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  • · Fachbeitrag · Pflichtteilsrecht

    Gesellschaftsanteil: Abfindungsbeschränkung zur Abwehr von Pflichtteilsansprüchen

    von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster

    | In ErbBstg 6/2013, 167 ff. wurden die steuerlichen Folgen eines Vergleichs über den Zugewinnausgleichs- und den Pflichtteilsanspruch eines enterbten Ehegatten erörtert. In dem der Darstellung zugrunde liegenden Urteil des BFH errechneten sich die Ansprüche unter anderem aus einem Anteil an einer Personengesellschaft, der auf einen Mitgesellschafter (Bruder des Erblassers) übergegangen war (BFH 27.9.12, II R 51/11, ErbBstg 12, 265 , Abruf-Nr. 132041 , DStR 13, 906). Nicht Gegenstand der Entscheidung war die Frage, ob und gegebenenfalls wann ein Gesellschaftsanteil überhaupt in die Pflichtteilsberechnung einzubeziehen ist. Dies soll anhand des folgenden Musterfalls verdeutlicht werden. |

    1. Sachverhalt

    Der verstorbene Unternehmer U war geschieden. Aus der früheren Ehe mit F sind sein Sohn S und seine Tochter T hervorgegangen. U war mit 90 % als Kommanditist an einer GmbH & Co. KG beteiligt, die weiteren 10 % hielt sein Sohn S, der diese Anteile vor 10 Jahren im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von seinem Vater erhalten hatte. Die GmbH, deren Anteile im Gesamthandsvermögen der KG gehalten werden, ist an der KG vermögensmäßig nicht beteiligt.

     

    Außerdem verpachtete der Vater der KG ein bebautes Grundstück, das diese für Produktions- und Verwaltungszwecke nutzte und das daher ertragsteuerlich Sonderbetriebsvermögen (SBV) des U darstellte. Der Verkehrswert des KG-Anteils des Vaters betrug im Todeszeitpunkt 6 Mio. EUR. Der Verkehrswert des Grundstücks im SBV belief sich in diesem Zeitpunkt auf 1,2 Mio. EUR und der Verkehrswert des sonst noch vorhandenen Privatvermögens auf 1,8 Mio. EUR.

     

    Da die geschiedene Ehefrau im Scheidungsverfahren wirtschaftlich abgesichert worden war und U sich mit seiner Tochter T anlässlich des Scheidungsverfahrens völlig zerstritten hatte, setzte er seinen Sohn S als Alleinerben ein und ordnete zugunsten der T, die trotz aller Bemühungen des U auf ihren Pflichtteilsanspruch nicht verzichten wollte, ein Vermächtnis von 1 Mio. EUR an.

     

    Im Gesellschaftsvertrag der KG war anlässlich der vorweggenommenen Erbfolge geregelt worden, dass der Anteil des U auf S im Wege der Anwachsung übergehen sollte gegen Zahlung einer Abfindung an die Erben von 50 % des Verkehrswerts des Anteils. Aufgrund des Zerwürfnisses mit seiner Tochter T hatte U diese Klausel im Einvernehmen mit S geändert und die Zahlung einer Abfindung an die Erben gänzlich ausgeschlossen.

     

    Als U verstarb, machte T trotz der Anordnung des Vermächtnisses ihren Pflichtteilsanspruch geltend und verlangte über das Vermächtnis von 1 Mio. EUR hinaus die Zahlung von weiteren 1,25 Mio. EUR.

    2. Gesetzliche Erbfolge nach U

    Gemäß § 1924 Abs. 1 und 4 BGB wäre T neben ihrem Bruder S zu ½ gesetzliche Erbin geworden. Die geschiedene Ehefrau wäre keine gesetzliche Erbin geworden. Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten endet bereits, wenn die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben sind und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hat (§ 1933 BGB).

