· Fachbeitrag · Nutzungsrechte
Maßnahmen am Gebäude durch den Vorbehaltsnießbraucher
von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster
| Nießbrauchs- und Rentenvereinbarungen begründen langfristige Rechtsbeziehungen zwischen Schenker und Beschenktem. Bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern gegen Rentenverpflichtung gehen nicht nur das Eigentum am Wirtschaftsgut, sondern auch die Nutzungs- und Einwirkungsmöglichkeiten auf den Beschenkten über. Bei der Einräumung eines Nießbrauchs am Wirtschaftsgut hingegen fällt das Eigentum am geschenkten Wirtschaftsgut dem Beschenkten zu, während sich die Nutzungs- und Einwirkungsmöglichkeiten auf das Wirtschaftsgut nach den gesetzlichen oder vertraglichen Vorgaben auf den Beschenkten und den Nießbraucher verteilen. |
1. Musterfall
Mit Übergabevertrag vom 20.12.08 hat der damals 60 Jahre alte V ein Mietwohngrundstück mit sechs Wohnungen in Düsseldorf, Baujahr 1965, auf seine Nichte unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen. Laut Übergabevertrag hatte V über die gesetzliche Lastenverteilung hinaus die Verpflichtung übernommen, auch die Kosten außerordentlicher Ausbesserungen und Erneuerungen zu tragen. Soweit §§ 1037, 1038, 1041 und 1051 BGB dem entgegenstehen, sollten diese Bestimmungen nicht zur Anwendung kommen. Zur Finanzierung der Maßnahmen durfte der Nießbrauchsberechtigte den Grundbesitz belasten. Das Gebäude befand sich bereits im Zeitpunkt der Übertragung in einem renovierungsbedürftigen Zustand. Nachdem drei Wohnungen von den Mietern gekündigt worden waren, entschloss sich V, das Gebäude umfassend zu modernisieren. Er ließ die Wohnungen leer stehen. In der Folgezeit gelang es ihm, auch die übrigen Mieter zum Auszug zu bewegen. 2012 konnte V mit den Modernisierungsarbeiten beginnen und schloss diese Anfang 2014 ab.
Die entstandenen und von V bezahlten Aufwendungen beliefen sich auf insgesamt 600.000 EUR. Davon entfielen 60.000 EUR auf Ausbesserungen und Erneuerungen, die als gewöhnliche Unterhaltungsmaßnahmen angesehen werden können, weitere 220.000 EUR auf die Modernisierung der Fenster sowie der Erneuerung der Heizungs- und Elektroinstallation und die restlichen 320.000 EUR auf Um- und Anbaumaßnahmen, mit denen unter anderem die Grundrisse der Wohnungen an veränderte Wohnbedürfnisse angepasst wurden. V will nun wissen, ob und inwieweit die von ihm durchgeführten und bezahlten Maßnahmen schenkungsteuerlich relevant sind.
2. Lastenverteilung nach BGB
Neben dem Nießbrauch als absolut dinglichem Recht besteht ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Nießbraucher, dessen Inhalt sich aus den gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere aus den §§ 1030 ff. BGB ergibt, soweit die gesetzlichen Regeln nicht zulässigerweise durch vertragliche Vereinbarungen abbedungen werden. Gesetzlicher Inhalt des Nießbrauchs gemäß § 1030 BGB ist das Nutzungsziehungsrecht. Ergänzend hierzu bestimmt § 1041 S. 1 BGB, dass der Nießbraucher für den Erhalt der Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand zu sorgen hat. Die Ausbesserungen und Erneuerungen eines Gebäudes, die zur gewöhnlichen Unterhaltung der Sache gehören, obliegen daher dem Nießbraucher. Hierzu gehört beispielsweise die Vornahme normaler Verschleißreparaturen.
Eine Vornahme- und Kostenübernahmeverpflichtung für außergewöhnliche Aufwendungen obliegt dem Nießbraucher gemäß § 1041 S. 2 BGB nicht, kann aber sowohl schuldrechtlich als auch mit dinglicher Wirkung vereinbart werden (BayObG 15.3.85, BReg 2 Z 24/85, DNotz 86, 151). Beispiele aus der Rechtsprechung sind der Wiederaufbau eines zerstörten Gebäudes, die Dachsanierung nach Ablauf der Lebensdauer, die Heizungsumstellung von Koks auf Öl, die Erneuerung einer unsicher gewordenen Elektroinstallation oder die Sanierung eines völlig verwohnten Mietraums und des Treppenhauses (siehe Nachweise in Palandt-Bassenge, BGB, 73. Aufl., § 1041 Rn. 3). Soweit nach der einkommensteuerlichen Rechtsprechung Baumaßnahmen als Herstellungskosten angesehen werden (BFH 8.12.82, VIII R 53/82, BStBl II 83, 710), sind darin auch außergewöhnliche Maßnahmen i.S. des § 1041 S. 2 BGB zu sehen (Müko-Pohlmann, BGB, 6. Aufl., § 1041 Rn. 5).
