· Fachbeitrag · Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz
Ende der Cash-Gesellschaft, Unternehmen können aber weiter bis zu 70 % aus Finanzmitteln bestehen
von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster
| Der Vermittlungsausschuss hat sich am 5.6.13 über den Inhalt des Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz geeinigt und unter anderem die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen zum ErbStG mit einer Abweichung übernommen. Der Bundestag hat das Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz am 6.6.13 beschlossen und der Bundesrat hat bereits am 7.6.13 zugestimmt. |
1. Entwicklung
Der Bundestag hatte am 17.1.13 den Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses vom 13.12.12, der die steuerliche Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften einschloss, abgelehnt und damit das JStG 2013 scheitern lassen. Daraufhin hat der Bundestag am 19.2.13 (BT-Drucks. 17/12375) einen neu gefassten Entwurf eines Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetzes vorgelegt. Dieser Gesetzentwurf des Bundestags enthielt auch Teile des Kompromissvorschlags, sah aber keine Änderung des ErbStG vor. Der Bundesrat hat nahezu parallel hierzu am 22.2.13 einen neuen Entwurf eines JStG 2013 auf den Weg gebracht, mit dem ebenfalls das einvernehmliche Teilergebnis des Vermittlungsverfahrens umgesetzt werden sollte. Als „erste Reaktion“ auf den Vorlagebeschluss des BFH zum ErbStG sah der vom Bundesrat vorgelegte Entwurf des JStG 2013 auch Änderungen des ErbStG vor.
Die Entwürfe führten dazu, dass der Vermittlungsausschuss erneut angerufen wurde. Dieser hat sich am 5.6.13 über den Inhalt des Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetzes geeinigt und unter anderem die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen zum ErbStG mit einer Abweichung übernommen. Der vom Bundesrat vorgelegte Entwurf eines JStG 2013 hat sich damit erledigt. Der Bundestag hat das Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz am 6.6.13 beschlossen und der Bundesrat bereits am 7.6.13 zugestimmt.
Nach § 37 Abs. 8 ErbStG sind die Neuregelungen zum ErbStG auf Erwerbe anzuwenden, bei denen die Steuer nach dem 6.6.13 entsteht. Die vom Bundesrat vorgeschlagene und verfassungsrechtlich bedenkliche Anwendung auf Erwerbe, für die die Steuer nach dem 13.12.12 entsteht, ist damit nicht übernommen worden (Brüggemann, ErbBstg 13, 67 ff.). Damit wird insbesondere die Begünstigung der Cash-Gesellschaften nicht rückwirkend aberkannt.
2. Lohnsummenklausel
Der Vorschlag zur Lohnsummenklausel ist unverändert übernommen worden. Gemäß § 13a Abs. 1 S. 4 ErbStG gilt die Lohnsummenklausel nicht, „wenn die Ausgangslohnsumme 0 Euro beträgt oder der Betrieb unter Einbeziehung der in Abs. 4 Satz 5 genannten Beteiligungen und der nach Maßgabe dieser Bestimmung anteilig einzubeziehenden Beschäftigten nicht mehr als 20 Beschäftigte hat.“ § 13a Abs. 4 S. 5 ErbStG wird entsprechend ergänzt.
Gehören zum Betriebsvermögen Beteiligungen an einer Personengesellschaft oder Anteile an einer Kapitalgesellschaft i.S. des § 13a Abs. 4 S. 5 ErbStG, die in die Lohnsummenklausel einzubeziehen sind, sollen also nicht nur - wie bisher - die Lohnsummen, sondern zukünftig auch die Anzahl der Beschäftigten dieser Gesellschaften anteilig einbezogen werden.
PRAXISHINWEIS | Dem Wortlaut nach sind auch bei einer Betriebsaufspaltung die Beschäftigten der Betriebsgesellschaft der Besitzgesellschaft zuzurechnen. M.E. wiederspricht dies im bisherigen Recht der Auslegung des BFH in dem Vorlagebeschluss (BFH 27.9.12, II R 9/11, ErbBstg 13, 26) vorangegangenen Beiladungsbeschluss (BFH 5.10.11, II R 9/11, ErbBstg 12, 15 ff.). Dort sieht der BFH in der Betriebsaufspaltung ein Modell, mit dem die Lohnsummenklausel für die Besitzgesellschaft in verfassungsrechtlich verwerflicher Weise umgangen werden kann, weil diese nicht mehr als 20 Beschäftigte hat und ihr die Arbeitnehmer der Betriebsgesellschaft nicht zugerechnet werden (Brüggemann, ErbBstg 13, 67 ff.). |
3. Ausschluss der Cash-Gesellschaften aus der Begünstigung
§ 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG soll um eine neue Nr. 4a ergänzt werden. Danach soll als Verwaltungsvermögen auch anzusehen sein „der gemeine Wert des nach Abzug des gemeinen Werts der Schulden verbleibenden Bestands an Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und anderen Forderungen, soweit er 20 % (ursprünglich vorgesehen 10 %) des anzusetzenden Werts des Betriebsvermögens des Betriebs oder der Gesellschaft übersteigt“. Um den „Finanzierungsbelangen in nicht steuergestalterisch angelegten Unternehmenskonstellationen Rechnung zu tragen“ wird somit ausschließlich für die Fälle der neuen Nr. 4a eine Saldierung mit den Schulden des Unternehmens ermöglicht, sodass - nur insoweit, nicht also bei anderen Arten von Verwaltungsvermögen - Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen, Bankschulden oder z.B. auch Pensionsrückstellungen zugunsten von Arbeitnehmern gegengerechnet werden können.
