· Fachbeitrag · Betriebsvermögen
Betriebsvermögen: Umschichtung in Finanzmittel und Verstoß gegen die Behaltensregelung
von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster
| Mit dem AmtshilfeRLUmsG ist § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 4a ErbStG in das ErbStG eingefügt worden, wonach auch Zahlungsmittel, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und andere Forderungen (Finanzmittel) als Verwaltungsvermögen angesehen werden (Ländererlasse vom 10.10.13, BStBl I 13, 1272, Tz. 2.1). § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 4a ErbStG ist ab dem 7.6.13 anzuwenden (Tz. 7). Nicht geändert worden ist die Behaltensregelung des § 13a Abs. 5 ErbStG. Der folgende Musterfall zeigt, dass sich die Neuregelung des § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 4a ErbStG auch auf die Behaltensregelung auswirkt, wenn Betriebsvermögen in Finanzmittel umgeschichtet wird. |
1. Musterfall
X hat am 25.11.13 von Todes wegen von seinem Vater unter anderem einen in der Rechtsform der D-GmbH & Co. KG (KG) betriebenen Gewerbebetrieb geerbt. Der Vater war alleiniger Kommanditist und hielt zudem sämtliche Anteile an der Komplementär-GmbH. Gegenstand des Gewerbebetriebs ist der Betrieb einer Druckerei. Für Zwecke der ErbSt ist der Wert der KG im vereinfachten Ertragswertverfahren (§§ 199 ff. BewG) auf 3.100.000 EUR festgestellt und dem X die Regelverschonung von 85 % gemäß § 13a Abs. 1 ErbStG, § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gewährt worden. Der Stand der Finanzmittel i.S. des § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 4a ErbStG - also nach Abzug der Verbindlichkeiten und des Freibetrags von 20 % - betrug im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer 124.000 EUR.
X hat beschlossen, eine für die aktuelle Ausrichtung des Gewerbebetriebs zwar noch benötigte, aber nicht mehr dem heutigen Stand der Technik entsprechende Druckmaschine zu verkaufen. Anlässlich einer Geschäftsreise ins Ausland findet er unerwartet einen Kaufinteressenten. Mit Kaufvertrag vom 4.1.14 verkauft er die Maschine für 320.000 EUR. Dies ist auch der gemeine Wert gemäß § 9 BewG. Die Druckmaschine wird bereits am 1.3.14 ausgeliefert. Der Kaufpreis wird der KG am 28.3.14 gutgeschrieben. X legt den Erlös zunächst als Festgeld an, weil er den Erlös als Liquiditätsreserve für das Unternehmen vorhalten und eine dem modernen Stand der Technik entsprechende Druckmaschine bei passender Gelegenheit erwerben will. Im Zeitpunkt der Gutschrift betrug der Stand der Finanzmittel i.S. des § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 4a ErbStG - nach Abzug der Verbindlichkeiten und des Freibetrags von 20 % - ohne den Veräußerungspreis 83.423 EUR.
Entgegen den Vorstellungen des X erwies sich der Neuerwerb einer Maschine als schwierig. Erst im August 2014 erwirbt er mit Kaufvertrag vom 30.8.14 eine für die Zwecke der KG hervorragend geeignete Druckmaschine zum Preis von 630.000 EUR. Die Auslieferung und Inbetriebnahme der Maschine erfolgte am 10.9.14. Die Zahlung des Kaufpreises erfolgte am 1.10.14 unter Verwendung des angelegten Veräußerungserlöses von 320.000 EUR.
Der Steuerberater des X fragt sich, ob er der Finanzverwaltung die Veräußerung der Maschine anzeigen muss und ob sich aus der Veräußerung nachteilige steuerliche Konsequenzen ergeben können.
