auch den Zugewinnausgleichsanspruch geltend machen kann.

    2. Ausschlagung eines Vermächtnisses durch den Ehegatten

    Im Unterschied zur Ausschlagung eines Erbteils bedarf die Ausschlagung eines Vermächtnisses nur einer formlosen Erklärung gegenüber dem mit dem Vermächtnis Beschwerten (§ 2180 Abs. 2 BGB); eine Frist sieht das Gesetz hierfür nicht vor. Die Wirkung der Ausschlagung eines nur als Vermächtnisnehmer eingesetzten Ehegatten ist, dass er ebenfalls neben dem Pflichtteilsanspruch auch den Zugewinnausgleichsanspruch geltend machen kann.

    3. Steuerliche Folgen beim Erben

    Die zivilrechtlich ermittelte und tatsächlich geltend gemachte Zugewinnausgleichsforderung des überlebenden Ehegatten stellt beim Erben in nämlicher Höhe eine nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähige Erblasserschuld dar (BFH 1.7.08, ZEV 08, 549; Jüptner in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 2012, § 10 Rn. 146). Für die erbschaftsteuerliche Beurteilung ist es unbeachtlich, dass es zu der Geltendmachung der Zugewinnausgleichsforderung erst aufgrund der Ausschlagung kommt.

     

    Wie sind die steuerlichen Folgen beim überlebenden Ehegatten? Für Ehegatten, die im gesetzlichen Güterstand leben, enthält § 5 ErbStG in zwei Absätzen geregelt, besondere Entlastungen, die neben den persönlichen Freibetrag und den Versorgungsfreibetrag treten.

     

    § 5 Abs. 1 ErbStG erfasst die Fälle der Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch Tod, bei denen der überlebende Ehegatte Erbe oder Vermächtnisnehmer wird. Der Zugewinn ist, da er zivilrechtlich nicht ermittelt ist, fiktiv zu ermitteln und dieser Betrag bleibt steuerfrei, wird also quasi wie ein zusätzlicher Freibetrag abgezogen. Etwaige ehevertragliche Modifikationen hinsichtlich der Berechnung des Zugewinns sind bei der fiktiven Ermittlung des Zugewinns nicht zu berücksichtigen.

     

    § 5 Abs. 2 ErbStG regelt demgegenüber die Fälle, bei denen der überlebende Ehegatte trotz bestehender Zugewinngemeinschaft nicht Erbe und auch nicht Vermächtnisnehmer wird. Der Zugewinnausgleichsanspruch wird in diesen Fällen zivilrechtlich ermittelt; das Erbschaftsteuerrecht übernimmt diesen Wert und stellt ihn in nämlicher Höhe steuerfrei. Sofern ehevertragliche Modifikationen hinsichtlich der Berechnung des Zugewinns bestehen, sind diese auch erbschaftsteuerlich zu beachten.

    4. Ehegatte wird kein Erbe und kein Vermächtnisnehmer

    Wichtig für die Gestaltungsberatung ist, dass es nach § 5 Abs. 2 ErbStG nicht nur dann zu einer Steuerfreistellung der zivilrechtlich geltend gemachten Zugewinnausgleichsforderung beim überlebenden Ehegatten kommt, wenn der überlebende Ehegatte weder Erbe noch Vermächtnisnehmer wird. Vielmehr wird diese Steuerfreistellung auch in den Fällen der Ausschlagung der Erbeinsetzung oder des Vermächtnisses erreicht. Die Ausschlagung eröffnet demnach die Anwendung des § 5 Abs. 2 ErbStG.

     

    Der nach § 5 Abs. 2 ErbStG steuerfrei bleibende Betrag ist mit dem Betrag identisch, der zivilrechtlich als Zugewinnausgleichsforderung beansprucht werden kann. Vorteilhaft an der Anwendung des § 5 Abs. 2 ErbStG ist, dass sämtliche in den § 5 Abs. 1 S. 2 bis 5 ErbStG enthaltenen Beschränkungen nicht gelten. Positiv ausgedrückt: Alle ehevertraglichen Modifikationen hinsichtlich der Berechnung des Zugewinns sind bei Anwendung des § 5 Abs. 2 ErbStG auch erbschaftsteuerlich zu beachten (Götz in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 2011, § 5 Rn. 60).

     

    Würde der überlebende Ehegatte einer Zugewinngemeinschaft das zugewandte Vermächtnis oder die Erbeinsetzung nicht ausschlagen, sondern das Vermächtnis oder die Erbeinsetzung annehmen, käme er zwar ebenfalls in den Genuss einer Steuerfreistellung nach § 5 ErbStG. Allerdings ist in diesen Fällen § 5 Abs. 1 ErbStG anzuwenden und damit sind ehevertragliche Modifikationen erbschaftsteuerlich nach § 5 Abs. 1 S. 2 bis 4 ErbStG nicht zu beachten (Götz in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 2011, § 5 Rn. 44.).

