· Fachbeitrag · Erbschaftsteuer
§ 35b EStG: ESt-Ermäßigung bei Belastung mit ErbSt
von WP StB Dipl.-Kfm. Gerrit Grewe, Berlin
| Die ESt-Ermäßigung bei Belastung mit ErbSt umfasst keine Einkünfte, die mit SchenkSt vorbelastet sind, sondern nur mit ErbSt belastete. Der persönliche Freibetrag ist bei einem Erwerb, der sowohl der SchenkSt als auch der ErbSt unterlegen hat, zur Ermittlung der ESt-Ermäßigung aufzuteilen. |
1. Sohn erbt und veräußert GmbH-Anteile
Dem Urteil des BFH (13.3.18, IX R 23/17, Abruf-Nr. 203019) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger K und sein Vater V gründeten im Jahr 2008 eine GmbH. Im Zuge der Gründung brachte V sein Einzelunternehmen in die GmbH ein, an der K zu 49 % und V zu 51 % beteiligt war. SchenkSt fiel wegen des persönlichen Freibetrags (FB) nicht an. Im Jahr 2009 starb V, K erhielt vermächtnisweise dessen GmbH-Anteile. Im Streitjahr 2011 veräußerte K seine Anteile und erzielte einen Veräußerungsgewinn (§ 17 EstG) von 786.167 EUR. Die ErbSt wurde auf 28.336 EUR festgesetzt. Das FA gewährte wegen der Doppelbelastung mit ErbSt und ESt die Steuerermäßigung nach § 35b EStG.
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Kläger | FA | |
durchschnittlicher ErbSt-Satz: 28.336 EUR / 657.600 EUR = (Gesamtwert des Erwerbs einschließlich Vorerwerb und vor Abzug des FB gemäß § 16 Abs. 1 ErbStG) | 4,31 % | 4,31 % |
Einkünfte, für die die Steuerermäßigung in Betracht kommt | 657.600 EUR | 257.600 EUR |
tarifliche ESt | 382.826 EUR | 382.826 EUR |
Summe der Einkünfte | 963.292 EUR | 963.292 EUR |
ESt auf begünstigte Einkünfte (382.826 EUR / 963.292 EUR = 39,74 %) | 39,74 % * 657.600 EUR = 261.340 EUR | 39,74 % * 257.600 EUR = 102.373 EUR |
Steuerermäßigung nach § 35b EStG (4,31 %) | 11.262 EUR | 4.412 EUR |
Das FG Düsseldorf (31.5.17, 2 K 489/16 E, ErbBstg 17, 241 f.) gab der Klage teilweise statt. Begünstigt sei nur der Erwerb von Todes wegen, nicht der Vorerwerb durch Schenkung. Die Steuerermäßigung sei daher nur anteilig zu gewähren.
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Tod | Schenkung | ||
322.570 EUR | 588.000 EUR | 910.570 EUR | |
Verschonungsbetrag (§ 13a ErbStG) | ./. 53.040 EUR | ./. 199.920 EUR | |
Erwerb von Todes wegen | (41 %) 269.530 EUR | ||
Vorerwerbe | (59 %) 388.080 EUR | ||
Gesamterwerb (269.530 EUR + 388.080 EUR =) |
657.610 EUR | ||
ErbSt | (41 %) 11.614 EUR | (59 %) 16.722 EUR | 28.336 EUR |
ESt auf begünstigte Einkünfte (§ 35b EStG): (269.530 EUR * 382.826 EUR / 963.292 EUR =) |
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107.115 EUR | |
Steuerermäßigung nach § 35b EStG: 4,31 % * 107.115 EUR = |
4.616 EUR |
2. Nur die mit ErbSt belasteten Einkünfte relevant
Sind bei der Ermittlung des Einkommens Einkünfte berücksichtigt worden, die im VZ oder in den vorangegangenen 4 VZ als Erwerb von Todes wegen der ErbSt unterlegen haben, wird gemäß § 35b S. 1 EStG auf Antrag die um sonstige Steuerermäßigungen gekürzte tarifliche ESt, die auf diese Einkünfte entfällt, um den in § 35b S. 2 EStG bestimmten Prozentsatz ermäßigt. Der Prozentsatz bestimmt sich nach dem Verhältnis, in dem die festgesetzte ErbSt zu dem Betrag steht, der sich ergibt, wenn dem steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 ErbStG) die Freibeträge nach den §§ 16 und 17 und der steuerfreie Betrag nach § 5 ErbStG hinzugerechnet werden (§ 35b S. 2 EStG). Nicht nach § 35b S. 1 EStG begünstigt sind Einkünfte, die mit SchenkSt vorbelastet sind. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen dagegen nicht.
