· Fachbeitrag · Aktuelle Gesetzgebung
Der Inhalt der EU-Erbrechtsverordnung im Überblick
von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster
| Die europäische Verordnung zum internationalen Erb- und Erbverfahrensrecht (EuErbVO) ist nach mehr als 10-jähriger Vorbereitung am 16.8.12 in Kraft getreten. Sie kommt in allen EU-Staaten außer Dänemark, Irland und Großbritannien zur Anwendung und gilt auch im Verhältnis zu Staatsangehörigen oder Ansässigen außerhalb der teilnehmenden Staaten (Art. 20 EuErbVO, EG 82 und 83). |
1. Von der Verordnung erfasstes und nicht erfasstes Recht
Die Verordnung (VO) führt zu Änderungen bzw. Ergänzungen im internationalen Erbrecht (Kollisionsrecht), der internationalen Zuständigkeit in Erbsachen, der Anerkennung und Vollstreckung erbrechtlicher Entscheidungen und zur erstmaligen Schaffung eines europäischen Nachlasszeugnisses (ENZ). Keiner Änderung unterworfen sind
- das nationale materielle Erbrecht;
- das nationale Erbschaftsteuerrecht (unter Beachtung vorhandener DBA);
- das nationale materielle Güterrecht;
- die kollisionsrechtlichen Regelungen zum Güterrecht (EU-Verordnungen zum Güterkollisionsrecht sind in Vorbereitung);
- das Prinzip der Nachlasseinheit (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO).
2. Inkrafttreten der Verordnung
Nach Art. 84 UAbs. 1 EuErbVO ist die Verordnung am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft getreten. Da die Veröffentlichung am 27.7.12 erfolgte, ist dies der 16.8.12. Im Wesentlichen wird die Verordnung aber erst nach einer 3-jährigen Übergangszeit in allen Mitgliedstaaten verbindlich (Art. 84 UAbs. 2 EuErbVO). Sie ist also anwendbar auf Todesfälle, die ab dem 17.8.15 eintreten (Art. 83 Abs. 1 EuErbVO). Dies gilt auch, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt ein Testament errichtet wurde.
2.1 Todesfälle zwischen dem 16.8.12 und dem 17.8.15
Tritt der Erbfall vor dem 17.8.15 ein, bleibt es bei der Maßgeblichkeit desjenigen Erbstatuts, welches sich aus den nationalen Kollisionsnormen der Mitgliedstaaten ergibt. Dieses Recht gilt dann weiterhin auch für solche Rechtsfragen (Nachlassabwicklung, Erbenhaftung, Befugnisse des Testamentsvollstreckers usw.), die sich erst nach Inkrafttreten der VO stellen. Das vor dem Stichtag maßgebende Kollisionsrecht entscheidet dann auch darüber, ob der Erblasser eine wirksame Rechtswahl vornehmen konnte oder nicht.
2.2 Rechtswahl vor dem 17.8.15 und Todesfall nach dem 16.8.12
Eine vor dem 17.8.15 getroffene Rechtswahl sowie eine vor dem 17.8.15 errichtete Verfügung von Todes wegen kann auch Rechtswirkungen für die Zeit nach dem 16.8.15 entfalten (Art. 83 Abs. 2 und 3 EuErbVO), wenn sie
- nach den zum Zeitpunkt der Rechtswahl geltenden IPR-Vorschriften (bzw. dem Sachrecht) des Heimatstaats des Erblassers oder des Orts seines gewöhnlichen Aufenthalts oder
- aufgrund der in Kapitel III der VO enthaltenen Kollisionsnormen (siehe unten)
wirksam, d.h. in zulässiger Weise und rechtlich einwandfrei vorgenommen worden ist (Dörner, ZEV 12, 505, Fußnote 9).