     

    Im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 ErbStG wird - lediglich für steuerliche Zwecke und damit fiktiv - eine güterrechtliche Ausgleichsforderung losgelöst von etwaigen ehevertraglichen Modifikationen ermittelt, die der überlebende Ehegatte dann von seinem Erwerb (Vermächtnis oder Erbeinsetzung) wie einen zusätzlichen persönlichen Freibetrag abziehen kann (Götz in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 2011, § 5 Rn. 23).

     

    Eine Ausschlagung kann also insbesondere in folgenden Fällen erbschaftsteuerlich vorteilhaft sein, weil dann § 5 Abs. 2 ErbStG gilt:

     

    Es liegt ein Fall der rückwirkend vereinbarten Zugewinngemeinschaft vor. Im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 ErbStG (erbrechtliche Lösung) gilt für erbschaftsteuerliche Zwecke der Tag des Ehevertragsabschlusses als relevanter Zeitpunkt, auf den das Anfangsvermögen der Ehegatten zu bestimmen ist (§ Abs. 1 S. 4 ErbStG).

     

    Sind seit dem Ehevertragsabschluss nur wenige Jahre vergangen, ist der Zugewinnausgleichsanspruch meist niedrig. Um beim Anfangsvermögen auf den länger zurückliegenden Tag der Eheschließung - und nicht den Tag des Ehevertrags - abzustellen und so eine höhere Steuerfreistellung erhalten zu können, muss der überlebende Ehegatte das zugewandte Vermächtnis oder die Erbeinsetzung ausschlagen. In diesem Fall gilt für die Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung § 5 Abs. 2 ErbStG; damit ist die Rückbeziehung der Zugewinngemeinschaft auf den Tag der Eheschließung auch erbschaftsteuerlich zu beachten, denn eine § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG entsprechende Regelung fehlt in § 5 Abs. 2 ErbStG.

     

    Folge der Ausschlagung und Anwendbarkeit des § 5 Abs. 2 ErbStG ist, dass auch erbschaftsteuerlich das Anfangsvermögen am Tag der Eheschließung relevant ist, was regelmäßig eine erheblich höhere Zugewinnausgleichsforderung des überlebenden Ehegatten und damit einen höheren Freistellungsbetrag bewirkt.

     

    • Beispiel 1

    Die Eheleute M und F haben 1975 die Ehe geschlossen. Ende 2010 wechseln sie durch Ehevertrag in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft, wobei im Ehevertrag eine Rückbeziehung des Beginns der Zugewinngemeinschaft für Zwecke der Ermittlung der Ausgleichsforderung auf den Beginn der Ehe vereinbart wurde.

     

    M verstirbt unerwartet bereits Anfang 2011. Ein Testament ist nicht vorhanden. Gesetzliche Erben sind F und Tochter T (30 Jahre alt) zu je ½. Der Nachlass beträgt 6 Mio. EUR, wobei der von M seit Eheschließung erzielte Zugewinn 6 Mio. EUR beträgt. Zwischen Ehevertragsschluss Ende 2010 und dem Erbfall Anfang 2011 ist hingegen ein Zugewinn nicht feststellbar.

     

    Besteuerung der Witwe F

    Nachlasswert (1/2)

    3.000.000 EUR

    ./. Versorgungs-Freibetrag (§ 17 Abs. 1 S. 1 ErbStG)

    - 256.000 EUR

    ./. persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG)

    - 500.000 EUR

    steuerpflichtiger Erwerb

    2.244.000 EUR

    Steuersatz in Steuerklasse I 19 %

    festgesetzte Steuer 2011

    426.360 EUR

     

    Besteuerung der Tochter T

    Nachlasswert (1/2)

    3.000.000 EUR

    ./. persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG)

    - 400.000 EUR

    steuerpflichtiger Erwerb

    2.600.000 EUR

    Steuersatz in Steuerklasse I: 19 %

    festgesetzte Steuer 2011

    494.000 EUR

    Gesamtsteuerlast

    920.360 EUR

     

    Die hohe Gesamtsteuerlast resultiert daraus, dass kein Abzugsbetrag nach § 5 Abs. 1 ErbStG anzusetzen ist, weil vorgabegemäß ein Zugewinn seit Ehevertragsabschluss in 2010 bis zum Erbfall 2011 nicht erzielt wurde. Der seinerzeitige Versuch, durch den Wechsel hin zur Zugewinngemeinschaft die spätere Erbschaftsteuerlast zu senken, ist wegen der gesetzlichen Anordnung in § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG gescheitert, weil für die Höhe des Abzugsbetrags nur der seit Vertragsschluss erzielte Zugewinn relevant ist.

     

    Das vom Gesetzgeber bereits zum 1.1.94 eingeführte Rückwirkungsverbot sollte Gestaltungen verhindern, bei denen Ehegatten durch Abschluss eines Ehevertrags nachträglich einen Abzugsbetrag i.S. des § 5 Abs. 1 ErbStG begründeten. Wie die folgende Abwandlung zeigt, kann das Rückwirkungsverbot aber noch postmortal umgangen werden.