    3. Pflichtteilsanspruch der T dem Grunde nach

    T ist als Tochter grundsätzlich pflichtteilsberechtigt gemäß § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB, da sie von der Erbfolge durch Verfügung von Todes wegen ausgeschlossen ist. Der Pflichtteil beläuft sich gemäß § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB auf die Hälfte des Werts des gesetzlichen Erbteils und beträgt somit ½ von ½ = ¼.

     

    Zu beachten ist allerdings, dass T ein Vermächtnis i.H. von 1 Mio. EUR erhalten hat. Ist ein Pflichtteilsberechtigter mit einem Vermächtnis bedacht, bestehen für ihn zwei Möglichkeiten:

     

    • Er kann das Vermächtnis ausschlagen und den vollen Pflichtteil verlangen (§ 2307 Abs. 1 S. 1 BGB).

     

    • Er kann das Vermächtnis - wie im vorliegenden Fall - annehmen mit der Folge, dass ihm das Recht auf den Pflichtteil nicht zusteht, soweit der Wert des Vermächtnisses reicht (§ 2307 Abs. 1 S. 2 BGB).

    4. Für die Pflichtteilsberechnung maßgeblicher Nachlasswert

    Gemäß § 2311 BGB wird der Berechnung des Pflichtteils der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrunde gelegt. Soweit erforderlich, ist der Verkehrswert durch Schätzung zu ermitteln, eine vom Erblasser getroffene Wertbestimmung ist nicht maßgeblich. Besteht Streit über den Wert des Nachlasses, muss für die Wertfindung gegebenenfalls ein Gutachten eingeholt werden.

     

    PRAXISHINWEIS | Bei der Bewertung von Handelsunternehmen ist zivilrechtlich grundsätzlich nicht der Buchwert, sondern der wirkliche Wert des Unternehmens als wirtschaftliche Einheit unter Berücksichtigung stiller Reserven und unter Aktivierung des Firmenwertes maßgeblich (MüKo-Lange, BGB, 5. Aufl., § 2311, Rn. 38). In der Regel wird dabei der Unternehmenswert durch die Ertragswertmethode bestimmt (MüKo-Lange, a.a.O., § 2311, Rn. 39). Die Verkehrswertfindung im zivilrechtlichen Sinne ist nicht gleichzusetzen mit der bewertungsrechtlichen Wertfindung gemäß § 11 Abs. 2 BewG für erbschaftsteuerliche Zwecke. Da aber auch das gemäß § 11 Abs. 2 BewG maßgebliche Bewertungsverfahren der Findung des gemeinen Wertes i.S. des § 9 BewG dient und der gemeine Wert durch den Preis bestimmt wird, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr

    nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass sich Erbe und Pflichtteilsberechtigter für die Pflichtteilsberechnung einvernehmlich auf den bewertungsrechtlich maßgeblichen Wert verständigen.

     

     

    Zum für die Pflichtteilsberechnung maßgeblichen Wert des Nachlasses gehören sowohl das Grundstück im SBV mit dem Verkehrswert von 1,2 Mio. EUR als auch das sonst noch vorhandene Privatvermögen mit dem Verkehrswert von 1,8 Mio EUR. Das SBV gehört zwar ertragsteuerlich zum Mitunternehmeranteil des U an der KG, zivilrechtlich wird es jedoch nicht von der gesellschaftsvertraglich geregelten Fortsetzungsklausel erfasst, da sich diese nur auf den Gesellschaftsanteil bezieht.

     

    PRAXISHINWEIS | Soll auch das SBV der gesellschaftsvertraglichen Regelung unterworfen werden, müsste es in das Gesamthandsvermögen der KG überführt werden.

     

     

    Fraglich ist, ob auch der Gesellschaftsanteil des U wertmäßig in die Pflichtteilsberechnung einzubeziehen ist. Ist dies der Fall, ergibt sich ein Pflichtteilsanspruch von ¼ von 9 Mio EUR = 2,25 Mio. EUR. Unter Anrechnung des Vermächtnisses i.H. von 1 Mio. EUR verbliebe ein Anspruch von 1,25 Mio. EUR.