PRAXISHINWEIS | Da sich die Erbfolge gemäß Art. 21 EuErbVO nach dem Recht des Aufenthaltsorts richtet, nach Art. 22 EuErbVO aber eine Wahl des Erbstatuts möglich ist, kann ein im Ausland lebender Erblasser seine Nachlassplanung für die Zeit nach dem Stichtag bereits heute durch Wahl seines Heimatrechts auf eine verlässliche Grundlage stellen, auch wenn diese Möglichkeit aus Sicht der derzeitigen Rechtslage nicht besteht. Art. 83 Abs. 4 EuErbVO fingiert insoweit, dass der Erblasser seine Rechtsnachfolge diesem Recht unterstellt hat (Dörner, a.a.O., 505, 506 und 510 ff.). Die bisherige auf Inlandsimmobilien beschränkte Rechtswahl eines ausländischen Staatsangehörigen zugunsten des deutschen Erbrechts nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB wird ab dem 17.8.15 unwirksam (Lehmann, ZEV 12, 533). |
3. Sachlicher Anwendungsbereich der Verordnung
Der sachliche Anwendungsbereich bestimmt den Umfang des der ErbStVO unterliegenden Rechts.
3.1 Anwendbarkeit für die „Rechtsnachfolge von Todes wegen“
Die Verordnung gilt für die „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ (Art. 1 Abs. 1 S. 1 EuErbVO). Für diesen Begriff gilt ein europäisches Sprachverständnis. Der europäische Gesetzgeber meint damit „alle zivilrechtlichen Aspekte“ des „Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten“ im Todesfall und zwar unabhängig davon, ob sich dieser Übergang durch Verfügung von Todes wegen oder im Wege gesetzlicher Erbfolge vollzieht (Art. 3 Abs. 1a EuErbVO und EG 9). Dazu gehören nach Art. 23 Abs. 2 EuErbVO „insbesondere“
- Berufungsgrund und Zeitpunkt der Erbfolge,
- die Bestimmung der Nachlassberechtigten, ihrer Anteile und Pflichten,
- Erbfähigkeit,
- Enterbung und Erbunwürdigkeit,
- Art und Weise des Übergangs von Todes wegen einschließlich der Frage nach Zulässigkeit und materieller Wirksamkeit von Annahme und Ausschlagung,
- die Befugnisse der Erben und Nachlassverwalter (Testamentsvollstrecker) zur Veräußerung von Nachlassvermögen,
- die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten,
- die Noterb- und Pflichtteilsrechte,
- Ausgleichungs- und Anrechnungsregeln,
- sowie die Rechtsfragen der Nachlassteilung.
3.2 Abgrenzung zu anderen Rechtsbereichen
In Art. 1 Abs. 2 EuErbVO werden bestimmte Bereiche im Wege der Abgrenzung vom Anwendungsbereich der EuErbVO ausgenommen.
3.2.1 Güterrechtliche Beziehungen
Fragen des Ehegüterrechts bzw. der güterrechtlichen Beziehungen in Lebenspartnerschaften oder eheähnlichen Gemeinschaften sind nach Art. 1 Abs. 2d EuErbVO, Art. 23 Abs. 2 EuErbVO vom Anwendungsbereich der VO grundsätzlich ausgenommen, können aber für die Erbquotenfindung von Bedeutung sein (Dörner, a.a.O., 505, 508):
- Die Erhöhung der Erbquote um ¼ gemäß § 1371 Abs. 1 BGB kommt jedenfalls dann zur Anwendung, wenn ein mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt im Inland versterbender (in- oder ausländischer) Erblasser gemäß Art. 21 Abs. 1 EuErbVO nach deutschem Recht beerbt wird und seine güterrechtlichen Verhältnisse gemäß Art. 15 Abs. 1 EGBGB, 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EGBGB ebenfalls deutschem Recht unterstehen.
- Dies gilt auch dann, wenn ein deutscher Erblasser mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat nach Art. 22 Abs. 1 EuErbVO für sein Heimatrecht optiert und die güterrechtlichen Kollisionsnormen des Aufenthaltsstaates zum deutschen Recht und damit zur Anerkennung der Zugewinngemeinschaft führen.