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Die nach § 35b S. 1 EStG begünstigten Einkünfte müssen bei ihrem Hinzuerwerb tatsächlich mit ErbSt belastet worden sein (BFH 7.12.90, X R 72/89, BStBl II 91, 350). Sind wie im Streitfall in die Bemessungsgrundlage der ErbSt sowohl nach § 35b S. 1 EStG begünstigte als auch nach § 35b S. 1 EStG nicht begünstigte Einkünfte eingegangen, ist der persönliche FB gemäß § 16 ErbStG im Verhältnis der Einkünfte zueinander aufzuteilen und anteilig bei den jeweiligen Einkünften abzuziehen.
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Erwerb von Todes wegen | Vorerwerb (Schenkung) | |
322.570 EUR | 588.000 EUR | |
Steuerbefreiung (§ 13a ErbStG) | ./. 53.040 EUR | ./. 199.920 EUR |
Gesamterwerb 657.610 EUR | 269.530 EUR | 388.080 EUR |
= 40,99 % des Gesamterwerbs | = 59,01 % des Gesamterwerbs | |
persönlicher FB (§ 16 ErbStG) * | 40,99 % von 400.000 EUR = 163.960 EUR | 59,01 % von 400.000 EUR = 236.040 EUR |
Erwerb von Todes wegen, der der ErbSt unterlegen hat | 105.570 EUR | |
begünstigte Einkünfte * um Steuerermäßigung gekürzte tarifliche ESt / Summe der Einkünfte: 105.570 EUR * 382.826 EUR / 963.292 EUR = | ||
= anteilige begünstigte ESt | 41.955 EUR | |
* Nach § 35b S. 2 EStG ist der persönliche FB nach § 16 ErbStG dem steuerpflichtigen Erwerb in voller Höhe hinzuzurechnen. Sind in die Bemessungsgrundlage der ErbSt sowohl nach § 35b S. 1 EStG begünstigte als auch nach § 35b S. 1 EStG nicht begünstigte Einkünfte eingegangen und ist der persönliche FB nach § 16 ErbStG deshalb bei der Ermittlung der nach § 35b S. 1 EStG begünstigten Einkünfte verhältnismäßig aufgeteilt worden, ist nur der anteilige FB nach § 16 ErbStG hinzuzurechnen. |
Den Ermäßigungsprozentsatz ermittelt der BFH auf anderem Wege als K, das FA oder das FG, er kommt aber hier auf dasselbe Ergebnis.
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anteilige ErbSt | 28.336 EUR x 0,4099 = 11.615 EUR (aufgerundet) | |
begünstigte Einkünfte | 105.570 EUR | |
anteiliger FB | 163.960 EUR | 269.530 EUR |
Ermäßigungsprozentsatz | 11.615 EUR / 269.530 EUR | = 4,31 % |
Steuerermäßigung | 41.955 EUR * 4,31 % | = 1.808 EUR * |
* An einer höheren ESt-Festsetzung ist der BFH wegen des Verböserungsverbots gehindert, sodass es bei der vom FA gewährten Steuerermäßigung verbleibt. |
3. Praxishinweis
Wie aus dem Urteil hervorgeht, müssen die begünstigten Einkünfte tatsächlich der ErbSt unterlegen haben. Sachliche ErbSt-Befreiungen nach §§ 13 ff. ErbStG, z.B. § 13a ErbStG, dürfen die Steuerermäßigung daher nicht erhöhen. Wurde die Verschonungsregelung nach § 13a Abs. 1 S. 1 ErbStG beansprucht, wonach 85 % des Vermögens steuerfrei bleiben, wirkt sich dies auf die Ermäßigung nach § 35b EStG deutlich aus: Wird nach dem Erwerb ein Vermögensgegenstand (VG), der keine wesentliche Betriebsgrundlage i.S. des § 13a Abs. 6 Nr. 1 ErbStG ist, für 100 TEUR veräußert, wird für Zwecke des § 35b EStG angenommen, dass der VG nur mit 15 %, also mit 15 TEUR der ErbSt unterlag. Liegt der Buchwert des veräußerten VG unterhalb von 15 TEUR, entfällt die Ermäßigung nach § 35b EStG. Entsprechendes gilt, wenn die nach dem ErbStG steuerbare Bereicherung wegen des persönlichen FB nicht zu einer Belastung mit ErbSt geführt hat, in diesem Fall kommt § 35b S. 1 EStG nicht zur Anwendung.