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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Gewerbeverlust bleibt GmbH nach Anwachsung trotz Änderung der wirtschaftlichen Tätigkeit erhalten

    von Dipl.-Finw. (FH) Gerrit Uphues, LL. M., Köln

    | Ist der Fortbestand eines bereits bei einer Kapitalgesellschaft festgestellten Gewerbeverlusts, den diese im Wege der Anwachsung von einer Personengesellschaft übernommen hatte, auch bei der Kapitalgesellschaft vom Kriterium der Unternehmensidentität abhängig? Diese Frage war sowohl in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung als auch im Schrifttum bisher umstritten und wurde kontrovers diskutiert. Mit seinem Urteil vom 25.4.24 (III R 30/21, Abruf-Nr. 243610 ) hat der BFH diese Streitfrage nun geklärt. Der folgende Musterfall stellt die jüngste Rechtsentwicklung dar. |

    1. Sachverhalt

    Die A-GmbH war alleinige Kommanditistin der A-GmbH & Co. KG und hielt 100 % der Kapitaleinlage; Komplementärin ohne Kapitaleinlage war die B-GmbH. Für die A-GmbH & Co. KG war zum 31.12.10 ein vortragsfähiger Gewerbeverlust i. H. v. 34.793.699 EUR bestandskräftig festgestellt worden. Im Jahr 2011 wurde die B-GmbH auf die A-GmbH verschmolzen. Die A-GmbH & Co. KG bestand danach als KG nicht mehr fort, ihr Vermögen ging im Wege der Anwachsung auf die A-GmbH als Gesamtrechtsnachfolgerin über (vgl. §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB i. V. m. § 738 BGB a. F., vgl. auch §§ 712, 712a BGB n. F.).

     

    Die A-GmbH führte den übernommenen Betrieb der KG zunächst weiter. In den Feststellungsbescheiden zum vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.11 und den 31.12.12 blieb der von der KG herrührende Verlustbetrag von 34.793.699 EUR auch bei der A-GmbH erhalten. Zum 31.12.12 wurde der vortragsfähige Gewerbeverlust mit 43.554.465 EUR festgestellt.

     

    Im Jahr 2013 veräußerte die A-GmbH im Rahmen eines Asset Deals ihr operatives Geschäft zu Buchwerten an eine andere GmbH. Infolgedessen führte sie nunmehr den früheren Betrieb der A-GmbH & Co. KG nicht mehr weiter.

     

     

    Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 2011 bis 2013 kam der Prüfer zu dem Ergebnis, aufgrund des Asset Deals sowie des damit einhergehenden Wegfalls der Unternehmensidentität seien die auf die A-GmbH übergegangenen und noch nicht genutzten gewerbesteuerlichen Verluste der früheren A-GmbH & Co. KG i. H. v. 34.793.699 EUR weggefallen. Sie könnten durch die A-GmbH insoweit nicht mehr genutzt werden. Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage der A-GmbH statt. Über die Revision des FA hatte nun der BFH zu entscheiden.

    2. Lösung

    2.1 Gewerbeverluste gemäß § 10a GewStG

    Nach § 10a S. 1 GewStG wird der maßgebende Gewerbeertrag bis zu einem Betrag von 1 Mio. EUR um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10 GewStG ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume berücksichtigt worden sind. Der 1 Mio. EUR übersteigende maßgebende Gewerbeertrag ist nach § 10a S. 2 GewStG bis zu 60 % um nicht berücksichtigte Fehlbeträge der vorangegangenen Erhebungszeiträume zu kürzen. Die Höhe der vortragsfähigen Fehlbeträge ist gesondert festzustellen (§ 10a S. 6 GewStG).

     

    MERKE | Vortragsfähige Fehlbeträge sind die nach der Kürzung des maßgebenden Gewerbeertrags nach dem S. 1 und 2 des § 10a GewStG zum Schluss des Erhebungszeitraums verbleibenden Fehlbeträge (§ 10a S. 7 GewStG). Im Fall des § 2 Abs. 5 GewStG kann der andere Unternehmer den maßgebenden Gewerbeertrag nicht um die Fehlbeträge kürzen, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags des übergegangenen Unternehmens ergeben haben (§ 10a S. 8 GewStG).

