· Fachbeitrag · Checkliste
Die 24 wichtigsten Fragen zum Erbscheinverfahren
| Der Erbe muss seine durch Erbfolge erworbene Rechtsstellung einerseits gegenüber Privatpersonen und öffentlichen Stellen nachweisen, andererseits müssen Dritte auf seine Erbenstellung vertrauen können. Er bedarf daher im Interesse des sicheren Rechtsverkehrs einer Legitimation. Diese kann durch einen Erbschein erfolgen, der in einem Erbscheinverfahren ( § 2353 bis 2370 BGB ) beantragt werden muss. Die folgende Checkliste erläutert die wichtigsten Punkte zum Erbscheinverfahren. |
Checkliste / Erbscheinverfahren | |
| Nein. Richtet sich die Erbfolge nach einem notariellen Testament, ist ein Erbschein nicht erforderlich. Zur Dokumentation der Rechtsnachfolge reicht das Eröffnungsprotokoll aus. |
| Der Erbschein ist eine öffentliche Urkunde (§ 417 ZPO) und begründet die widerlegbare Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit seines Inhalts für und gegen den ausgewiesenen Erben (§ 2365 BGB). Er bekundet, wer mit welcher Quote Erbe ist und welchen Verfügungsbeschränkungen (z.B. Anordnung der Nacherfolge oder Ersatznacherbfolge (§ 2363 BGB), Testamentsvollstreckung (§ 2364 BGB)) der Erbe unterliegt. Er bezeugt hingegen nicht den Nachlass und enthält deshalb auch keine Angaben über den Umfang. Für nicht bezeugte Verfügungsbeschränkungen gilt die Vermutung, dass diese auch nicht bestehen. |
| Der Erbschein schützt durch seinen öffentlichen Glauben den gutgläubigen Dritten beim Erwerb vom Erben oder bei Leistungen an diesen (§§ 2366, 2367 BGB). |
| Die Rechtsvermutungen des Erbscheins bedingen bei Prozessen eine Umkehrung der Beweislast. |
| Der Erbschein muss auf Verlangen des Grundbuchamts für die Umschreibung des geerbten Grundstücks auf den Namen des Erben vorgelegt werden (§ 35 Abs. 1 S. 1 GBO). Das Grundbuchamt ist an die in einem Erbschein ausgewiesene Erbfolge gebunden. Zu einer eigenen abweichenden Auslegung einer Verfügung von Todes wegen des Erblassers ist das Grundbuchamt weder verpflichtet noch berechtigt (Palandt/Weidlich, BGB, 70. Aufl. 2011, § 2353 Anm. 24).
Entbehrlich ist ein Erbschein bei Vorlage eines deutschen notariellen Testaments in beglaubigter Abschrift mit angesiegelter Eröffnungsniederschrift, wenn auf ihm die Erbfolge von Todes wegen beruht (§ 35 Abs. 1 S. 2 GBO). Bei Auftreten konkreter Zweifel muss das Grundbuchamt aber einen Erbschein verlangen (OLG Köln 5.11.99, 2 Wx 41/99, FGPrax 00, 89; Lange, ZEV 09, 371). |
| Ein Nachweis der Erbenstellung ist erforderlich, um über Sparkonten und Depots verfügen zu können. Banken und Sparkassen verlangen grundsätzlich die Vorlage eines Erbscheins. Unter Umständen genügt allerdings auch die Vorlage eines deutschen notariellen Testaments in beglaubigter Abschrift mit angesiegelter Eröffnungsniederschrift. Einen sicheren und gegenüber dem nach dem Erbfall zu beantragenden Erbschein vor allem schnelleren Zugriff bewirkt allerdings eine vom Erblasser zu Lebzeiten erteilte trans- bzw. postmortale Vollmacht. |