     

    • Beispiel 2 (Abwandlung Beispiel 1)

    Die Witwe F schlägt aus und erhält von ihrer Tochter T, der Alleinerbin, neben dem Zugewinnausgleich in Höhe von 3 Mio. EUR noch den sogenannten kleinen Pflichtteil von 375.000 EUR.

     

    Besteuerung der Witwe F 

    Erwerb gesamt

    3.375.000 EUR

    ./. Abzugsbetrag (§ 5 Abs. 2 ErbStG)

    - 3.000.000 EUR

    Versorgungs-Freibetrag (§ 17 Abs. 1 S. 1 ErbStG)

    - 256.000 EUR

    ./. persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG)

    - 500.000 EUR

    steuerpflichtiger Erwerb

    0 EUR

    festgesetzte Steuer 2011

    0 EUR

     

     

    Besteuerung der Alleinerbin T 

    Nachlasswert:

    6.000.000 EUR

    ./. (Zugewinnausgleich + Pflichtteilsanspruch der F)

    - 3.375.000 EUR

    Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG)

    - 400.000 EUR

    steuerpflichtiger Erwerb

    2.225.000 EUR

    Steuersatz in Steuerklasse I: 19 %

    festgesetzte Steuer 2011

    422.750 EUR

    Gesamtsteuerlast

    422.750 EUR

     

    Der Vorteil infolge der Ausschlagung beträgt 497.610 EUR. Grund hierfür ist zwar auch, dass die Steuerlast der Tochter T infolge der Ausschlagung durch ihre Mutter geringfügig gesunken ist, da T statt 3 Mio. EUR nur noch 2.625.000 EUR versteuern muss. Denn sie muss an F infolge der Ausschlagung zusätzlich den kleinen Pflichtteil und damit 375.000 EUR mehr herausgeben. Entscheidend für die hohe Steuerlastsenkung ist jedoch die Berücksichtigung des Zugewinnausgleichsanspruchs als Abzugsbetrag gemäß § 5 Abs. 2 ErbStG.

     

    PRAXISHINWEIS | Soll der ausschlagende Ehegatte nicht mehr erhalten als in der Variante ohne Ausschlagung, kann der ausschlagende Ehegatte auf die Geltendmachung des kleinen Pflichtteils (hier: 375.000 EUR) verzichten, ohne dass dies erbschaftsteuerliche Folgen hat. Denn der Verzicht auf die Geltendmachung ist nicht schenkungsteuerbar (§ 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG; Wälzholz in Viskorf, ErbStG, § 3 ErbStG Rn. 144).

     

    5. Weitere Fälle einer sinnvollen Ausschlagung

    Eine Ausschlagung kann, um in den Anwendungsbereich von § 5 Abs. 2 ErbStG zu kommen, weiterhin in folgenden Fällen erbschaftsteuerlich vorteilhaft sein:

     

    Die Ehegatten haben in einem die Zugewinngemeinschaft modifizierenden Ehevertrag güterrechtliche Vereinbarungen getroffen, die von den §§ 1373 bis 1383 BGB, § 1390 BGB abweichen. Diese Modifikationen - z.B. bezüglich der Wertermittlung des Anfangs- oder Endvermögens nach § 1376 BGB - sind bei der Berechnung des Zugewinns nur im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 ErbStG - also im Ausschlagungsfall - erbschaftsteuerlich zu beachten. Bei der erbrechtlichen Lösung (§ 5 Abs. 1 ErbStG) sind sie bei der fiktiven Ermittlung des Zugewinns wegen des ausdrücklichen Verbots in § 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG nicht zu beachten und senken so den Freistellungsbetrag.

     

    Gemäß § 5 Abs. 1 S. 3 ErbStG findet bei der erbrechtlichen Lösung (§ 5 Abs. 1 ErbStG) die Regelung des § 1377 Abs. 3 BGB für erbschaftsteuerliche Zwecke keine Anwendung. Dies bedeutet, dass sich der überlebende Ehegatte nicht auf die dort enthaltene gesetzliche Vermutung berufen kann, wonach im Zweifel das Endvermögen dem Zugewinn entspricht. Vielmehr ist ungeachtet etwaiger Nachweisprobleme die Höhe des Anfangsvermögens zu ermitteln. Im Falle der Ausschlagung ist § 5 Abs. 1 S. 3 ErbStG hingegen nicht zu beachten, da hier § 5 Abs. 2 ErbStG gilt und damit die zivilrechtlich geltenden Vorschriften auch erbschaftsteuerlich anzuwenden sind.

     

    PRAXISHINWEIS | Im Ergebnis ist eine Ausschlagung immer dann vorteilhaft, wenn sich bei Annahme der Erbschaft oder des Vermächtnisses und damit der Anwendung des § 5 Abs. 1 ErbStG eine sehr niedrige Steuerbefreiung ergibt und die Entlastung nach § 5 Abs. 2 ErbStG erheblich höher wäre.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2013 | Seite 256 | ID 42269048