Der Nießbraucher ist von Gesetzes wegen hingegen nicht berechtigt, die Sache umzugestalten oder wesentlich zu verändern (§ 1037 Abs. 1 BGB). Es ist ihm nicht erlaubt, Umgestaltungen jeglicher Art vorzunehmen, z.B. eine große Wohnung in mehrere kleine Wohnungen umzubauen (BGH 20.12.82, II ZR 13/82, NJW 83, 932). Das Verbot gilt auch für wesentliche Verbesserungen oder Wertsteigerungen durch Errichtung (KG Berlin 23.7.91, 1 W 7919/89, DNotZ 92, 675), Umbau oder Erweiterung von Gebäuden (Müko-Pohlmann, BGB, 6. Aufl., § 1037 Rn. 4) Nach herrschender Meinung ist § 1037 Abs. 1 BGB als wesentliches Merkmal des Nießbrauchs nicht mit dinglicher Wirkung abdingbar. Von § 1037 Abs. 1 BGB abweichende schuldrechtliche Vereinbarungen werden aber nach herrschender Meinung anerkannt (Müko-Pohlmann, BGB, 6. Aufl., § 1037 Rn. 4).
3. Eigentumsrechtliche Stellung der Nichte
Die Nichte ist zivilrechtlich Eigentümerin des Grundstücks geworden. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH zum Ertragsteuerrecht geht im Fall der unentgeltlichen Übertragung eines Grundstücks unter Vorbehalt eines lebenslangen Nießbrauchs sowohl das zivilrechtliche Eigentum, als auch das wirtschaftliche Eigentum auf den Erwerber über. Begründung hierfür ist, dass der Nießbraucher aufgrund des vorbehaltenen Nutzungsrechts nicht ähnlich einem Eigentümer über die Substanz des Grundstücks verfügen kann (siehe nur BFH 29.3.12, II B 65/11, BFH/NV 12, 1094).
4. Bereicherung durch Baumaßnahmen des Nießbrauchers
Schenkungsteuerlich stellt sich damit die Frage, ob, wann und in welcher Höhe die Baumaßnahmen des Nießbrauchers zu einer schenkungsteuerlichen Bereicherung der Nichte führen.
Der SchenkSt unterliegt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Die SchenkSt entsteht mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG); das ist der Zeitpunkt, in dem die Vermögensverfügung endgültig ist, der Bedachte also im Verhältnis zum Zuwendenden über das Zugewandte tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann (BFH 26.9.90, II R 50/88, BStBl II 91, 32). Die Besteuerung richtet sich deshalb danach, wie sich die Vermögensmehrung im Zeitpunkt der Zuwendung beim Beschenkten auswirkt (BFH 9.11.94, II R 87/92, BStBl II 95, 83). Entscheidend für die Besteuerung ist die tatsächliche Bereicherung, die sich danach richtet, was der Beschenkte - endgültig - erhält (BFH 9.11.94, II R 87/92, BStBl II 95, 83).
4.1 Bereicherung durch Baumaßnahmen am Eigentum eines Dritten
Die Übernahme der Kosten für An-, Aus- oder Umbauten sowie für Reparatur- oder Modernisierungsmaßnahmen an einem Gebäude, das im Eigentum einer anderen Person steht, könnte als Zuwendung im Rahmen einer mittelbaren Grundstücksschenkung zu beurteilen sein.
Der BFH (5.2.86, II R 188/83, BStBl II 86, 460) hat entschieden, dass die Grundsätze der mittelbaren Grundstücksschenkung auch auf vom Schenker getragene Herstellungskosten eines neu errichteten Anbaus auf dem Grundstück des Beschenkten anwendbar sind. Der Annahme einer mittelbaren Grundstücksschenkung steht nicht entgegen, dass das Zuwendungsobjekt mit der Ausführung seine rechtliche Selbstständigkeit verliert und nach Maßgabe des steuerlichen Bewertungsrechts keine selbstständige wirtschaftliche Einheit darstellt. Für den BFH ist entscheidend, dass sich die Bereicherung des Beschenkten tatsächlich erst in dessen Grundvermögen auswirkt, weil die Mittel des Schenkers nur grundstücksbezogen verwendet werden durften. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Rechtsprechung grundsätzlich angeschlossen. Die Grundsätze der mittelbaren Grundstücksschenkung können demnach auch auf die Herstellungskosten für Umbauten, Ausbauten oder Anbauten auf einem Grundstück oder an einem Gebäude angewendet werden, wenn der Schenker die Kosten ganz oder teilweise trägt. Die Annahme einer mittelbaren Grundstücksschenkung bei Übernahme der Kosten einer Modernisierung, einer Reparatur, einer Renovierung oder anderer grundstücksbezogener Verwendungen lehnt die Finanzverwaltung jedoch weiterhin ab, sofern sie wirtschaftlich nicht im Zusammenhang mit der Zuwendung eines Grundstücks oder Gebäudes stehen (H E 7.3 „Mittelbare Grundstücksschenkung - Einzelfälle“ unter 7.).