     

    Bleibt der Gesellschaftsanteil für die Pflichtteilsberechnung hingegen unberücksichtigt, ergibt sich ein Pflichtteilsanspruch von ¼ von 3 Mio. EUR = 0,75 Mio. EUR. Aufgrund des Vermächtnisses von 1 Mio. EUR hätte T dann bereits mehr bekommen, als ihrem Pflichtteilsanspruch entspricht, sodass es im Ergebnis bei dem Vermächtniserwerb von 1 Mio. EUR verbliebe.

     

    4.1 Fortsetzungsklausel und Pflichtteilsanspruch

    Im Falle der Fortsetzungsklausel wird die Personengesellschaft ausschließlich unter den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt. Die Erben des verstorbenen Gesellschafters werden nicht Mitglieder der Gesellschaft. Die Beteiligung des Verstorbenen wächst den verbleibenden Gesellschaftern an (§ 105 Abs. 2 HGB, § 738 Abs. 1 S. 1 BGB) und fällt somit nicht in den Nachlass. Der Gesellschaftsanteil selbst kann daher bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs nicht berücksichtigt werden (Thoma, ZEV 03, 278 ff.; MüKo-Lange, a.a.O., § 2311, Rn. 38).

     

    Steht den nichtberücksichtigten Erben eine Abfindung zu, fällt der Abfindungsanspruch in den Nachlass. Für den Abfindungsanspruch und damit auch den Pflichtteilsanspruch ist grundsätzlich der wirkliche Wert der Beteiligung des Erblassers unter Berücksichtigung offener und stiller Reserven anzusetzen (MüKo-Lange, a.a.O., § 2311, Rn. 50).

     

    Wurde im Gesellschaftsvertrag allerdings vereinbart, dass die Abfindung abweichend vom Verkehrswert zu berechnen oder diese unter Gleichbehandlung aller Gesellschafter sogar ganz auszuschließen ist, müssen die Erben dies nach herrschender Meinung im Erbfall hinnehmen.

     

    Anders als beim Ausscheiden eines Gesellschafters unter Lebenden ist in den Fällen, in denen nur der Abfindungsanspruch in den Nachlass fällt, die Beschränkung oder gar der Ausschluss nicht untersagt (BGH 22.11.56, II ZR 222/55, BGHZ 22, 186; BGH 14.7.71, III ZR 91/70, WM 71, 1338; Wälzholz, NWB 08, Fach 19, 3974; MüKo-Lange, a.a.O., § 2311, Rn. 50). Entsprechend dem Grundsatz „Gesellschaftsrecht geht vor Erbrecht“ wird davon ausgegangen, dass sich der Gesellschafter bewusst für die Bevorzugung der Mitgesellschafter im Falle seines Todes entschieden hat.

     

    Da der Gesellschaftsvertrag in einem solchen Fall auch für die Höhe des Pflichtteilsanspruchs maßgeblich ist, wird damit grundsätzlich die Möglichkeit anerkannt, Abfindungsbeschränkungen als Gestaltungsmittel zur Abwendung von Pflichtteilsansprüchen einzusetzen. Ist im Gesellschaftsvertrag nur eine geringe oder - wie im vorliegenden Fall - gar keine Abfindung vorgesehen, kann für die Pflichtteilsberechnung aus dem Gesellschaftsanteil nur die vereinbarte Abfindung oder - bei deren völligen Ausschluss - gar nichts berücksichtigt werden.

     

    Dass die gesellschaftsvertragliche Abfindungsregelung auch über die Höhe des Pflichtteilsanspruchs entscheidet, wird allerdings nicht uneingeschränkt akzeptiert. Teilweise wird für die Pflichtteilsberechnung ein grundsätzlicher Ansatz mit dem Verkehrswert des Gesellschaftsanteils unter Gewährung interessengerechter Abschläge gefordert (Bratke, ZEV 00, 16, 18); zumindest wird aber eine Abwägung unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten für erforderlich erachtet (Reimann, ZEV 94, 7 unter Hinweis auf BGH 20.9.93, NJW 93, 3193 m.w.N.).

