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  • · Fachbeitrag · Familienheim

    Vorsicht beim Nachversteuerungsvorbehalt

    von StB Hans Günter Christoffel, Bornheim

    | Geht ein Familienheim im Erbfall von einem verstorbenen Elternteil auf die Kinder über, so ist dieser Vorgang nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG steuerbefreit, soweit der Erblasser dort bis zu seinem Tod gewohnt hat oder aus zwingenden Gründen an einer Eigennutzung zu Wohnzwecken gehindert war. Der Erwerber muss dann unverzüglich die Eigennutzung in dem Einfamilienhaus aufnehmen und zehn Jahre ab dem Besteuerungszeitpunkt fortsetzen, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert. Hinzu kommt noch die Begrenzung der Befreiung auf eine Wohnfläche von 200 qm. Der folgende Beitrag stellt anhand eines praktischen Falls dar, welche Konsequenzen zu ziehen sind, wenn der Nachversteuerungsvorbehalt bei Schenkung oder Tod des Bedachten nicht eingehalten wird (zu weiteren Einzelheiten siehe auch Sonderausgabe „36 Fragen rund um das Familienheim, Abruf-Nr. 46698040). |

     

    • Praxisfall

    Die Mutter des A ist verstorben. Sie hinterlässt u. a. ein Familienheim, in dem sie bis zu ihrem Todeszeitpunkt gewohnt hat. Alleinerbe ist ihr Sohn A. Dieser zieht unmittelbar nach dem Tod der Mutter mit seiner Familie in das Familienheim ein und macht im Rahmen der Erbschaftsteuererklärung die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c ErbStG geltend.

     

    1. Voraussetzungen für die Steuerbefreiung beim Erblasser

    Die Steuerbefreiung wird dem A gewährt. Denn bei dem Objekt, das ihm die Mutter hinterlassen hat, handelt es sich um ein begünstigtes Familienheim. Ein solches liegt vor, soweit sich in einem bebauten Grundstück eine Wohnung befindet, die von dem Grundstückseigentümer allein oder zusammen mit seiner Familie zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Dabei kann es sich um eine Eigentumswohnung, um ein Einfamilienhaus oder um eine Wohnung in einem Gebäude handeln, unabhängig von der anderweitigen Nutzung. Entscheidend ist, dass sich in der Wohnung der Mittelpunkt des familiären Lebens des Erblassers befunden hatte.

     

    Bei einem Gebäude, das nicht ausschließlich vom Erblasser selbst genutzt wurde, ist die Steuerbefreiung auf die selbstgenutzte Wohnung begrenzt. Sie schließt auch Garagen, Nebenräume und Nebengebäude ein, die sich auf dem Grundstück befinden und mit der Wohnung gemeinsam genutzt wurden (R E 13.3 Abs. 2 S. 8 ErbStR 2019). Die Nutzung der Wohnung auch zu anderen als Wohnzwecken ist unschädlich, wenn sie von untergeordneter Bedeutung ist, wie dies z. B. bei einem häuslichen Arbeitszimmer oder beim Homeoffice der Fall ist. Auch die unentgeltliche gewerbliche oder freiberufliche Mitbenutzung der Wohnung ist grundsätzlich unschädlich, wenn die Wohnnutzung überwiegt. Bei einer entgeltlichen gewerblichen oder freiberuflichen Mitbenutzung ist die Befreiung auf den eigenen Wohnzwecken dienenden Teil der Wohnung begrenzt.

     

    MERKE | Sollte eine Aufteilung des Werts des Gebäudes erforderlich sein, weil das Gebäude nicht ausschließlich eigenen Wohnzwecken dient, erfolgt diese Aufteilung nach der Wohn-/Nutzfläche; dabei sind Garagen, Nebenräume und Nebengebäude nicht einzubeziehen (R E 13.3 Abs. 2 S. 14 ErbStR 2019). Das Lagefinanzamt teilt dafür dem ErbSt-Finanzamt die gesamte Wohn-/Nutzfläche des Grundstücks und die Wohnfläche mit, die auf das Familienheim entfällt. Diese Mitteilung erfolgt nur nachrichtlich, also ohne Bindungswirkung.

     

    Des Weiteren muss hinzukommen, dass der Erblasser bis zu seinem Tod die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat, wobei es unschädlich ist, wenn er aus objektiv zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung gehindert war, z. B. bei Pflegebedürftigkeit, sodass er dort nicht mehr seinen eigenen Haushalt führen konnte.