PRAXISHINWEIS | Abgrenzungsprobleme entstehen weiterhin, wenn güterrechtliche Anknüpfungen beider Staaten zu unterschiedlichen Güterrechten führen, weil z.B. aus deutscher Sicht Zugewinngemeinschaft gilt, dies aber aus Sicht des Aufenthaltsstaats zu verneinen ist. Solange dieser Konflikt nicht durch eine EU-Verordnung zum Güterkollisionsrecht gelöst ist, kann es in diesem Fall dazu kommen, dass die Erbquoten aufgrund der Anwendung unterschiedlichen Rechts nicht übereinstimmen. |
3.2.2 Rechtsgeschäfte unter Lebenden
Rechtsgeschäfte unter Lebenden nimmt Art. 1 Abs. 2g EuErbVO grundsätzlich vom Anwendungsbereich der VO aus, lässt jedoch eine Berücksichtigung derartiger Zuwendungen im Rahmen der Anrechnungs- und Ausgleichungsregeln des jeweils anwendbaren Erbstatuts (Art. 23 Abs. 2i EuErbVO) ausdrücklich zu. Betroffen sein dürften insbesondere Lebensversicherungsverträge sowie andere Verträge zugunsten Dritter auf den Todesfall wie Spar-, Konten-, Depotverträge.
Bei Schenkungen auf den Todesfall wird angenommen, dass der Vermögensübergang im Todeszeitpunkt den erbrechtlichen Regeln unterworfen wird, weil er auf einer Verfügung von Todes wegen beruht (Dörner, a.a.O., 505, 508).
3.2.3 Gesellschaftsrechtliche Verhältnisse
Bei der Abgrenzung von Erb- und Gesellschaftsstatut ist davon auszugehen, dass Art. 1 Abs. 2h EuErbVO dem Gesellschaftsstatut den Vorrang einräumt, soweit dieses spezifische Regeln für die Zuweisung der Anteile verstorbener Gesellschafter kennt. Sonderregeln über die Vererbung von Anteilen an Personengesellschaften (Fortsetzungs-, Eintritts-, Nachfolgeklauseln usw.) gehen danach dem erbrechtlichen Gesamtstatut vor. Da das Gesellschaftsstatut auch bestimmt, ob die Gesellschafterstellung als solche überhaupt vererblich ist, beurteilt sich die Vererbung von Anteilen an Kapitalgesellschaften in der Regel nach dem Erbstatut (zu Einzelfragen Leitzen, ZEV 12, 520).
4. Internationale Zuständigkeiten
Für Entscheidungen in Erbsachen sind in Bezug auf den gesamten Nachlass die Gerichte oder sonstige staatliche Stellen, z.B. Notare, im letzten gewöhnlichen Aufenthaltsstaat des Erblassers ausschließlich zuständig (Art. 4 EuErbVO). Ausnahmen gelten im Falle einer Rechtswahl (Art. 5 bis 7 und Art. 23 Abs. 2 EuErbVO), im Falle einer rügelosen Einlassung (Art. 9 EuErbVO), bei gewöhnlichem Aufenthalt des Erblassers in einem Drittstaat (Art. 10 EuErbVO), für die Entgegennahme erbrechtlicher Erklärungen, z.B. Ausschlagung oder Erbschaftsannahme (Art. 13 EuErbVO) und bei Fehlen eines anderweitigen Gerichtsstands (Art. 11 Art. 23 Abs. 2 EuErbVO).
5. Anzuwendendes Recht
Die EuErbVO geht im Rahmen einer objektiven Anknüpfung vom Aufenthaltsrecht (Art. 21 EuErbVO) als anzuwendendem Recht aus und erlaubt dem Erblasser die Wahl seines Heimatrechts (Art. 22 EuErbVO).
5.1 Anknüpfungspunkt gewöhnlicher Aufenthaltsort des Erblassers
Art. 21 Abs. 1 EuErbVO verwirklicht das Prinzip der Nachlasseinheit: In allen VO-Mitgliedstaaten richtet sich die Erbfolge in (un-)bewegliches Vermögen nach dem Recht des letzten Erblasseraufenthalts.