2. Verstoß gegen die Behaltensregelung
Der Verschonungsabschlag von 85 % fällt nach Maßgabe des § 13a Abs. 5 S. 1 Nr. 1 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der Erwerber innerhalb von fünf Jahren (Behaltensfrist) wesentliche Betriebsgrundlagen eines Gewerbebetriebs veräußert. Gemäß § 13a Abs. 5 S. 2 ErbStG beschränkt sich der Wegfall auf den Teil, der dem Verhältnis der im Zeitpunkt der schädlichen Verfügung verbleibenden Behaltensfrist einschließlich des Jahres, in dem die Verfügung erfolgt, zur gesamten Behaltensfrist entspricht.Ein Verstoß ist daher zunächst zu bejahen, wenn die veräußerte Druckmaschine zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen der D-GmbH & Co. KG gehört hat. Ob ein Wirtschaftsgut eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellt, entscheidet sich nach den Kriterien des Ertragsteuerrechts. Die Finanzverwaltung stellt dabei auf die funktionale Wesentlichkeit des Wirtschaftsguts für den Betrieb ab (R E 13a.6 Abs. 2 S. 3 ErbStG); nicht entscheidend ist also, ob das Wirtschaftsgut hohe stille Reserven enthält.
Wesentliche Grundlagen eines Betriebs sind Wirtschaftsgüter vor allem des Anlagevermögens, die zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sind und ein besonderes wirtschaftliches Gewicht für die Betriebsführung haben (H 15.7 Abs. 5 „Wesentliche Betriebsgrundlage“ EStH). Die Rechtsprechung geht insbesondere bei betrieblich genutzten Grundstücken davon aus, dass es sich um wesentliche Betriebsgrundlagen handelt. Bei Maschinen wie der Druckmaschine kann von einer Wesentlichkeit nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Bei beweglichem Anlage- sowie Umlaufvermögen liegt eine funktionale Wesentlichkeit nicht vor, soweit diese jederzeit kurzfristig wiederbeschaffbar und damit von untergeordneter Bedeutung sind (BFH 7.11.13, X R 21/11, BFH/NV 14, 676). Vorliegend wird unterstellt, dass es sich bei der Druckmaschine um funktional wesentliches Betriebsvermögen handelt, da sie
- zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich ist,
- ein besonderes wirtschaftliches Gewicht für die Betriebsführung hat und
- zudem nicht ohne weiteres eine jederzeitige Wiederbeschaffbarkeit angenommen werden kann.
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Auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung (Zeitpunkt des Erbfalls am 25.11.13) errechnet sich die Steuerverschonung wie folgt:
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Aufgrund des Verstoßes gegen die Behaltensregelung innerhalb des ersten Jahres nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer am 25.11.13 ist grundsätzlich eine Korrektur erforderlich, indem die Maschine beim Wert des begünstigten Vermögens unberücksichtigt bleibt. Dabei stellt sich allerdings die Frage, mit welchem Wert die Maschine abgezogen werden kann. Da die KG nach ihren Ertragsaussichten bewertet worden ist, ist der Wert der Maschine als betriebsnotwendiges Vermögen nicht mit einem eigenständigen Wert ermittelt worden, sondern schlichtweg im Ertragswert des Unternehmens enthalten. Naheliegend - wenn auch nicht zwingend - ist es, den Wert des veräußerten Wirtschaftsguts mit dem gemeinen Wert anzusetzen und dem Wert des Betriebsvermögens gegenüberzustellen, wobei allerdings einzuräumen ist, dass dies zu Verzerrungen führen kann.
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Auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung (Zeitpunkt des Erbfalls am 25.11.13) errechnet sich die Steuerverschonung wie folgt:
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3. Kein Verstoß im Falle einer Reinvestition
Gemäß § 13a Abs. 5 S. 3 und 4 ErbStG ist von einer Nachversteuerung abzusehen, wenn der Veräußerungserlös innerhalb der nach § 13b Abs. 1 ErbStG begünstigten Vermögensart verbleibt. Hiervon ist auszugehen, wenn der Veräußerungserlös innerhalb von sechs Monaten in entsprechendes Vermögen investiert wird, das nicht zum Verwaltungsvermögen i.S. des § 13b Abs. 2 ErbStG gehört.
