· Fachbeitrag · Vorweggenommene Erbfolge
Beendigung einer Betriebsaufspaltung durch Umstrukturierung
von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster
| Der BFH (5.2.14, X R 22/12, DStR 14, 584) hatte sich mit der Frage beschäftigt, welche ertragsteuerlichen Folgen die Übertragung von Wirtschaftsgütern hat, wenn kurz vorher gewillkürtes Betriebsvermögen einem anderen Unternehmen zugeführt wird. Als Beispiel für eine einkommensteuerlich missglückte Umstrukturierung ist die Entscheidung auch für eine Übertragung im Wege vorweggenommener Erbfolge von Bedeutung. Die Problematik und die praktischen Folgen werden anhand eines Musterfalls erläutert. |
1. Musterfall
Im Rahmen einer Betriebsaufspaltung vermietete der im Jahr 1954 geborene K das Grundstück Rolandstraße 6 an die A-GmbH, an der er bis zum 7.2.01 mit 51 % beteiligt war. Das vermietete Grundstück Rolandstraße 6 und die Anteile an der A-GmbH waren notwendiges Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens (EU). Die ebenfalls 51 % betragende Beteiligung an der B-GmbH hatte K als gewillkürtes Betriebsvermögen aktiviert. Die Beteiligung an der B-GmbH war für die betrieblichen Zwecke der A-GmbH zumindest geeignet und wirtschaftlich von nicht untergeordneter Bedeutung, sodass von einem funktionalen Zusammenhang der beiden Kapitalgesellschaften ausgegangen werden muss. Die Anteile an der B-GmbH enthielten zudem stille Reserven von 1.200.000 EUR. K brachte die Anteile an der B-GmbH am 9.1.01 zum Buchwert in das Gesamthandsvermögen der neu gegründeten C-KG ein, an der er als Mitunternehmer beteiligt war. Das Grundstück Rolandstraße 6 enthielt stille Reserven von 3.372.000 EUR.
- Variante 1 (vergleiche BFH 5.2.14, a.a.O.):Die Anteile an der A-GmbH veräußert K am 7.2.01 an einen Dritten zum Preis von 3.600.000 EUR. Die Anschaffungskosten und -nebenkosten betragen 400.000 EUR. Das Grundstück Rolandstraße 6 behält er in seinem Eigentum.
- Variante 2: Die Anteile an der A-GmbH überträgt K am 7.2.01 gemeinsam mit dem Grundstück Rolandstraße 6 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seinen Sohn S.
2. Einkommensteuerliche Folgen der Variante 1
Zu einer Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs. 3 S. 1 EStG i.V. mit § 16 Abs. 2 EStG durch Beendigung der Betriebsaufspaltung kommt es unter anderem, wenn die sachliche Verflechtung zwischen dem Besitzunternehmen und der Betriebsgesellschaft durch Veräußerung der zur Beherrschung führenden Anteile an der A-GmbH wegfällt und nicht zugleich die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung vorliegen. Das übrige bisherige Betriebsvermögen wird dann, soweit es sich noch im Eigentum des Besitzunternehmers befindet, aus rechtlichen Gründen zu Privatvermögen (BFH 22.10.13, X R 14/11, ErbBstg 14, 61, BFH/NV 14, 406 m.w.N.).
2.1 Beendigung der Betriebsaufspaltung in Variante 1
In der Variante 1 hat die Veräußerung der Anteile an der A-GmbH den Fortfall der persönlichen Verflechtung und damit die Beendigung der Betriebsaufspaltung zur Folge. Damit geht das Grundstück Rolandstraße 6 zum gemeinen Wert in das Privatvermögen des K über. Entfallen die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung, führt dies nach der Rechtsprechung des BFH regelmäßig zur Betriebsaufgabe und damit zur Versteuerung der in den Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens enthaltenen stillen Reserven (z.B. BFH 25.8.93, XI R 6/93, BStBl II 94, 23 m.w.N.). Aus der Veräußerung der Anteile an der A-GmbH sowie der Überführung des Grundstücks zum gemeinen Wert in das Privatvermögen des K ergibt sich demnach ein Gewinn in Höhe der aufgedeckten stillen Reserven von 6.572.000 EUR (3.200.000 EUR aus den Anteilen an der A-GmbH und 3.372.000 EUR aus dem Grundstück Rolandstraße 6). Da die Übertragung der Anteile an der B-GmbH gemäß § 6 Abs. 5 EStG zwingend zu Buchwerten erfolgte, wurden insoweit keine stillen Reserven aufgedeckt.
