· Fachbeitrag · Rechtsprechung
Steuerfragen rund um das Familienheim beim Erwerb von Todes wegen
von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster
| Die Steuerbefreiung für das Familienheim kommt beim Erwerb unter Lebenden für den Ehegatten/Lebenspartner (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG) und beim Erwerb von Todes wegen für Kinder und Kinder verstorbener Kinder (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b und 4c ErbStG) in Betracht. Während die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG auch schon vor der ErbSt-Reform möglich war, ist die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b und 4c ErbStG erst mit der ErbSt-Reform 2009 eingefügt worden. Von Beginn an führte deren Auslegung zu Abgrenzungsproblemen. Der Beitrag geht auf aktuelle Fragestellungen ein. |
1. Begriff Familienheim
Entschieden hat der BFH, dass ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Gebäude, in dem sich nicht der Mittelpunkt des familiären Lebens der Eheleute befindet, kein steuerbegünstigtes Familienwohnheim i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4a S. 1 ErbStG ist. Zweit- oder Ferienwohnungen sind daher nicht begünstigt (BFH 18.7.13, II R 35/11, ErbBstg 14, 3).
2. Familienheim und vermietete Wohnimmobilien
Eine Entscheidung des niedersächsischen FG (26.9.13, 3 K 525/12, ErbBstg 13, 276, Revision eingelegt, BFH: II R 39/13) befasst sich erstmals mit den Folgen einer Erbauseinandersetzung für die mit dem ErbStRG 2009 eingeführten Steuerbefreiungen gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG und § 13c ErbStG. Die Beurteilung wird auch für die Steuerbefreiung gemäß §§ 13a, 13b ErbStG von Bedeutung sein, da § 13a Abs. 3 ErbStG und § 13b Abs. 3 ErbStG inhaltsgleiche Regelungen zur Erbauseinandersetzung enthalten. Über die erbschaftsteuerlichen Folgen hinaus gibt die Entscheidung Anlass, die einkommensteuerliche Beurteilung einer Erbauseinandersetzung einzubeziehen.
2.1 Erbschaftsteuerliche Folgen einer Erbauseinandersetzung
Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG bleibt der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück i.S. des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des BewG durch Kinder (Steuerklasse I Nr. 2) steuerfrei, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt.
Gemäß § 13c Abs. 1 und 3 ErbStG werden bebaute Grundstücke oder Grundstücksteile, die zu Wohnzwecken vermietet werden, mit 90 % ihres Werts angesetzt.
Ein Erwerber kann die Steuerbefreiungen gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 2 ErbStG bzw. § 13c Abs. 2 S. 1 ErbStG allerdings nicht in Anspruch nehmen, soweit er das begünstigte Vermögen aufgrund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers oder aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen muss. Gleiches gilt nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 3 ErbStG bzw. § 13c Abs. 2 S. 2 ErbStG, wenn ein Erbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses begünstigtes Vermögen auf einen Miterben überträgt. Überträgt ein Erbe begünstigtes Vermögen im Rahmen der Teilung auf einen Dritten und gibt der Dritte dabei diesem Erwerber nicht begünstigtes Vermögen hin, das er vom Erblasser erworben hat, erhöht sich nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 4 ErbStG bzw. § 13c Abs. 2 S. 3 ErbStG insoweit der Wert des begünstigten Vermögens des Dritten um den Wert des übertragenen Vermögens.
2.1.1 Zu beurteilender Sachverhalt des niedersächsischen FG
Unter Anwendung dieser Regelungen hatte das niedersächsische FG (26.9.13, a.a.O.) einen Fall zu beurteilen, in dem ein Familienheim und vermietetes Grundvermögen Gegenstand einer Erbauseinandersetzung waren.
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Bruder B und seine Schwester S erbten von ihrem am 24.12.10 verstorbenen Vater V je zur Hälfte ein bebautes Grundstück in der A-Straße mit einer Gesamtfläche von 320 qm (festgestellter Grundbesitzwert 326.996 EUR) sowie weiteres Vermögen in Form des gewerblich vermieteten bebauten Grundstücks in der B-Straße (festgestellter Grundbesitzwert 336.128 EUR) und Aktien, die der Vater Anfang 2009 zum Börsenkurs von 423.463 EUR erworben hatte und deren Börsenkurs im Zeitpunkt des Erbfalls 554.398 EUR betrug. Das Grundstück A-Straße wurde auf einer Fläche von 236 qm gemeinsam von V und S bewohnt, nach dem Tod des Vaters von S allein. Die übrigen 84 qm waren zu Wohnzwecken vermietet.