Wird die Auffassung der Finanzverwaltung zugrunde gelegt, könnte jedenfalls für die Um- und Anbaumaßnahmen eine mittelbare Grundstücksschenkung bejaht werden. Dies hätte zur Folge, dass sich die Bemessungsgrundlage für die SchenkSt aus der Differenz des Steuerwerts des Grundstücks vor und nach den Umbaumaßnahmen ergibt. Die Steuer auf diese mittelbare Zuwendung entsteht im Zeitpunkt der Fertigstellung (R E 9.1 Abs. 2 S. 8 ErbStR). Soweit hingegen ein Mehrwert durch Modernisierung, Reparatur oder Renovierung geschaffen worden ist, wären die hierfür zugewandten Mittel als Geldschenkung zu behandeln.
PRAXISHINWEIS | Im Einzelfall dürfte es schwierig und ohne Schätzung in der Praxis kaum möglich sein, den Wertzuwachs nach dem jeweils anwendbaren Bewertungsverfahren zuverlässig zu bemessen. Im Ertragswertverfahren müsste ein fiktiv ermittelter Grundbesitzwert vor Durchführung der Umbauarbeiten aber unter Berücksichtigung der Modernisierungsmaßnahmen (Ausgangswert) mit einem fiktiv ermittelten Grundbesitzwert nach Durchführung der Umbauarbeiten (Vergleichswert) verglichen und dabei die aufgrund des Umbaus verlängerte Lebensdauer des Gebäudes sowie die durch den Umbau bedingten Mietsteigerungen einbezogen werden. |
4.2 Anwendung der Bereicherungsgrundsätze auf Nießbrauchsfälle
Fraglich ist allerdings, ob eine Schenkung entsprechend den Grundsätzen einer mittelbaren Grundstücksschenkung auch schon ausgeführt ist, wenn ein Nießbraucher in Ausübung seiner vertraglichen Befugnisse Baumaßnahmen tätigt oder ob eine Schenkung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) und eine Bereicherung (§ 10 Abs. 1 S. 2 ErbStG) erst mit Wegfall des Nießbrauchs ausgeführt ist.
Nach § 95 Abs. 1 S. 2 BGB gehören Gebäude oder andere Werke, die in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden sind, nicht zu den Bestandteilen eines Grundstücks. Dies gilt auch für die Verbindung mit einem auf dem Grundstück befindlichen Gebäude. Zu den in § 95 Abs. 1 S. 2 BGB genannten Rechten an einem fremden Grundstück gehört auch der Grundstücksnießbrauch (Palandt-Ellenberger, 72. Aufl., § 95 Rn. 5). Zufolge dieser ausdrücklich positiven Regelung geht bei Verbindung von beweglichen Sachen mit dem Grundstück bzw. Gebäude auch dann das Eigentum an diesen nicht nach § 946 BGB über, wenn sie ohne diese Besonderheit wesentlicher Bestandteil des Grundstücks würden (§§ 93, 94 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB; (Palandt, a.a.O. Rn. 1; siehe auch BFH 13.10.82, II R 90/81, BStBl II 83, 62; BFH 7.9.12, II B 45/12, BFH/NV 12, 1945).
Aufgrund dieser zivilrechtlichen Vorgaben stellt sich damit die Frage, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe eine Bereicherung eintritt, wenn die Baumaßnahmen im Zeitpunkt ihrer Durchführung noch keine Eigentumsrechte des Grundstückseigentümers begründen. Da die SchenkSt erst mit dem Zeitpunkt entsteht, in dem die Vermögensverfügung endgültig ist und der Bedachte (Beschenkte) im Verhältnis zum Zuwendenden (Schenker) über das Zugewandte tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann (BFH 26.9.90, II R 50/88, BStBl II 91, 32), ist eine Bereicherung der Nichte im Zeitpunkt der Durchführung der Baumaßnahmen noch nicht gegeben. Die mit den Baumaßnahmen einhergehende Wertsteigerung des Objekts verschafft weder eine eigentumsrechtliche Position noch eine Nutzungsmöglichkeit. Der vom Nießbraucher geschaffene Mehrwert bleibt demnach zunächst dem Nießbraucher vorbehalten. Erst mit Wegfall des Nießbrauchs kommt eine - noch vorhandene - Wertsteigerung gegenüber der ursprünglichen Schenkung der Nichte zugute und müsste - vergleichbar einem aufschiebend bedingt erworbenen Sachleistungsanspruch - im Zeitpunkt des Wegfalls des Nießbrauchs erfasst werden.
Weiterführender Hinweis
- Brüggemann, Neuer Erlass zum Nießbrauch bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, ErbBstg 14, 13 ff.