2.2 Anwendung der Tarifbegünstigung
Die aufgedeckten stillen Reserven führen nur dann zu einem tarifbegünstigten Betriebsaufgabegewinn i.S. des § 16 Abs. 3 S. 1 EStG i.V. mit § 16 Abs. 2 EStG, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen entweder an verschiedene Erwerber veräußert oder in das Privatvermögen überführt werden oder eine Kombination aus beiden Möglichkeiten vorliegt. Wird auch nur eine einzige wesentliche Betriebsgrundlage im Rahmen eines anderen Betriebs verwendet und zum Buchwert in das dortige Betriebsvermögen überführt, liegt im Ganzen keine begünstigte Betriebsaufgabe vor (BFH 28.10.64, IV 102/64 U, BStBl III 65, 88; BFH 9.12.86, VIII R 26/80, BStBl II 87, 342; BFH 18.9.02, X R 28/00, BStBl II 03, 133).
2.2.1 Zeitlicher Zusammenhang zwischen den Einzelakten
Wird die Veräußerung der Anteile an der A-GmbH am 7.2.01, die zum Wegfall der Betriebsaufspaltung und damit zur Betriebsaufgabe führte, stichtagsbezogen betrachtet, liegen im Streitfall - ausgehend von dem Wortlaut des § 34 Abs. 3 EStG i.V. mit § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG, § 16 Abs. 3 EStG i.V. mit § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG - die Tatbestandsvoraussetzungen einer tarifbegünstigten Betriebsaufgabe vor, weil bezogen auf diesen Stichtag mit Ausnahme des Grundstücks Rolandstraße 6 keine weiteren wesentlichen Wirtschaftsgüter im EU des Klägers mehr vorhanden waren. Die Anteile an der B-GmbH waren nämlich, seitdem sie am 9.1.01 in die C-KG eingebracht worden waren, nicht mehr dem EU des Klägers, sondern dem Gesamthandsvermögen der C-KG zuzuordnen (BFH 5.2.14, a.a.O., unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung).
Nach Auffassung des BFH ist aber die Einbringung der Anteile an der B-GmbH in die C-KG am 9.1.01 im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung der Anteile an der A-GmbH und der dadurch bewirkten Beendigung der Betriebsaufspaltung am 7.2.01 zu sehen, sodass auch diese Anteile für die Frage der Tarifbegünstigung zu berücksichtigen sind. Der BFH geht in diesem Zusammenhang leider nicht auf die Frage ein, welchen zeitlichen Abstand K hätte einhalten müssen, um die Anteile nicht mehr zu berücksichtigen. Er verweist nur darauf, dass der IV. Senat des BFH unlängst zu Recht entschieden hat, die an Sinn und Zweck der § 34 Abs. 3 EStG i.V. mit § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.V. mit § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG orientierte Auslegung stehe einer auf den Anteilsübertragungszeitpunkt bezogenen isolierten Betrachtung entgegen (BFH 30.8.12, IV R 44/10, BFH/NV 13, 376). Dort hatte der BFH einen Zeitraum von 17 Monaten für schädlich erachtet.
Der Zweck der Tarifvergünstigung nach §§ 16, 34 EStG besteht nach Auffassung des BFH darin, die zusammengeballte Realisierung der während vieler Jahre entstandenen stillen Reserven nicht nach dem progressiven Einkommensteuertarif zu erfassen. Die Tarifvergünstigung setze demnach voraus, dass alle stillen Reserven der wesentlichen Grundlagen des Betriebs in einem einheitlichen Vorgang aufgelöst würden; denn eine Zusammenballung liege nicht vor, wenn dem Veräußerer oder Aufgebenden noch stille Reserven verblieben, die erst in einem späteren VZ aufgedeckt würden (BFH 18.10.99, GrS 2/98, BStBl II 00, 123 m.w.N.). Dies gebiete es, die Tarifvergünstigung dann nicht zu gewähren, wenn aufgrund einheitlicher Planung und in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs wesentliche Betriebsgrundlagen ohne Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven aus dem Betriebsvermögen der Gesellschaft ausgeschieden sind (BFH 5.2.14, a.a.O., unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung).