Bei der Auszahlung von Lebensversicherungen ohne Benennung eines Bezugsberechtigten wird neben dem Erbschein auch der Versicherungsschein, die Sterbeurkunde des Erblassers und eine ärztliche Bescheinigung über dessen Todesursache benötigt. | |
| Die Ausführungen zur Vorlage beim Grundbuchamt gelten entsprechend für den Nachweis der Erbfolge, wenn der Erblasser an einer im Handelsregister eingetragenen Personenhandelsgesellschaft beteiligt war. |
| Auch Finanzverwaltung und Finanzgerichte werden im Regelfall von der Richtigkeit des Erbscheins ausgehen. Eine absolute Bindungswirkung besteht aber nicht. Werden gewichtige Gründe erkennbar, die gegen die Richtigkeit des Erbscheins in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht sprechen, kann z.B. das Erbschaftsteuerfinanzamt vom Erbschein abweichen und die Erbquoten der Miterben selbst ermitteln (BFH 22.11.95, II R 89/93, BStBl II 96, 242; FG München 16.8.00, 4 K 1340/97, EFG 01, 146; BFH 24.11.04, II B 71/03, BFH/NV 05, 557 und Niedersächsisches FG 23.2.00, 3 K 612/96, ErbBstg 01, 2). |
| Der Erbe kann Prozesse des Erblassers fortführen und seine Aktivlegitimation als Gesamtrechtsnachfolger (§ 1922 BGB) durch den Erbschein nachweisen. |
| Die sachliche Zuständigkeit liegt bei dem beim Amtsgericht ansässigen Nachlassgericht (§ 2353 BGB, § 72 FGG). In Baden-Württemberg liegt sie bei den staatlichen Notariaten (§ 147 EGBGB). |
| Die örtliche Zuständigkeit liegt bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte (§ 73 Abs. 1 FGG, § 7 BGB, § 3 FGG). |
| Funktional zuständig für die Erteilung ist grundsätzlich der Rechtspfleger (§ 3 Nr. 2c RPflG); in bestimmten Fällen (z.B. Vorliegen einer Verfügung von Todes wegen, Erteilung gegenständlich beschränkter Erbscheine, Anwendung ausländischen Rechts) ist aufgrund des Richtervorbehalts (§ 16 Abs. 1 RPflG) der Richter zuständig. |
| Die Rechtswirkungen des Erbscheins beginnen mit seiner Erteilung und enden mit seiner Einziehung, Kraftloserklärung oder Herausgabe (§§ 2361, 2362 BGB). Ist ein Rechtsstreit über das Erbrecht anhängig, wird das zuständige Nachlassgericht das Erbscheinverfahren in aller Regel bis zur Prozessentscheidung aussetzen (§ 12 FGG).
Bei behebbaren Mängeln des Antrags auf Erteilung eines Erbscheins hat das Nachlassgericht - entsprechend § 18 GBO - eine Zwischenverfügung zu erlassen. Sind die Mängel nicht behebbar, ist der Antrag zurückzuweisen. |
| Antragsberechtigt ist der endgültige Erbe (2353 BGB). Gemäß § 2357 BGB ist bei Miterben jeder für sich allein und für andere Miterben antragsbefugt. Der antragsberechtigte Erbe kann auch ein Vorerbe (bis zum Nacherbfall), ein Nacherbe (erst nach Eintritt des Nacherbfalls) oder ein Ersatzerbe (nach dem Anfall der Erbschaft an ihn) sein. Als gesetzlicher Erbe kommt auch der Staat nach seiner Feststellung (§ 1964 BGB) in Betracht. Ebenso der Rechtsnachfolger des Erben (Erbteilserwerber gemäß § 2033 BGB; Erben des Erben).