     

    2. Nutzungsvoraussetzungen des Erben

    Der Erbe, hier also der Sohn, muss unverzüglich nach dem Besteuerungszeitpunkt die Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken in dem von ihm geerbten Familienheim aufnehmen. Die Steuerbefreiung scheidet daher aus, wenn der Erwerber von vornherein gehindert ist, die Wohnung in dem von Todes wegen erworbenen Einfamilienhaus für eigene Wohnzwecke zu nutzen, und deshalb auch tatsächlich nicht einzieht (BFH 23.6.15, II R 13/13, BStBl II 16, 223).

     

    Ein Professor, der im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit an der Universität beschäftigt ist, kann sich daher nicht darauf berufen, aufgrund einer Berufsvereinbarung verpflichtet zu sein, seinen Wohnsitz in der Universitätsstadt oder in deren näherer Umgebung beibehalten zu müssen, sodass er und seine Familie nicht in das Familienheim des verstorbenen Elternteils einziehen können. Hierin sieht die Rechtsprechung keinen zwingenden Grund (BFH 23.6.15, II R 13/13, a. a. O.), der es rechtfertigt, von der Selbstnutzung abzusehen. Dagegen liegen objektiv zwingende Gründe beim Erwerber vor, wenn er z. B. aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit keinen eigenen Haushalt mehr führen kann oder wenn es sich bei dem Erwerber um ein Kind handelt, das wegen der Minderjährigkeit rechtlich an der selbstständigen Haushaltsführung gehindert ist.

     

    Dabei bedeutet unverzüglich ohne schuldhaftes Verzögern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB). Um die Steuerbefreiung zu erlangen, muss der Erwerber also innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall die Absicht fassen, das Familienheim selbst zu nutzen, und diese Absicht tatsächlich auch umsetzen. Angemessen ist regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall. Zieht der Erwerber erst nach Ablauf dieser Frist in das Familienheim ein, muss er in diesem Fall gegenüber dem Finanzamt darlegen und glaubhaft machen,

    • zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke entschlossen hat,
    • aus welchen Gründen der Einzug in die Wohnung nicht früher möglich war und
    • warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat.

     

    Eine zeitliche Verzögerung über den Sechsmonatszeitraum hinaus ist entschuldbar, wenn sich der Einzug wegen einer Erbauseinandersetzung zwischen den Miterben oder wegen der Klärung von Fragen zum Erbfall und zu den Erwerbern um einige weitere Monate verzögert. Eine Renovierung der Wohnung vor Einzug kann, so der BFH im Urteil vom 28.5.19 (II R 37/16, BStBl II 19, 678) nur dann als unschädlich angesehen werden, wenn sich die Renovierung z. B. deshalb länger hinzieht, weil nach Beginn der Arbeiten ein gravierender Mangel der Wohnung entdeckt wurde, der vor dem Einzug beseitigt werden muss.

     

    MERKE | Je größer der zeitliche Abstand zwischen Erbfall und tatsächlichem Einzug in die Wohnung ist, um so höhere Anforderungen sind an die Darlegung des Erwerbers und seine Gründe für die verzögerte Nutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke zu stellen. Bezogen auf den Ausgangsfall steht dem Sohn A die Steuerbefreiung zu, weil er mit seiner Familie unmittelbar nach dem Tod der Mutter in das Einfamilienhaus eingezogen ist.

     

    Die Steuerbefreiung ist beim Übergang des Familienheims auf die Kinder auf 200 qm Wohnfläche begrenzt. Dabei handelt es sich um eine objektbezogene Grenze, die nicht mit der Anzahl der Erwerber zu vervielfachen ist (R E 13.4 Abs. 7 S. 3 ErbStR 2019).

     

    3. Nachversteuerungsvorbehalt

    Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c S. 2 ErbStG). Objektiv zwingende Gründe, warum der Erwerber an einer weiteren Nutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert ist, liegen z. B. vor im Fall des Todes oder im Fall einer Pflegebedürftigkeit, die es nicht zulässt, dass er seinen eigenen Haushalt dort führen kann.

     

    Gibt der Erwerber die Selbstnutzung innerhalb des Zehnjahreszeitraums durch Verkauf, Vermietung, längeren Leerstand oder unentgeltliche Überlassung ganz oder teilweise auf, entfällt nach Auffassung der Finanzverwaltung die Befreiung mit Wirkung für die Vergangenheit (R E 13.4 Abs. 6 S. 4 ErbStR 2019).