     

    PRAXISHINWEIS | In dem Urteil des BGH vom 20.9.93 ging es um eine gesellschaftsvertragliche Abfindungsklausel, die für den Fall einer Kündigung eine unter dem wirklichen Anteilswert liegende Abfindung vorsah (BGH 20.9.93, NJW 93, 3193 m.w.N.). Diese wird nach Ansicht des BGH nicht deswegen unwirksam, weil sie infolge eines im Laufe der Zeit eingetretenen groben Missverhältnisses zwischen dem Betrag, der sich aufgrund der vertraglichen Vereinbarung ergibt, und dem wirklichen Anteilswert, geeignet ist, das Kündigungsrecht des Gesellschafters in tatsächlicher Hinsicht zu beeinträchtigen.

     

    Der BGH geht aber davon aus, dass der Inhalt der vertraglichen Abfindungsregelung auch in einem solchen Fall durch ergänzende Vertragsauslegung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unter angemessener Abwägung der Interessen der Gesellschaft und des ausscheidenden Gesellschafters und unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falls entsprechend den veränderten Verhältnissen neu zu ermitteln ist.

     

    Bemerkenswert ist, dass der BGH eine ergänzende Vertragsauslegung befürwortet, bei der er „die gesamten sonstigen Umstände des konkreten Falls“, insbesondere die Dauer der Mitgliedschaft des Ausgeschiedenen, seinen Anteil am Aufbau und Erfolg des Unternehmens und den Anlass des Ausscheidens, berücksichtigt wissen wollte. Im Ergebnis musste deshalb ein Abfindungsbetrag zwischen dem Buch- und Verkehrswert zugrunde gelegt werden, der auch der Vermögens- und Ertragsstruktur des Unternehmens gerecht zu werden hatte.Bemerkenswert ist, dass der BGH eine ergänzende Vertragsauslegung befürwortet, bei der er „die gesamten sonstigen Umstände des konkreten Falls“, insbesondere die Dauer der Mitgliedschaft des Ausgeschiedenen, seinen Anteil am Aufbau und Erfolg des Unternehmens und den Anlass des Ausscheidens, berücksichtigt wissen wollte. Im Ergebnis musste deshalb ein Abfindungsbetrag zwischen dem Buch- und Verkehrswert zugrunde gelegt werden, der auch der Vermögens- und Ertragsstruktur des Unternehmens gerecht zu werden hatte.

     

     

    Ob sich die zu Kündigungsklauseln ergangene Rechtsprechung auch auf die Pflichtteilsberechnung auswirkt, erscheint indes zweifelhaft. Auch wenn die Fortsetzungsklausel ohne Abfindung im vorliegenden Fall dem Erblasser die Möglichkeit gibt, durch Aufnahme des Sohnes in die Gesellschaft den größeren Teil seines Vermögens der Pflichtteilsberechnung zu entziehen, spricht für die herrschende Meinung gleichwohl, dass sich der Wert des Pflichtteilsanspruchs allein aus den zum Nachlass gehörenden Vermögenswerten errechnet.

     

    Auch sollte nicht übersehen werden, dass der Gesellschaftsanteil schon nach den gesetzlichen Vorgaben des HGB (§ 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB, § 161 HGB, § 177 HGB) bei Fehlen einer abweichenden Regelung im Gesellschaftsvertrag nicht in den Nachlass fällt. Eine Einbeziehung des Gesellschaftsanteils in die Pflichtteilsberechnung ist m.E. nicht auf der Ebene des Pflichtteilsanspruchs, sondern auf der Ebene des Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu prüfen (so auch wohl MÜKO-Lange, a.a.O., § 2325, Rn. 33).