Antragsbefugt sind auch der Testamentsvollstrecker (§§ 2197 ff. BGB), Nachlassverwalter (§ 1985 BGB), Nachlassinsolvenzverwalter, Abwesenheitspfleger (§ 1911 BGB), Nachlassgläubiger (dazu gehören auch Vermächtnisnehmer, Pflichtteilsberechtigte und Erbersatzberechtigte) dagegen nur, wenn sie mit einem endgültigen vollstreckbaren Vollstreckungstitel (§§ 792, 896 ZPO) ausgestattet sind. |
Grundsätzlich sind Pflichtteilsberechtigte im Erbscheinverfahren nicht antragsberechtigt. Das gilt auch dann, wenn im eingezogenen Erbschein eine Person als Erbe bezeichnet war, gegen die er die Pflichtteilsansprüche geltend macht (OLG Köln 8.6.94, 2 Wx 16/94, ZEV 94, 376). Auch ein Vermächtnisnehmer ist grundsätzlich nicht berechtigt, einen Erbschein für den von ihm behaupteten Erben zu beantragen (BayObLG 10.2.00, 1Z BR 3/00, FamRZ 00, 1231). | |
| Der Antrag kann schriftlich oder zu Protokoll des Nachlassgerichts oder eines Notars gestellt werden. Der Antrag muss so bestimmt sein, dass er den Inhalt des Erbscheins nicht dem Nachlassgericht überlässt. Das Nachlassgericht ist an den Antrag gebunden und kann ihn nur vollständig bejahen oder ablehnen. |
| Die notwendigen Angaben ergeben sich bei der gesetzlichen Erbfolge aus § 2354 BGB. Folgende Angaben sind hervorzuheben:
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| Die notwendigen Angaben ergeben sich bei der gewillkürten Erbfolge aus § 2355 BGB. Folgende Angaben sind hervorzuheben:
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| Der Nachweis der Richtigkeit der Angaben erfolgt durch öffentliche Urkunden und durch die eidesstattliche Versicherung, dass dem Antragsteller nichts bekannt ist, was der Richtigkeit seiner Angaben entgegensteht (§ 2356 Abs. 2 BGB). Unter anderem sind erforderlich |
Die eidesstattliche Versicherung wird insbesondere bei negativen und nicht weiter beweisbaren Tatsachen vom Nachlassgericht verlangt werden. | |
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| Das Erbscheinverfahren richtet sich seit dem 1.9.09 nach den Vorschriften des FamG. Die in § 342 Abs. 1 FamG aufgezählten Nachlasssachen sind als Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit den Amtsgerichten als Zivilsachen im Sinne des GVG zugewiesen. Werden im Verfahren über die Erbfolge nach demselben Erblasser verschiedene Erbscheinsanträge zu unterschiedlichen Zeitpunkten gestellt, handelt es sich nur um ein Verfahren. Es muss nach einer einheitlichen Verfahrensordnung durchgeführt werden, bis es durch Entscheidung über alle Anträge abgeschlossen ist. |
| Das Nachlassgericht ordnet durch Beschluss die Erteilung des beantragten Erbscheins an, wenn alle Formalien beachtet und alle entscheidungserheblichen Tatsachen nachgewiesen und festgestellt wurden (§ 2359 BGB) oder lehnt die Erteilung ab. Einen anderen als den beantragten Erbschein darf es nicht erteilen, insbesondere keinen mit teilweise abweichendem Inhalt. Sieht das Nachlassgericht die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Erbrechts als gegeben an, entscheidet es über den Antrag durch Feststellungsbeschluss. Denkbare Formulierung: „Die Tatsachen, die zur Erteilung des mit Antrag vom …. beantragten Erbscheins erforderlich sind, werden für festgestellt erachtet.“ Im einvernehmlichen Verfahren wird der Beschluss mit seinem Erlass sogleich wirksam . Der Erbschein kann danach sogleich erteilt werden.
Wird durch Feststellungsbeschluss über widersprechende Anträge entschieden oder widerspricht der Feststellungsbeschluss dem erklärten Willen eines Beteiligten, ist in der Beschlussform mit der Feststellung gemäß § 352 Abs. 2 S. 2 GVG) zugleich anzuordnen: „Die sofortige Wirksamkeit dieses Beschlusses |
wird ausgesetzt; die Erteilung des Erbscheins wird bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses zurückgestellt“. Aufgrund dieser Regelung ist entgegen der früheren Rechtsprechung ein sogenannter Vorbescheid nicht mehr möglich.
