· Fachbeitrag · Erbschaftsteuerreform
Ausschüsse des Bundesrates äußern sich kritisch zum Gesetzentwurf zur Anpassung des ErbStG
von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster
| Am 15.9.15 haben die Ausschüsse des Bundestages ihre Empfehlungen für die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des ErbStG an die Rechtsprechung des BVerfG ausgesprochen (BT-Drs. 353/1/15). Die Ausschüsse stehen dem Gesetzentwurf in vielen Punkten kritisch gegenüber. Änderungen des Gesetzesentwurfs mit dem Ziel einer weitergehenden Begünstigung von Unternehmenserben lehnt der Bundesrat vollständig ab. Zudem unterstreicht er mit Nachdruck, dass die Neuregelung im Ergebnis das Erbschaftsteueraufkommen für die Länderhaushalte zumindest sichern muss. Neben redaktionellen Anpassungen und einer Ausweitung der Anzeigepflichten haben die Ausschüsse insbesondere die folgenden Empfehlungen ausgesprochen. |
1. Kapitalisierungsfaktor senken
Änderungen am Bewertungsrecht würden nach Auffassung der Ausschüsse der Zielsetzung des BVerfG einer möglichst präzisen und auf die grundgesetzlichen Vorgaben beschränkten Umsetzung widersprechen. Es wird aber anerkannt, dass das anhaltende Niedrigzinsniveau Anpassungen bei der Bewertung von Unternehmen für erbschaftsteuerliche Zwecke erforderlich macht. Unter Hinweis auf Empfehlungen des IDW wird daher empfohlen, den gesetzlichen Risikozuschlag für das vereinfachte Ertragswertverfahren nach § 203 BewG für Bewertungsstichtage ab dem 1.10.12 von bisher 4,5 % auf 5,5 % bis 7 % zu erhöhen. Dies würde zu einem deutlich niedrigeren Ertragswert des Unternehmens führen. Bei einem Risikozuschlag von 6,5 % würde sich statt eines Kapitalisierungsfaktors von bisher 18,2149 ein Faktor von 13,3511 ergeben.
2. Steuerbefreiung für den Zugewinnausgleich kürzen
§ 5 Abs. 1 ErbStG enthält Regelungen, die das Ziel verfolgen, im Falle des Todes eines Ehegatten (Lebenspartners) beim überlebenden Ehegatten den Teil aus der Besteuerung herauszunehmen, den der Überlebende als Zugewinn nach § 1371 Abs. 2 BGB durch Ausgleichsforderung hätte geltend machen können, aber faktisch nicht geltend macht. Es wird empfohlen, durch eine Gesetzesänderung sicherzustellen, dass nur der Teil des Zugewinns aus der ehelichen Lebensgemeinschaft erbschaftsteuerlich belastet wird, der dem Verstorbenen nach fiktiver Durchführung des Zugewinnausgleichs noch verblieben wäre und nun durch den Erbfall auf den Überlebenden übergeht. Dies soll durch eine Kürzung der Steuerbefreiung für den Zugewinnausgleich erreicht werden. Soweit das Endvermögen des Erblassers bei der Ermittlung des als Ausgleichsforderung steuerfreien Betrags (§ 5 Abs. 1 ErbStG) mit einem höheren Wert als dem nach den Bewertungsgrundsätzen und den Befreiungsvorschriften maßgebenden Wert angesetzt worden ist, soll höchstens der dem um Befreiungen geminderten Steuerwert des Endvermögens entsprechende Betrag nicht als Erwerb i.S. des § 3 ErbStG gelten.
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Es besteht ein Zugewinnausgleichsanspruch, der sich aus steuerverschontem Betriebsvermögen und aus Kapitalvermögen mit 49.000.000 EUR errechnet.
Im Wege einer - zweifelhaften - Fiktion wird dabei unterstellt, dass sich der Zugewinnausgleich zu gleichen Teilen aus dem Betriebs- und Kapitalvermögen ergibt. |
3. Entnahmeregelung überprüfen
§ 13a Abs.6 S. 1 Nr. 3 ErbStG-E sieht für die fünf- bzw. siebenjährige Behaltensfrist eine Beschränkung der Entnahmen auf die nach dem Erwerb erwirtschafteten Gewinnanteile zuzüglich eines Betrags von 150.000 EUR vor (Entnahmegrenze). Die Regelung geht ins Leere, wenn nicht die Gewinne des geerbten oder schenkweise erworbenen Betriebs selbst, sondern die Gewinne und Rücklagen einer Tochtergesellschaft zunächst an den Betrieb und weiter an den Erwerber ausgeschüttet werden. Ursächlich dafür ist, dass mit den Dividendenerträgen der Muttergesellschaft zugleich die Entnahmegrenze des § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 S. 1 ErbStG-E steigt. Entsprechendes gilt beim Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft soweit diese Ausschüttungen einer Tochtergesellschaft empfängt und an den Erwerber weiter ausschüttet.