Daraus leitet R E 13a.11 S. 5 ErbStR 2011 ab, dass ungeachtet der Frist von sechs Monaten eine unschädliche Reinvestition auch vorliegt, wenn damit Liquiditätsreserven, die aber nicht zum Verwaltungsvermögen gehören dürfen, erhöht werden. Die Bildung einer Liquiditätsreserve ist demnach dann unschädlich, wenn damit kein Verwaltungsvermögen geschaffen wird. R E 13a.11 S. 5 ErbStR 2011 verweist hierzu auf R E 13b.17 ErbStR 2011, wonach zwar Wertpapiere und vergleichbare Forderungen, jedoch nicht Festgeldanlagen zum Verwaltungsvermögen gehören. Dies hat sich aber durch das AmtshilfeRLUmsG mit Wirkung vom 7.6.13 geändert. Gemäß § 13b Abs. 2 Nr. 4a ErbStG ist nun auch der gemeine Wert des nach Abzug des gemeinen Werts der Schulden verbleibenden Bestands an Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und anderen Forderungen, soweit er 20 % des anzusetzenden Werts des Betriebsvermögens des Betriebs oder der Gesellschaft übersteigt, als Verwaltungsvermögen anzusehen. Eine den Verstoß gegen die Behaltensregelung vermeidende Reinvestition in Liquiditätsreserven ist damit grundsätzlich nicht mehr möglich, wenn hierdurch Finanzmittel entstehen. Dies ist vorliegend der Fall, da im Zeitpunkt der Gutschrift schon ein Finanzmittelbestand von 83.423 EUR vorhanden war.
PRAXISHINWEIS | Aus § 37 Abs. 8 ErbStG, der den zeitlichen Anwendungsbereich des neuen Rechts regelt, ergibt sich, dass die Neuerungen erst auf Erwerbe ab dem 7.6.13 anzuwenden sind. Ist der Gewerbebetrieb daher vor dem Stichtag durch Schenkung oder von Todes wegen erworben worden, kommt § 13b Abs. 2 Nr. 4a ErbStG nicht zur Anwendung (Tz. 6 und 7), sodass in den Altfällen eine Liquiditätsreserve in Finanzmitteln, die keine Wertpapiere oder vergleichbare Forderungen sind, weiterhin gebildet werden kann. |
Auch nach der neuen Rechtslage sieht die Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen von einer Nachversteuerung allerdings ab, wenn innerhalb der in § 13a Abs. 4 S. 4 ErbStG genannten Frist von sechs Monaten „seit der schädlichen Verwendung“ eine Reinvestition in Vermögen erfolgt, das nicht zum Verwaltungsvermögen gehört.
X hat den Veräußerungserlös wieder in eine Maschine reinvestiert. Fraglich ist allein, ob dies innerhalb der Frist von sechs Monaten geschehen ist. Der Wortlaut des Gesetzes lässt offen, wie die Frist zu berechnen ist. Im Schrifttum wird darauf hingewiesen, dass die Formulierung „hiervon ist auszugehen“ darauf hindeutet, dass es sich nur um eine widerlegbare Vermutung handelt. Kann der Erwerber darlegen, dass sich die Investition aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, verzögert hat, soll auch ein längerer Zeitabstand als sechs Monate nicht nachteilig sein (Moench/Weinmann, ErbStG, § 13a Rn. 147). Auch dann bleibt aber offen, wie Beginn und Ende der Frist zu berechnen sind. Für den Beginn könnte auf den Abschluss des Kaufvertrags über die veräußerte Maschine (4.1.14), auf den wirtschaftlichen Übergang der veräußerten Maschine (1.3.14) oder auf den Erhalt des Kaufpreises (28.3.14) abgestellt werden.
M.E. ist weder auf den Abschluss des Kaufvertrags noch auf den Erhalt des Kaufpreises abzustellen. Maßgebend dürfte vielmehr der wirtschaftliche Übergang der veräußerten Maschine (1.3.14) sein, denn ab diesem Zeitpunkt dient die Maschine nicht mehr dem Unternehmen und wird damit unternehmensschädlich verwendet. Hingegegen sollte für das Ende der Frist bereits auf den Abschluss des Kaufvertrags (30.8.14) abgestellt werden, da bereits hiermit die Reinvestitionsabsicht dokumentiert wird. Wird diese Wertung zugrundegelegt, ist eine Reinvestition innerhalb von 6 Monaten (1.3.14 bis 30.8.14) und somit rechtzeitig erfolgt. Zudem steht einem Verstoß entgegen, dass die Investition sich verzögert hat, weil die neue Maschine nicht sofort verfügbar war. Eine Nachversteuerung hat somit nicht zu erfolgen.