Enthält der Erbscheinantrag Mängel, die nach Ansicht des Nachlassgerichts in absehbarer Zeit korrigiert werden können, kann eine Zwischenverfügung erlassen und damit dem Antragsteller die Gelegenheit gegeben werden, die Mängel innerhalb einer vorgegeben Frist zu beseitigen. Der Erbscheinantrag wird zurückgewiesen, wenn Mängel vorhanden sind, die in absehbarer Zeit nicht ausgeräumt werden können. Der Beschluss ist zu begründen und gemäß den seit dem 1.9.09 neu eingeführten Verfahrensregeln und dem neu gestalteten Instanzenzug mit der befristeten Beschwerde zum OLG (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 GVG) anfechtbar.
Neu geschaffen wurde die befristete Sprungrechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts zum BGH. Sie setzt voraus, dass die Beteiligten in die Übergehung der Beschwerdeinstanz einwilligen und der BGH sie zulässt (§ 75 Abs. 1 S. 1 FamFG). Die Beschwerde (§ 58 FamFG) gegen den Feststellungsbeschluss ist nur möglich mit dem Ziel der Einziehung des erteilten Erbscheins (§ 352 Abs. 3 FamFG). Ferner gegen den Beschluss, der den Erbscheinsantrag zurückweist. | |
| Der erteilte Erbschein selbst kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Wegen der Gutglaubenswirkung des Erbscheins müssen unrichtige Erbscheine eingezogen, d.h. aus dem Verkehr genommen werden. Das geschieht von Amts wegen (§ 2361 BGB).
Einziehungsanordnung (§ 2361 Abs. 1 BGB) und Kraftloserklärung (§ 2361 Abs. 2 BGB) eines Erbscheins können nur mit dem Ziel der Neuerteilung eines gleich lautenden Erbscheins durch befristete Beschwerde zum OLG angefochten werden (§ 353 Abs. 2 FamFG). Will das Nachlassgericht der Beschwerde abhelfen, kann es nur einen inhaltsgleichen Erbschein neu erteilen. Wurde bereits ein neuer Erbschein mit anderem Inhalt erteilt, muss sich der Beschwerdeführer zugleich gegen diese Erteilung wenden, da sonst zwei sich widersprechende Erbscheine vorliegen. |
| Das Beschwerdegericht hat in der Sache grundsätzlich selbst zu entscheiden. Ein erstmals in der Beschwerdeinstanz gestellter Erbscheinsantrag ist unzulässig und unbeachtet zu lassen.
Das Beschwerdegericht kann den erstinstanzlichen Beschluss aufheben und das Nachlassgericht anweisen, einen Erbschein mit bestimmtem Inhalt zu erteilen; die Beschwerde zurückweisen oder unter bestimmten Voraussetzungen den erstinstanzlichen Beschluss aufheben und den Fall an das Nachlassgericht zwecks neuer Entscheidung zurückverweisen (§ 69 FamFG).
Sachlich hat das Beschwerdegericht die Richtigkeit der Erbrechtslage in jeder Hinsicht nachzuprüfen und ist dabei nicht aufgrund einer durch das Beschwerdeziel bestimmten Vorgabe der Beteiligten beschränkt. Im Antragsverfahren auf Erteilung ist das Verbot der Schlechterstellung des Beschwerdeführers zu beachten.
Rechtsbeschwerde zum BGH ist gegen die Beschwerdeentscheidung des OLG nur statthaft, wenn das OLG sie in seinem Beschluss zugelassen hat. |
| Kostenschuldner der Verfahrenskosten auch hinsichtlich einer Beweisaufnahme ist der Antragsteller (§ 2 Nr. 1 KostO), sofern nicht eine abweichende Kostenentscheidung (§ 81 Abs. 2 FamFG) ergeht (LG Saarbrücken 30.10.09, 5 T 227/09, |