     

    4.2 Fortsetzungsklausel und Pflichtteilsergänzungsanspruch

    T könnte einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 Abs. 1 BGB i.V. mit § 2329 BGB gegen S haben, wenn der Erwerb des Gesellschaftsanteils im Wege eines Anwachsungserwerbs als Schenkung zu beurteilen ist.

     

    Pflichtteilsergänzungsansprüche nach §§ 2325, 2329 BGB gegen den verbleibenden Gesellschafter werden von der herrschenden Meinung jedoch ebenfalls abgelehnt. In dem Anwachsungserwerb wird grundsätzlich keine Schenkung gesehen, weil es an einem objektiv unentgeltlichen Rechtsgeschäft und einer Einigung der Vertragspartner über die Unentgeltlichkeit als zivilrechtliche Voraussetzungen einer Schenkung fehle. Die Gesellschafter bekommen vielmehr bei Vertragsabschluss gleichermaßen die Chance eingeräumt, Erwerber des gesamten Gesellschaftsvermögens zu werden (BGH 22.11.56, II ZR 222/55, BGHZ 22, 186; BGH 14.7.71, III ZR 91/70, WM 71, 1338; MÜKO-Lange, a.a.O., § 2325, Rn. 33 m.w.N.).

     

    Für eine OHG betont der BGH, dass die Verpflichtung zur Einbringung der vollen Arbeitskraft und die uneingeschränkte persönliche Haftung für alle Verbindlichkeiten der OHG einer Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung entgegenstehe (BGH 26.3.81, IVa ZR 154/80, NJW 81, 1956).

     

    Der Ablehnung einer (gemischten) Schenkung wird jedoch kritisch entgegengehalten, dass zumindest im Einzelfall eine Schenkung anzunehmen sein könnte, weil es an der erforderlichen Gegenleistung der Mitgesellschafter beim Tode eines Gesellschafters fehlt. Auch die zivilrechtliche Rechtsprechung schließt diese Annahme nicht gänzlich aus:

     

    • Im Urteil vom 14.7.71 betont der BGH, dass es für die Annahme einer Schenkung des Erblassers nicht darauf ankommt, ob die Beteiligten den Gesellschaftsvertrag zu dem Zweck geschlossen haben, die Pflichtteilsansprüche der Abkömmlinge des Erblassers zu vermindern (BGH 14.7.71, III ZR 91/70, WM 71, 1338). Der BGH betont, dass das Gesetz ein solches Erfordernis an keiner Stelle vorsieht. Erst recht komme es nicht darauf an, ob eine solche Absicht der „einzige“ Zweck des Gesellschaftsvertrags war. Andererseits geht der BGH davon aus, dass ein solcher Zweck, wenn er vorhanden gewesen sein sollte, in besonderem Maße für den Schenkungswillen der Beteiligten spreche.

     

    • Auch im Urteil vom 26.3.81 hält der BGH Ausnahmen aufgrund besonderer Umstände, die zu einem krassen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung führen, für denkbar (BGH 26.3.81, IVa ZR 154/80, NJW 81, 1956).

     

    • Nach Auffassung des OLG Schleswig-Holstein kann die Übertragung von Anteilen an einer allein mit der Verwaltung von Vermögen befassten Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Familienhand innerhalb der Familie nach den Umständen des Einzelfalls eine - gegebenenfalls gemischte - Schenkung sein und somit einen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung begründen (OLG Schleswig-Holstein 27.3.12, 3 U 39/11, ErbBstg 12, 175). Nach Auffassung des OLG ist bei einer mit der Verwaltung eigenen Vermögens befassten GbR maßgeblich, dass der Gesichtspunkt der persönlichen Haftung und des Einsatzes der Arbeitskraft in den Hintergrund tritt.