PRAXISHINWEIS | Nach Art. 75 Abs. 1 UAbs. 1 und Abs. 2 EuErbVO bleiben die erbrechtlichen Staatsverträge zwischen Mitglied- und Drittstaaten unberührt, sodass vorrangig zu beachtende Staatsverträge, wie in Deutschland mit der Türkei, dem Iran und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, in Kraft bleiben. |
Allerdings wird die Anknüpfung des Art. 21 Abs. 1 in Abs. 2 EuErbVO durch eine Ausweichklausel ergänzt: Hat der Erblasser nach der Gesamtheit der Umstände zum Zeitpunkt seines Todes engere Beziehungen zu einem anderen Staat, so unterliegt die Erbfolge dem Recht dieses Staates (zu Einzelheiten siehe Dörner, a.a.O. S. 510/511).
5.2 Wahl des Erbstatuts
Der Erblasser kann bestimmen (Art. 22 Abs. 1 EuErbVO), dass er nach seinem Heimatrecht - bei Doppelstaatlern nach einem der Heimatrechte - zum Zeitpunkt seines Todes oder zum Zeitpunkt der Rechtswahlerklärung beerbt werden will. Der Erblasser kann die Anwendung des Aufenthaltsrechts zugunsten einer ihm besser vertrauten Rechtsordnung vermeiden. Die Wahl kann ausdrücklich erfolgen oder sich konkludent aus dem Inhalt einer Verfügung von Todes wegen ergeben (Art. 22 Abs. 2 EuErbVO). Eine ausdrückliche Wahl ist empfehlenswert, um Auslegungsstreitigkeiten zu vermeiden.
6. Anerkennung gemeinschaftlicher Testamente/Erbverträge
Gemeinschaftliche Testamente und Erbverträge sind künftig zur Nachfolgeregelung von Auslandsvermögen innerhalb der EU geeignet, insbesondere auch im Verhältnis zu Italien. Die Anknüpfung des anwendbaren Rechts erfolgt nach Art. 24 EuErbVO bzw. Art. 25 EuErbVO. Wird ein gemeinschaftliches Testament gewünscht, sollte dieses eine ausdrückliche Rechtswahl enthalten. Zudem wird empfohlen, die für den gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Errichtung relevanten Umstände zu dokumentieren, um Streit bei einer erforderlichen objektiven Anknüpfung vorzubeugen (zu Einzelheiten Nordmeier, ZEV 12, 513).
In der Rechtsprechung deutscher Gerichte findet sich zwar die Überlegung, in der Errichtung eines dem deutschen Recht bekannten, anderen vom Sachverhalt berührten Rechten aber unbekannten gemeinschaftlichen Testaments ein gewichtiges Indiz für eine konkludente Wahl deutschen Rechts nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB zu erblicken (OLG Zweibrücken 28.5.02, 3 W 218/01, ZEV 03, 162; LG München I 5.2.07, 13 T 13484/06, ZEV 07, 434, 435; LG Stuttgart 11.9.02, 19 T 313/02, MittBayNotZ 03, 305, 306); diese Rechtsprechung ist jedoch nicht unumstritten und mehrfach beschränkt: So gilt die Rechtswahl zurzeit nur für in Deutschland belegenes, unbewegliches Vermögen.
Da die EuErbVO die Rechtswahl im Hinblick auf die Belegenheit der Nachlassgüter oder deren Beweglichkeit nicht beschränkt und eine Teilrechtswahl nicht gestattet, kann in der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments durch deutsche Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland die konkludente Wahl deutschen Rechts für das gesamte gemeinschaftliche Testament liegen. Der bisherige Ansatz der Rechtsprechung könnte daher durchaus auf die EuErbVO (Art. 24 Abs. 2 EuErbVO) übertragbar sein (siehe auch EG 39 S. 2 Alt. 1). Da dies jedoch immer einer Einzelfallbetrachtung unterworfen bleibt, ist eine ausdrückliche Rechtswahl vorzuziehen.
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Aus der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments eines deutschen Ehepaars mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich lässt sich kein hinreichend sicherer Schluss auf die Wahl deutschen Rechts ziehen, da auch das österreichische Sachrecht gemeinschaftliche Testamente kennt. |
Wollen Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner in Fällen mit grenzüberschreitenden Bezügen bindend von Todes wegen verfügen, wird wegen der größeren Rechtssicherheit auf kollisionsrechtlicher Ebene allerdings der Abschluss eines Erbvertrags empfohlen und vorgezogen (Nordmeier, a.a.O.).