4. Schwellen für Bedürfnisprüfung senken
Die Ausschüsse empfehlen, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Höhe der sogenannten Prüfschwellen von 26 Mio. EUR bzw. 52 Mio. EUR (§ 13a Abs. 9 ErbStG-E) im Hinblick auf den verbleibenden Anwendungsbereich der Bedürfnisprüfung für größere Vermögen zu überprüfen und plädieren für eine Herabsenkung. Sie weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass im Jahr 2013 bundesweit nur 1,69 % der Erwerbe von Betriebsvermögen über einer Grenze von 20 Mio. EUR lagen, sodass mit der vorgesehenen Prüfschwelle die vom BVerfG bemängelte Ungleichbehandlung de facto fortbesteht. Verschärft werde die Ungleichbehandlung noch dadurch, dass dem Erwerber auf Antrag gemäß § 13c Abs. 1 und 2 ErbStG-E eine Möglichkeit zur weiteren Inanspruchnahme von Verschonungsabschlägen ermöglicht wird, ohne dass hierfür eine Bedürfnisprüfung vorgesehen ist.
5. Verschonung von Familienunternehmen
Für Familienunternehmen sieht der Gesetzentwurf bisher die Beibehaltung der gesellschaftsvertraglichen Beschränkungen über einen Zeitraum von zehn Jahren und 30 Jahren nach dem Zeitpunkt der Steuerentstehung vor. Eine Verkürzung der nach dem Zeitpunkt der Steuerentstehung einzuhaltenden Frist auf zehn statt 30 Jahren wird als realitätsgerecht erachtet.
6. Begünstigtes und nicht begünstigtes Vermögen
Die Ausschüsse lehnen den Paradigmenwechsel zum Hauptzweckansatz nachdrücklich ab. Abweichend vom Gesetzentwurf wird vorgeschlagen, am vom BVerfG nicht beanstandeten Verwaltungsvermögenskonzept festzuhalten. Grundsätzlich soll der nach Abzug von Schulden verbleibende Nettowert des Verwaltungsvermögens (Nettoverwaltungsvermögen) besteuert werden. Bei der Zuordnung von Schulden werden allerdings - weitgehender als im Entwurf der Bundesregierung - Missbrauchsgestaltungen eingedämmt. Zudem sollen die Voraussetzungen für den Eintritt in die Vollverschonung von 100 % nicht gelockert, sondern beibehalten werden. Um eine Vollverschonung zu erlangen, soll das Verwaltungsvermögen vor Abzug von Schulden weiterhin nicht mehr als 10 % des Unternehmenswerts ausmachen dürfen. Außerdem soll darauf verzichtet werden, einen Teil des originär nicht begünstigten Vermögens (wertmäßig i.H. von 10 % des begünstigten Nettovermögens) wie begünstigtes Vermögen zu behandeln.
7. Abschmelzmodell
Die Ausschüsse empfehlen, die Übergangszone des Abschmelzmodells nach § 13c Abs. 1 ErbStG massiv zu kürzen. Die Verschonung soll laut Empfehlung bereits ab einem Erwerb von 34 Mio. EUR entfallen. Für sogenannte „Familienunternehmen“ soll sich das Ende der Übergangszone auf 60 Mio. EUR erhöhen. Innerhalb dieser Grenzen soll sich der Verschonungsabschlag stufenlos im Verhältnis des über 26 Mio. EUR bzw. 52 Mio. EUR hinausreichenden Mehrerwerbs zur Länge der Übergangszone verringern. Eine Unterscheidung zwischen Regel- und Optionsverschonung wäre bei der stufenlos abschmelzenden Verschonung nicht erforderlich.
8. Konsequenzen für die Gestaltungspraxis
Positive Auswirkungen gegenüber der bestehenden Rechtslage ergeben sich aus den Empfehlungen nur hinsichtlich der Anpassung des Kapitalisierungsfaktors, die schon für Bewertungsstichtage ab dem 1.10.12 vorgeschlagen wird. Die weiteren Empfehlungen führen ebenso wie der Gesetzentwurf zu deutlichen Verschlechterungen gegenüber der bestehenden Rechtslage. Es bleibt daher zunächst bei der grundsätzlichen Feststellung, dass nach §§ 13a, 13b ErbStG begünstigte Übertragungen nach bestehender Rechtslage günstiger besteuert werden als dies in der Zukunft der Fall sein wird.
Weiterführender Hinweis
- Brüggemann, Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des ErbStG, ErbBstg 15, 206 ff.