     

    Trotz dieser Einschränkungen durch die Rechtsprechung wird die herrschende Meinung kritisiert (Kohl, MDR 95, 865, 872; Worm, RNotZ 03, 535, 543; Mayer, ZEV 03, 355, 356). Vor allem wird ihr entgegengehalten, dass dem Erblasser entgegen der Grundwertung des § 2325 BGB die Möglichkeit eröffnet wird, durch eine entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelung den ausersehenen Erben zum Nachteil des Pflichtteilsberechtigten das Gesamtvermögen ungeschmälert zu hinterlassen.

     

    Teilweise wird daher gefordert, auch die persönlichen Beziehungen der beteiligten Personen für die Frage des Vorliegens einer Schenkung zu berücksichtigen. Insbesondere sei zur Kontrolle des Ergebnisses zu fragen, ob der jeweilige Vertrag auch mit einem Familienfremden geschlossen worden wäre. Ist dies der Fall, spreche dies als Indiz gegen eine Schenkung; ist dies nicht der Fall, sei eine Schenkung anzunehmen. Im Ausgangssachverhalt können besondere Umstände für eine im Rahmen der Pflichtteilsergänzung zu berücksichtigende Schenkung sprechen:

     

    • Es handelt sich um eine GmbH & Co. KG, bei der weder U noch S uneingeschränkt für die Verbindlichkeiten haften und der Einsatz der Arbeitskraft des S bis zum Tode des U in den Hintergrund tritt.

     

    • Der Vater war ursprünglich mit 100 % Kommanditist der GmbH & Co. KG und hat die Gesellschaft allein aufgebaut hat.

     

    • Der Sohn ist vor dem Tod lediglich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge mit 10 % beteiligt worden.

     

    • Am Gesellschaftsvermögen der KG sind ausschließlich Vater und Sohn beteiligt.

     

    • Die Fortsetzungsklausel kann aufgrund des Altersunterschieds zwischen Vater und Sohn nur zu einem Übergang der Gesellschaftsanteile auf den Sohn führen, ein umgekehrter Übergang ist nicht zu erwarten.

     

    • Die Abfindungsklausel ist nicht aus gesellschaftsrechtlichen, sondern aus erbrechtlichen Gründen modifiziert worden.

     

    Auch wenn der herrschenden Meinung grundsätzlich zu folgen ist, können m.E. die besonderen Umstände des Sachverhalts zu einer Einbeziehung des Werts des Gesellschaftsanteils in die Pflichtteilsberechnung führen. T würde dann zusätzlich zu ihrem Vermächtnis ein Pflichtteilsergänzungsanspruch von weiteren 1,25 Mio. EUR zustehen.

     

    Zu beachten ist, dass die Frist des § 2325 Abs. 3 S. 1 BGB für den Pflichtteilergänzungsanspruch nicht vor dem Tod des Erblassers beginnt; der Verpflichtete kann sich also nicht auf den Zeitpunkt der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung berufen.

    5. Abwandlung zum Sachverhalt

    Im Gesellschaftsvertrag der KG war anlässlich der vorweggenommenen Erbfolge geregelt worden, dass der Anteil des U auf S im Wege einer qualifizierten Nachfolgeklausel übergehen soll. S wird testamentarischer Alleinerbe nach U. Für den Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft erhält er eine Abfindung zu Buchwerten.

     

    5.1 Qualifizierte Nachfolgeklausel und Pflichtteilsanspruch

    Der Gesellschaftsvertrag bestimmt in diesem Fall die Fortsetzung der Gesellschaft mit einem oder einzelnen bestimmten Erben. Denkbar ist insoweit, dass dem Erben der gesamte Gesellschaftsanteil des Erblassers zufallen soll. Nach der Rechtsprechung des BGH ist im Zweifel davon auszugehen, dass der in die Gesellschaft nachfolgende Miterbe unmittelbar die Vollnachfolge antreten und am übrigen Nachlass entsprechend seiner Erbquote beteiligt sein soll (BGH 10.2.77, II ZR 120/75, BGHZ 68, 225, 236, NJW 77, 1339).