7. Formfragen
Die VO sieht Kollisionsnormen zur Formgültigkeit erbrechtlicher Rechtsgeschäfte vor (Art. 27, 28 EuErbVO). Die Rechtswahl ist formgültig, wenn sie eine der in Art. 27 EuErbVO für Verfügungen von Todes wegen vorgesehenen Formen einhält (Art. 27 Abs. 2 EuErbVO). Änderung oder Widerruf einer Rechtswahl sind nach Art. 27 Abs. 4 EuErbVO formgerecht erfolgt, wenn diejenigen Formvorschriften beachtet worden sind, welche eine der in Art. 27 Abs. 2 und 1 EuErbVO genannten Rechtsordnungen für die Änderung oder den Widerruf einer Verfügung von Todes wegen vorsieht.
8. Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ)
Mit dem ENZ (Art. 62 bis 73 EuErbVO) setzt der europäische Gesetzgeber einen Meilenstein in der europäischen Rechtsentwicklung. Das ENZ hat Legitimationswirkung und vermittelt Gutglaubensschutz. Es tritt alternativ neben den deutschen Erbschein und das deutsche Testamentsvollstreckerzeugnis. Das ENZ führt auch Vermächtnisnehmer und einzelne Nachlassgegenstände auf. Seine Wirkung ist regelmäßig auf 6 Monate befristet, aber verlängerbar. Es kann bei Unrichtigkeit nicht eingezogen werden.
Da das ENZ die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zur Ausstellung nationaler Zeugnisse auch bei internationalen Sachverhalten unberührt lässt (Art. 62 Abs. 3 S. 1 EuErbVO), können deutsche Nachlassgerichte weiterhin sogenannte Fremdrechtserbscheine ausstellen. Dies bedeutet aber nicht, dass nationale Zeugnisse staatlicher Stellen in Zukunft in den anderen Mitgliedstaaten etwa nach Art. 39 Abs. 1 EuErbVO in jedem Fall anzuerkennen wären.
Zwar kann der Rechtsverkehr davon ausgehen, dass ein ausländisches Zeugnis angesichts der in den Mitgliedstaaten vereinheitlichten Kollisionsnormen die Nachlassbeteiligungen nach demselben Erbstatut ausweist wie ein inländischer Erbschein. Gleichwohl bietet die fremde Erbbescheinigung nicht den erforderlichen Schutz, weil der inländische Adressat in der Regel weder die Zuständigkeit der ausstellenden Institution beurteilen noch die Rechtswirkungen der Bescheinigung ermessen kann.
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Ein deutscher Erbschein, der beim Tod eines in Zugewinngemeinschaft lebenden Ehegatten die erb- und güterrechtlichen Quoten der § 1931 Abs. 1 BGB, § 1371 Abs. 1 BGB als einheitlichen Erbteil ausweist, kann bei Vorlage im Ausland Verwirrung stiften. Wer sich also auf ein ausländisches nationales Zeugnis verlässt, handelt auf eigene Gefahr. Aus den gleichen Gründen muss sich ein inländischer Adressat nicht mit einer die Erbfolge dokumentierenden öffentlichen, in einem anderen Mitgliedstaat errichteten (z.B. notariellen) Urkunde i.S. des Art. 59 Abs. 1 EUErbVO zufrieden geben, sondern kann die Vorlage eines ENZ verlangen. |
Das ENZ wird hier eine weitaus sicherere Handhabung ermöglichen. Es kann seine Aufgabe allerdings nur erfüllen, wenn alle VO-Mitgliedstaaten bei der Bestimmung der Rechtsnachfolge von Todes wegen im konkreten Fall zu identischen Ergebnissen gelangen (zu Einzelfragen Dörner, a.a.O.; Buschbaum/Simm, ZEV 12, 525; Vollmer, ZErb 12, 227, 233; zur Bedeutung des Zeugnisses in der Grundbuchpraxis Wilsch, ZEV 12, 530).