     

    MERKE | Selbst dann, wenn der Erwerber das Eigentum am Familienheim innerhalb des Zehnjahreszeitraums auf einen Dritten unter Nießbrauchsvorbehalt überträgt, kommt es zu einer Nachversteuerung ‒ so der BFH im Urteil vom 11.7.19 (II R 38/16, BFH/NV 20, 54). Dort hatte nach dem Tod ihres Ehemanns die Ehefrau das gemeinsam bewohnte Einfamilienhaus geerbt und war darin wohnen geblieben. Anderthalb Jahre nach dem Erbfall schenkte sie das Haus ihrer Tochter, behielt sich jedoch daran ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vor und nutzte es aufgrund des Nießbrauchsrechts weiterhin zu eigenen Wohnzwecken. Die Übertragung des Einfamilienhauses führte trotz Nießbrauchsvorbehalt und Fortsetzung der Eigennutzung zum Wegfall der Steuerbefreiung. Begründung des BFH: Der im Gesetz verwendete Begriff „Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken“ spreche dafür, dass sowohl die Nutzung als auch die Eigentümerstellung des Erwerbers während des Zehnjahreszeitraums bestehen bleiben müssten.

     

    4. Verstoß gegen den Nachversteuerungsvorbehalt durch Übertragung auf den Ehegatten

    Unter Berücksichtigung des Nachversteuerungsvorbehalts stellt sich die Frage, wie folgende Varianten bezogen auf den Ausgangsfall zu beurteilen sind.

     

    • Variante 1: Der Sohn schenkt ein halbes Jahr nach Einzug in das Familienheim seiner Ehefrau die Hälfte des Grundstücks.
    • Variante 2: Der Sohn verstirbt ein halbes Jahr nach Einzug in das Einfamilienhaus und vererbt es an seine Ehefrau.

     

    Lösung zu Variante 1

    Die unentgeltliche Übertragung des hälftigen Einfamilienhauses auf die Ehefrau ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b ErbStG steuerfrei gestellt. Allerdings führt diese unentgeltliche Übertragung zu einem Verstoß gegen den Nachversteuerungsvorbehalt, soweit es um den Erbfall Mutter an Sohn und die dortige Übertragung des Familienheims geht. Im Gegensatz zur Behaltensregelung in § 13a Abs. 6 ErbStG, nach der eine Nachversteuerung nur bei Veräußerung, Aufgabe oder vergleichbaren Tatbeständen eintritt, nicht jedoch bei einer unentgeltlichen Weitergabe von begünstigtem betrieblichen Vermögen, sieht § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c ErbStG eine Nachversteuerung stets dann vor, wenn nach dem Erwerb das Familienheim nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird, was auch dann der Fall ist, wenn es unentgeltlich auf einen anderen übertragen wird. Damit führt die Schenkung des hälftigen Einfamilienhauses an die Ehefrau zu einer Nachversteuerung bei A, soweit es um den Erbfall seiner Mutter geht.

     

    MERKE | Noch klärungsbedürftig ist die Frage, ob sich die hälftige Übertragung auf die Ehefrau insgesamt auf die Gewährung der Steuerbefreiung „Mutter ‒ Sohn“ auswirkt oder nur in der Höhe, in der eine Übertragung auf die Ehefrau erfolgt. Diese Frage ist m. E. in der Rechtsprechung noch nicht geklärt. Zugunsten des Sohnes dürfte es daher vertretbar sein, die Steuerbefreiung nur insoweit zu versagen, als er das Eigentum an dem Familienheim aufgibt.

     

    Lösung zu Variante 2

    Bei Variante 2 endet der Zeitraum, in dem es zu einer Nachversteuerung aus dem Erbfall der Mutter kommen kann, mit dem Tod des Sohnes. Wenn dann im Anschluss an den Tod des Sohnes eine Übertragung per Erbfall an die Ehefrau erfolgt, ist dieser Vorgang nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b ErbStG befreit, ohne dass es zu einem Verstoß gegen den Nachversteuerungsvorbehalt beim Übergang des Familienheims von der Mutter auf den Sohn kommt.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Update Familienheim: keine Nachversteuerung trotz Verstoßes gegen Behaltens- und Verwendungsfristen, ErbBstg 22, 276
    • Die Sonderausgabe „Steuergestaltungen zum Familienheim ‒ Die 36 wichtigsten Fragen auf einen Blick“ steht unter iww.de/erbbstg zum Download bereit; Abruf-Nr. 46698040.
    Quelle: Ausgabe 07 / 2023 | Seite 183 | ID 49538339