     

    Wertmäßig gehört der Gesellschaftsanteil - anders als bei der Fortsetzungsklausel - jedoch zum Nachlass, sodass er bei der Pflichtteilsberechnung berücksichtigt wird. Die Frage eines Pflichtteilergänzungsanspruchs stellt sich insoweit nicht. Es kommt aber bei qualifizierter Nachfolge eines Erben in Anteile des Erblassers an einer Personengesellschaft bei gesellschaftsvertraglichen Abfindungsklauseln unter dem Verkehrswert zum Konflikt

     

    • zwischen Erbrecht und Gesellschaftsvertrag hinsichtlich der Pflichtteilsansprüche gegen den oder die Erben und

     

    • bei qualifizierter Nachfolgeklausel auch hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs nicht beteiligter Miterben gegen den Gesellschaftererben.

     

    Da der Gesellschaftsanteil wertmäßig zum Nachlass gehört, sind Pflichtteilsansprüche im Fall der qualifizierten Nachfolgeklausel nach den wirklichen Werten zu berechnen. Der Ansatz der Vollwerte bedeutet jedoch eine Härte für den Erben, wenn er zur Auszahlung des Pflichtteils seinen Anteil nur zum Buchwert realisieren kann. Der Ansatz der Buchwerte bedeutet hingegen, dass dem Pflichtteilsberechtigten der überschießende wirkliche Wert entzogen wird. Eine solche Entziehung sieht das BGB aber nicht vor.

     

    Die Rechtsprechung hat diese Problematik bisher nicht geklärt. Für die Berechnung werden im Schrifttum Kompromisslösungen vorgeschlagen, um die Unzuträglichkeiten zu vermeiden, die sich für den Gesellschafter-Nachfolger ergeben können (Siebert, NJW 60, 1033; Zimmermann, BB 69, 965; Eiselt, NJW 81, 2447; Winkler, BB 97, 1697, 1702; MüKo-Lange, a.a.O., § 2325, Rn. 33 m.w.N.).

     

    Für die Berechnung des Zugewinns hat der BGH entschieden, dass die eingeschränkte Verwertbarkeit zu einer Minderung des Beteiligungswerts führen kann. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn der Erbe in der Gesellschaft verbleibt. Offengelassen hat er die Frage, ob im Falle der Kündigung des Gesellschaftsvertrags durch den Erben nur auf den konkreten Wert abzustellen ist, den der Erbe von der Gesellschaft erhält (BGH 10.10.79, IV ZR 79/78, NJW 80, 229).

    6. Schlussfolgerungen

    Für die Personen, deren Rechte im Todesfall des Gesellschafters verkürzt werden können, sollten vorsorglich im Vorfeld Verhandlungen über eine vertragliche Absicherung der Interessen des Nachfolgers in den Gesellschaftsanteil einerseits und des Pflichtteilsberechtigten andererseits geführt werden. Dies kann insbesondere über Pflichtteilsverzichtsverträge oder durch Erbverzichtsverträge geschehen. Bei Pflichtteilsverzichtsverträgen ist auch ein gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht bezogen auf den Gesellschaftsanteil möglich.

     

    Einen weniger attraktiven Schutz bieten Pflichtteilsstrafklauseln im Testament. Die testamentarische Regelung, dass derjenige, der nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils den Pflichtteil geltend macht auch nach dem Tod des längerlebenden Elternteils nur den Pflichtteil erhält, versagt, wenn der Gesellschafter zuerst verstirbt und der Wert seines Anteils das überwiegende Vermögen der Eltern darstellt.

     

     

    Weiterführende Hinweise

    • Brüggemann, Fallstricke bei der Aufzählung begünstigter Erwerbe in R E 13b.1 ErbStR 2011, ErbBstg 12, 20 ff.
    • Slabon, Vorsicht vor dem unbedachten Einsatz von Pflichtteilsstrafklauseln, ErbBstg 11, 274 ff.
    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 201 | ID 42224892