Diese von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze sind nach Ansicht des BFH auch für den durch das StSenkErgG neugefassten § 34 EStG in der ab 2001 geltenden Fassung anzuwenden. Gegen eine Auslegung dieser Tarifbegünstigungsvorschrift in dem Sinne, dass auf eine Zusammenballung der Einkünfte verzichtet werden könnte, sprechen seiner Ansicht nach sowohl die Entstehungsgeschichte als auch der Wortlaut und der Zweck der Norm.
2.2.2 Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlage
Die Tarifbegünstigung ist somit nicht zu gewähren, wenn die Anteile an der B-GmbH den Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlage als Tatbestandsmerkmal des § 16 EStG erfüllen. Nach gängiger Auffassung ist der Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlage i.S. einer kombiniert funktional-quantitativen Betrachtungsweise auszulegen. Danach gehören zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen sowohl die Wirtschaftsgüter, die zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sind und ein besonderes wirtschaftliches Gewicht für die Betriebsführung besitzen, als auch solche Wirtschaftsgüter, die funktional gesehen für den (Teil-)Betrieb nicht erforderlich sind, in denen aber erhebliche stille Reserven gebunden sind. Diese Auslegung des Begriffs „wesentliche Betriebsgrundlage“ wird mit dem Zweck der Tarifvergünstigung der §§ 16, 34 EStG gerechtfertigt, der allein darin besteht, eine zusammengeballte Realisierung der während vieler Jahre entstandenen stillen Reserven nicht dem progressiven Einkommensteuertarif zu unterwerfen. Eine solche Zusammenballung liegt aber nicht vor, wenn dem Veräußerer/Aufgebenden noch stille Reserven verbleiben, die erst in einem späteren VZ aufgedeckt werden (BFH 18.10.99, GrS 2/98, BStBl II 00, 123 m.w.N.).
Die Anteile an der B-GmbH gehörten nach Auffassung des BFH zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen des EU. Das FG (Hessisches FG 13.4.11, 12 K 1395/07, BB 12, 2942, Vorinstanz) hatte in seinem Urteil seine Überzeugung, die Anteile an der B-GmbH seien eine wesentliche Betriebsgrundlage, damit begründet, in den Anteilen seien nicht nur erhebliche stille Reserven enthalten gewesen, sondern es müsse auch von einem funktionalen Zusammenhang der beiden Kapitalgesellschaften ausgegangen werden. Der Geschäftszweck des EU habe aus dem Halten von Beteiligungen und nicht aus einer gewerblichen Betätigung bestanden.
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3. Einkommensteuerliche Folgen der Variante 2
Bei der Übertragung des Grundstücks Rolandstraße 6 und der zum Betriebsvermögen des Besitzunternehmens gehörenden Anteile an der A-GmbH im Wege vorweggenommener Erbfolge könnte es sich um eine unentgeltliche Betriebsübertragung gemäß § 6 Abs. 3 EStG handeln. Für unentgeltliche Betriebsübertragungen gilt nach gängiger Auffassung nur die funktionale Betrachtungsweise und nicht die quantitative Betrachtungsweise. In der Konsequenz bedeutet dies, dass funktional nicht wesentliche, aber quantitativ wesentliche Betriebsgrundlagen, die anlässlich einer Betriebsverpachtung im Ganzen zum Buchwert in ein anderes Betriebsvermögen überführt oder entnommen werden, die Annahme einer unentgeltlichen Betriebsübertragung (§ 6 Abs. 3 EStG) nicht ausschließen.
Der BFH hatte die Wertung des FG als Vorinstanz übernommen, wonach die Anteile an der B-GmbH eine wesentliche Betriebsgrundlage waren: In den Anteilen seien nicht nur erhebliche stille Reserven enthalten gewesen, sondern es müsse auch aufgrund der veröffentlichten Unternehmensangaben des K von einem funktionalen Zusammenhang der beiden Kapitalgesellschaften ausgegangen werden. Der Geschäftszweck des EU habe aus dem Halten von Beteiligungen und nicht aus einer gewerblichen Betätigung bestanden.