     

     

    2.2 Die Entscheidung des BFH vom 25.4.24 ‒ III R 30/21

    Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Er sieht keine Grundlage für das vom FA bejahte Entfallen des bei der A-GmbH nach der Anwachsung ununterscheidbar festgestellten Gewerbeverlusts. Eine solche sei weder in § 10a GewStG noch in § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG enthalten. Ebenso wenig war eine Regelung außerhalb des GewStG einschlägig (vgl. im Kontext des § 10a GewStG etwa § 19 Abs. 2 UmwStG, der mangels sachlicher Anwendbarkeit des UmwStG vorliegend keine Anwendung findet). Deshalb habe das FG zu Recht entschieden, dass der von der KG herrührende Gewerbeverlust von 34.793.699 EUR bei der A-GmbH trotz der erfolgten Veräußerung des verlustverursachenden früheren Geschäftsbetriebs der KG als vortragsfähiger Fehlbetrag erhalten bleibt.

     

    Die Veräußerung des von der KG übernommenen Geschäftsbetriebs ändere nichts daran, dass die bei der A-GmbH verbliebene andere Unternehmenstätigkeit nach § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG weiterhin in vollem Umfang als einheitlicher und zugleich identischer Gewerbebetrieb anzusehen war (vgl. zur vom unterjährigen Wechsel des Unternehmensgegenstands unabhängigen gewerbesteuerlichen Einheitlichkeit des Gewerbebetriebs einer Kapitalgesellschaft z. B. BFH 25.11.09, I R 18/08, BFH/NV 10, 941, Rn. 12). Insbesondere galt der Gewerbebetrieb der A-GmbH nicht gemäß § 2 Abs. 5 S. 1 GewStG als eingestellt, da er im Zuge des Asset Deals nicht „im Ganzen“ auf einen anderen Unternehmer überging. Aus § 10a S. 8 GewStG, der ohnehin unmittelbar nicht den übergebenden, sondern den übernehmenden Unternehmer betrifft, kann somit kein Entfallen des bereits im Jahr 2011 übernommenen und in der Folgezeit fortgeführten Verlustbetrags hergeleitet werden.

     

    Ergebnis: Das Entfallen des vortragsfähigen Gewerbeverlusts lässt sich mithin nicht mit der nach der ständigen Rechtsprechung zu § 10a GewStG für die Gewerbeverlustnutzung erforderlichen Unternehmensidentität begründen. Denn diese blieb durch den Asset Deal unberührt.

     

    Für die Geltendmachung eines Gewerbeverlusts bedarf es sowohl der Unternehmeridentität als auch der Unternehmensidentität. Im Streit stand hier ausschließlich die Unternehmensidentität der A-GmbH.

     

    Das Erfordernis der Unternehmensidentität wird aus dem Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer abgeleitet, der es nicht zulasse, dass Verluste eines Gewerbebetriebs i. S. d. § 2 Abs. 1 GewStG bei einem anderen Gewerbebetrieb berücksichtigt werden. Die Unternehmensidentität liegt vor, wenn der im Verlustabzugsjahr bestehende Gewerbebetrieb mit jenem identisch ist, der im Verlustentstehungsjahr bestand (vgl. BFH 17.1.19, III R 35/17, BStBl II 19, 407, Rn. 19; BFH 1.2.24, IV R 26/21, DStR 24, 671, Rn. 24, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, m. w. N.). Bei einer Kapitalgesellschaft wird die Unternehmensidentität insofern als unproblematisch angesehen, als ihre Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt.

     

    Eine Änderung ihrer wirtschaftlichen Betätigung berührt die Unternehmensidentität einer Kapitalgesellschaft nach inzwischen ständiger Rechtsprechung nicht, solange derselbe einheitliche Gewerbebetrieb i. S. d. § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG weiterhin existiert (vgl. u. a. BFH 29.10.86, I R 318-319/83, BStBl II 1987, 310). Das Kriterium der Unternehmensidentität hat danach für den Fortbestand des vortragsfähigen Gewerbeverlusts bei einer Kapitalgesellschaft ‒ zumindest grundsätzlich ‒ keine Bedeutung.

     

    MERKE | Von dem Grundsatz der Unerheblichkeit der Unternehmensidentität bei einer Kapitalgesellschaft ist auch im Anschluss an eine Anwachsung ‒ wie vorliegend (d. h. nach der Übernahme des bei einer Personengesellschaft entstandenen Gewerbeverlusts) ‒ keine Ausnahme zu machen.