Soweit sich auch unter Berücksichtigung der vorstehenden Regelungen noch ein Überschuss an Finanzmitteln ergibt, der zu Verwaltungsvermögen führt, ist dieser Überschuss nur dann begünstigungsschädlich, wenn das Verwaltungsvermögen im Falle der 85 %-Regelverschonung insgesamt die 50 %-Grenze des § 13b Abs. 2 S. 1 ErbStG übersteigt. Da die Finanzmittel nur Verwaltungsvermögen sind, soweit sie 20 % des Unternehmenswerts übersteigen, sind die ersten 20 % als Freibetrag anzusehen. Im Ergebnis kann also ein Unternehmen, sogar wenn es keine Schulden hat, neben 30 % begünstigungswürdigem „Produktivvermögen“ unter Berücksichtigung der 20 %-Grenze des § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 4a S. 1 ErbStG insgesamt zu weiteren 70 % aus Finanzmitteln bestehen.
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Der festgestellte Wert einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft beträgt 10.000.000 EUR. Bezogen auf die Beteiligung betragen das „Produktivvermögen“ 3.000.000 EUR und die Finanzmittel 7.000.000 EUR. |
Lösung: Da die Finanzmittel von 7.000.000 EUR nur als Verwaltungsvermögen anzusehen sind, soweit sie 20 % von 10.000.000 EUR überschreiten (= Freibetrag), sind sie nur i.H. von 5.000.000 EUR als Verwaltungsvermögen anzusehen. Da das Verwaltungsvermögen im Verhältnis zum gemeinen Wert von 10.000.0000 EUR nicht mehr als 50 % beträgt, ist die Steuerverschonung von 85 % zu gewähren. |
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Der festgestellte Wert einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft beträgt 4.800.000 EUR. Die Kapitalgesellschaft ist Eigentümerin eines zum Verwaltungsvermögen gehörenden Grundstücks. Bezogen auf die Beteiligung betragen der gemeine Wert des Grundstücks 1.600.000 EUR und die Finanzmittel 2.800.000 EUR, dem stehen Verbindlichkeiten i.H. von 1.200.000 EUR gegenüber, die i.H. von 600.000 EUR im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Grundstück stehen.
Lösung:Es ergibt sich ein Überschuss der Finanzmittel von (2.800.000 EUR ./. 1.200.000 EUR =) 1.600.000 EUR, die i.H. von (1.600.000 EUR ./. (20 % von 4.800.000 EUR) =) 640.000 EUR als Verwaltungsvermögen anzusehen sind. Das Grundstück ist im Wert von 1.600.000 EUR (ohne Abzug der Verbindlichkeiten) als Verwaltungsvermögen anzusehen. Gemeinsam mit dem Grundstück ergibt sich Verwaltungsvermögen von 2.240.000 EUR. Da dies im Verhältnis zum gemeinen Wert der Beteiligung von 4.800.0000 EUR nicht mehr als 50 % beträgt, ist die Steuerverschonung von 85 % zu gewähren. |
Auch die Zurechnung zum jungen Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 2 S. 3 ErbStG) soll sich „bei Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und anderen Forderungen (§ 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 4a ErbStG) aus dem positiven Saldo der eingelegten und der entnommenen Wirtschaftsgüter“ ergeben. § 13b Abs. 2 Nr. 4a S. 2 und S. 3 ErbStG schaffen zudem Bereichsausnahmen für die Finanzmittel, die dem Hauptzweck eines Kreditinstituts oder einer Versicherung dienen sowie für konzerninterne Finanzierungsgesellschaften.
4. Junges Verwaltungsvermögen bei Beteiligungen
Gehören zum Betriebsvermögen eine Beteiligung an einer Personengesellschaft oder Anteile an einer Kapitalgesellschaft von mehr als 25 %, ist der dem bei der Tochtergesellschaft vorhandenen jungen Verwaltungsvermögen entsprechende Teil des Werts der Beteiligung oder der Anteile bei dem Betrieb oder der Gesellschaft, die die Beteiligung oder die Anteile unmittelbar hält, nur bei der Prüfung des 50 %-Anteils als Verwaltungsvermögen und nicht zusätzlich als junges Verwaltungsvermögen zu berücksichtigen. Umfasst eine Beteiligung an einer Personengesellschaft nicht das gesamte Vermögen der Gesellschaft oder werden nicht alle Anteile an einer Kapitalgesellschaft gehalten, wirkt sich das junge Verwaltungsvermögen dieser Beteiligung oder Anteile lediglich entsprechend der gehaltenen Beteiligung oder Anteile auf das Verwaltungsvermögen des die Beteiligung bzw. Anteile haltenden Betriebs bzw. der Gesellschaft aus (R E 13b.19 Abs. 4 S. 1 und 2 ErbStR 2011). In Bestätigung der Auslegung der Finanzverwaltung soll - wie bereits in 2012 vorgeschlagen - in § 13b Abs. 2 S. 7 ErbStG angefügt werden, dass „bei der rechnerischen Ermittlung der Quote des Verwaltungsvermögens keine Beschränkung auf den Wert des Anteils erfolgt“ (Brüggemann, ErbBstg 12, 189, 192 f.).