4. Anzeigepflicht
In den Fällen des § 13a Abs. 5 ErbStG ist der Erwerber verpflichtet, dem für die ErbSt zuständigen Finanzamt den entsprechenden Sachverhalt innerhalb einer Frist von einem Monat, nach dem der jeweilige Tatbestand verwirklicht wurde, anzuzeigen. Er muss auch dann die gesetzlich vorgeschriebene Anzeige erstatten, wenn das Verwirklichen eines Nachversteuerungstatbestands letztlich nicht zu einer Änderung der Steuerfestsetzung führt, zum Beispiel weil er die Reinvestitionsklausel eingehalten hat (R E 13a.5 Abs. 1 S. 5 ErbStR 2011). Grund hierfür ist, dass die Anzeige, die eine Steuererklärung i.S. der AO ist (§ 13a Abs. 6 S. 4 ErbStG), der Finanzverwaltung die Möglichkeit geben soll, das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Behaltensregelung zu überprüfen.
Für die Praxis bedeutet dies letztendlich, dass der Finanzmitteltest nicht nur auf den Zeitpunkt des Erwerbs durchzuführen ist, sondern im Falle der Regelverschonung von 85 % innerhalb der Fünfjahresfrist bzw. im Falle der Optionsverschonung von 100 % innerhalb der Siebenjahresfrist erneut durchgeführt werden muss, wenn einer der Tatbestände des § 13a Abs. 5 ErbStG realisiert worden ist oder auch nur realisiert sein könnte.
5. Auswirkungen auf die Cash-Gesellschaft
Die Neuregelung in § 13 Abs. 2 S. 2 Nr. 4a ErbStG hat keine Auswirkungen auf Cash-Gesellschaften, die vor dem 7.6.13 übertragen worden sind. Auch für Cash-Gesellschaften stellt sich aber die Frage, ob eine anschließende Umschichtung von Festgeldern der Cash-Gesellschaft in Verwaltungsvermögen, z.B. in der Form von Aktien als Verstoß gegen die Behaltensregelung zu werten ist (Jorde/Pittelkow, DB 13, 1932; Felten, ErbStB 13, 181; Maak/Römer, DStR 13, 80 m.w.N.).
Aufgrund der Formulierung in § 13a Abs. 5 S. 4 ErbStG, wonach es zur Vermeidung einer Nachversteuerung ausreicht, wenn der Veräußerungserlös innerhalb von sechs Monaten in entsprechendes Vermögen investiert wird, das nicht zum Verwaltungsvermögen i.S. des § 13b Abs. 2 ErbStG gehört, wäre eine solche Wertung nicht auszuschließen. Der Annahme eines Verstoßes gegen die Behaltensregelung könnte allerdings entgegenzuhalten sein, dass es sich auch bei einer Cash-Gesellschaft bei umgeschichteten Festgeldkonten nicht um funktional wesentliche Betriebsgrundlagen handelt. Dies soll nun so auch von der Finanzverwaltung vertreten werden. Eine entsprechende Verfügung oder gleichlautende Erlasse liegen hierzu allerdings nicht vor.
Bei einer Cash-Gesellschaft in der Rechtsform einer GmbH dürfte einer Nachversteuerung zudem entgegenzuhalten sein, dass ein Verstoß gegen die Behaltensregelung schon mangels Verteilung des Vermögens an die Gesellschafter (§ 13a Abs. 5 Nr. 3 und 4 ErbStG) nicht vorliegt.
Weiterführender Hinweise
- Brüggemann, Die Algorithmen des Verwaltungsvermögenstests, ErbBstg 14, 137 ff.
- Brüggemann, Checkliste Verwaltungsvermögen, ErbBstg 14, 144 ff.