     

    Nach Ansicht des BFH hat die Frage der Unternehmensidentität bei einer Kapitalgesellschaft nicht ausnahmsweise deswegen eine andere Bedeutung, weil der von ihr übernommene Gewerbeverlust im Ursprung von einer Personengesellschaft herrührt. Es bedürfte vielmehr einer rechtlichen Grundlage, die für den Fall, dass eine Kapitalgesellschaft im Wege der Anwachsung einen für eine Personengesellschaft festgestellten Gewerbeverlust übernommen hat, die Verlustnutzung von der identitätswahrenden Fortführung des verlustverursachenden Betriebs der Personengesellschaft abhängig macht. An einer solchen Vorschrift fehlt es aber im geltenden Recht; dies gilt insbesondere auch für das Entfallen des nach der Anwachsung ununterscheidbar festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlusts der Kapitalgesellschaft.

     

    Der gefestigte Grundsatz, dass die Änderung der wirtschaftlichen Betätigung einer Kapitalgesellschaft ihre Unternehmensidentität nicht berührt, bedürfte einer normativen Einschränkung, um zu der in der Revisionsbegründung des FA vertretenen Auslegung des § 10a GewStG im Anwachsungsfall zu gelangen. Einer näheren gesetzlichen Ausgestaltung bedürfte es hierbei nicht nur in materiellrechtlicher, sondern auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht. Ein im Bescheid einheitlich festgestellter Gewerbeverlust lasse nämlich nicht erkennen, aus welchen einzelnen ursprünglichen Bestandteilen er sich zusammensetzt. Ebenso wenig ist gesetzlich geregelt, nach welchen Kriterien und insbesondere in welcher Reihenfolge die Verwendung des festgestellten Gewerbeverlusts zu erfolgen hat. Dass es gesetzliche Bestimmungen zu einem „fortführungsgebundenen“ Verlustvortrag im derzeit geltenden Recht gibt und wie diese aussehen können, belegen die nach dem Streitjahr eingeführten Regelungen des § 8d KStG und des § 10a S. 10 ff. GewStG.

     

    FAZIT | Mit dem Besprechungsurteil beendet der BFH einen in der Literatur und in der Rechtsprechung lange geführten Meinungsstreit. Im Ergebnis bleibt es auch im Fall einer Anwachsung bei dem Grundsatz, dass eine Änderung der wirtschaftlichen Betätigung einer Kapitalgesellschaft ihre Unternehmensidentität unberührt lässt und sich das Problem der Unternehmensidentität bei einer Kapitalgesellschaft, die eine betriebliche Einheit auf einen anderen Rechtsträger überträgt, nicht stellt. Soweit ein im Betrieb einer Personengesellschaft entstandener Gewerbeverlust durch Anwachsung auf eine Kapitalgesellschaft übergegangen ist, entfällt der anschließend zu ihren Gunsten festgestellte Gewerbeverlust nicht dadurch, dass sie den verlustverursachenden Geschäftsbereich im Wege eines Asset Deals später weiterveräußert.

     

     

    Beachten Sie | Beim XI. Senat des BFH ist aktuell ein weiteres Revisionsverfahren anhängig (XI R 2/23), welches neben § 10a GewStG auch § 15a EStG betrifft. Streitig ist, ob Verluste i. S. d. § 15a EStG und des § 10a GewStG, die für eine GmbH als am ganzen Vermögen einer KG beteiligten Kommanditistin entstanden sind, im Fall der Anwachsung auf die GmbH von dieser mit eigenen Gewinnen verrechnet werden können. Es bleibt abzuwarten, wie der BFH in dieser Rechtssache entscheiden wird. Daneben hatte der BFH bereits mit Urteil vom 1.2.24 (IV R 26/21, vgl. Pflüger, GStB 24, 356 ff.) über den Fall des einbringungsbedingten Übergangs des Gewerbeverlusts von einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft geurteilt. Auch hier bejahte der BFH den Übergang und das Fortbestehen des vortragsfähigen Gewerbeverlusts.

     

    Zum Autor | Gerrit Uphues ist in der Finanzverwaltung NRW tätig. Der Aufsatz wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst und gibt die persönliche Auffassung des Autors wieder.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2024 | Seite 296 | ID 50214395