Im BMF-Schreiben vom 3.3.05 zu Zweifelsfragen zu § 6 Abs. 3 EStG im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Übertragung von Mitunternehmeranteilen mit Sonderbetriebsvermögen sowie Anteilen von Mitunternehmeranteilen mit Sonderbetriebsvermögen (BMF 3.3.05, BStBl I 05, 458) wird in Tz. 7 unter Hinweis auf die Gesamtplanrechtsprechung des BFH (BFH 6.9.00, BStBl II 01, 229) darauf verwiesen, dass ein Anteil am Gesamthandsvermögen nicht nach § 6 Abs. 3 EStG zum Buchwert übertragen werden kann, wenn im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Übertragung des Mitunternehmeranteils funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen entnommen oder (z.B. nach § 6 Abs. 5 EStG) zum Buchwert in ein anderes Betriebsvermögen überführt oder übertragen wird.
Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung hat der BFH jedoch entschieden (BFH 2.8.12, IV R 41/11, ErbBstg 13, 3; ebenso Niedersächsisches FG 16.8.13, 2 K 172/12, EFG 13, 1825), dass es der Anwendung des § 6 Abs. 3 EStG nicht entgegensteht, wenn zeitgleich mit der unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils ein funktional wesentliches Wirtschaftsgut des Sonderbetriebsvermögens nach § 6 Abs. 5 EStG zum Buchwert übertragen wird. Die Privilegierungen gemäß § 6 Abs. 3 EStG und § 6 Abs. 5 EStG stehen nach Auffassung des IV. Senats des BFH gleichberechtigt nebeneinander und führen auch bei gleichzeitiger Anwendung nicht zu einer ungewollten Kumulation von Steuerbegünstigungen. Vielmehr führe die Anwendung in beiden Fällen dazu, dass die stillen Reserven steuerverhaftet bleiben.
Dabei steht auch der gleichzeitige Eintritt der Rechtsfolgen beider Normen dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht entgegen. § 6 Abs. 3 EStG begünstige nämlich grundsätzlich die Generationennachfolge, während § 6 Abs. 5 EStG die Unternehmensumstrukturierung begünstige. In beiden Fällen sollen aber aufgrund der Unentgeltlichkeit der Vorgänge dem Unternehmen keine liquiden Mittel entzogen werden. Aufgrund dieser anderen Zweckbestimmung können nach Auffassung des IV. Senats des BFH die den §§ 16, 34 EStG zugrunde liegenden und in eine andere Richtung gehenden Wertungen des Gesetzgebers nicht ohne Weiteres auf § 6 Abs. 3 EStG und § 6 Abs. 5 EStG angewendet werden. Auch wenn das Urteil inhaltlich überzeugt, ist es von der Finanzverwaltung allerdings mit einem vorläufigen Nichtanwendungserlass belegt worden (BMF 12.9.13, BStBl I 13, 1164 und ergänzend hierzu OFD Frankfurt 11.10.13, DStR 13, 2570), sodass zurzeit noch Rechtsunsicherheiten bezüglich dieser Wertung bestehen.
Wird der Ansicht des BFH gefolgt, lassen sich die Aussagen sinngemäß auch auf den hier vorliegenden Fall der Übertragung einer Betriebsaufspaltung übertragen. Trotz der vorangegangenen Übertragung der B-GmbH-Anteile liegt dann eine unentgeltliche Übertragung der zum Besitzunternehmen gehörenden Anteile an der A-GmbH und des Grundstücks Rolandstraße 6 gemäß § 6 Abs. 3 EStG vor und es würden keine stillen Reserven aufgedeckt. Nach der (noch) von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung käme es hingegen zum gleichen einkommensteuerlichen Ergebnis wie in Variante 1; es wäre ein nicht tarifbegünstigter Gewinn von 5.120.000 EUR zu versteuern.
4. Erbschaftsteuerliche Folgen der Variante 2
Wird der Auffassung des BFH zu § 6 Abs. 3 EStG gefolgt, wäre für die Übertragung des Besitzunternehmens die Begünstigung des § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG - vorbehaltlich des Verwaltungsvermögenstests - zu gewähren. Die von der Finanzverwaltung zurzeit noch vertretene einkommensteuerliche Ablehnung einer unentgeltlichen Betriebsübertragung in der Variante 2 hat erbschaftsteuerlich zur Konsequenz, dass kein Betrieb in Form eines Besitzunternehmens übertragen wird, sondern einzelne Wirtschaftsgüter. Die Begünstigungen des § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG wären dann nicht zu gewähren. Da K aber im Zeitpunkt der Schenkung mit unmittelbar mehr als 25 % an der GmbH beteiligt ist, ist m.E. hierfür die Steuerverschonung des § 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 1 ErbStG für Kapitalgesellschaften zu gewähren.