Ende 2011 zog B anstelle seiner Schwester S in die selbstgenutzte Wohnung des Grundstücks A-Straße ein. Mit Vertrag vom 23.3.12 setzten sich B und S über das Erbe auseinander. B erhielt das Grundstück A-Straße und S das Grundstück B-Straße zum Alleineigentum. Da S keine Aktien haben wollte, übernahm B auch sämtliche Aktien und zahlte für den über seinen erbrechtlichen Anteil hinausgehenden Anteil einen hälftigen Ausgleich. Zu diesem Zeitpunkt lag der Börsenkurs der Aktien bei 558.212 EUR.
B begehrte für den selbstbewohnten Anteil des Gebäudes einschließlich der von S übertragenen Hälfte - begrenzt auf eine Fläche von 200 qm - die Steuerbefreiung für ein Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG. Für die vermietete Fläche beantragte er die Steuerbefreiung nach § 13c ErbStG. |
2.1.2 Voraussetzungen der Steuerverschonungen dem Grunde nach
B und S haben als Kinder des Erblassers gemeinsam von Todes wegen erworben. Das bebaute Grundstück A-Straße wurde bis zum Erbfall vom Vater teilweise als Familienheim zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Die Mitbenutzung der Wohnung durch die Schwester als Familienangehörige ist unschädlich (BFH 26.2.09, II R 69/06, ErbBstg 09, 85). Die Wohnungen waren zu Wohnzwecken vermietet.
Für die eigengenutzte Wohnung sahen das FA und das FG trotz des Bezugs erst 15 Monate nach dem Erbfall auch die Voraussetzung einer unverzüglichen Bestimmung zur Selbstnutzung durch B als erfüllt an. Das FG geht unter Einbeziehung unterschiedlicher Auffassungen im Schrifttum von einer weiten Auslegung und Anwendung des Begriffs „Unverzüglichkeit“ aus. Dem Erwerber muss danach insbesondere bei einem Erwerb von Todes wegen ein ausreichender Zeitraum zugestanden werden, nach dem Tod des Erblassers eine Entscheidung über die Weiternutzung der geerbten Immobilie zu treffen. Zu berücksichtigen sei dabei auch, ob die Immobilie mehreren Erben zufällt und dem Erwerber erst nach einer - gegebenenfalls langwierigen - Erbauseinandersetzung für eine Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken zur Verfügung steht. Sodann sei dem Erwerber ein ausreichender Zeitraum zuzugestehen, in das Familienheim umzuziehen. Wohne ein anderer Familienangehöriger bereits in dem Familienheim, sei in zeitlicher Hinsicht weiterhin zu berücksichtigen, dass dieser eine neue Bleibe finden und umziehen muss.
2.1.3 Ermittlung der Bereicherung laut Finanzamt
Das FA wollte das Ergebnis der Erbauseinandersetzung für die Steuerbefreiung gleichwohl nicht zugrunde legen, da die Erbauseinandersetzung nicht zeitnah zum Erbanfall erfolgt sei. Als „zeitnah“ wollte es - unter Verweis auf Tz. 8 des BMF-Schreibens zur ertragsteuerlichen Behandlung der Erbengemeinschaft und ihrer Auseinandersetzung vom 14.3.06 (BStBl I 06, 253) - einen Zeitraum von nicht mehr als sechs Monaten ansehen (so für das Familienheim R E 13.4 Abs. 5 S. 11 ErbStR; H E 13.4 „Freie Erbauseinandersetzung“ ErbStH; für den vermieteten Grundstücksteil R E 13c Abs. 5 S. 10 ErbStR; H E 13c „Freie Erbauseinandersetzung“ ErbStH).
Die Steuerverschonung für den eigengenutzten und den vermieteten Teil gewährte es daher ohne Berücksichtigung des Ergebnisses der Erbauseinandersetzung nur für den hälftigen Erwerb des B. Da die Schwester S in Folge der Erbauseinandersetzung das Familienheim nicht zehn Jahre nach Erbanfall eigengenutzt hat, konnte ihr die Steuerbefreiung für das Familienheim nicht gewährt werden, wohl aber die Steuerbefreiung gemäß § 13c ErbStG, da diese Vorschrift keine Behaltensregelung kennt. Danach berechnet sich die Steuerverschonung für B und S wie folgt:
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2.1.4 Ermittlung der Bereicherung nach Ansicht des niedersächsischen FG
Nach Auffassung des Niedersächsischen FG (26.9.13, a.a.O.) setzt die erbschaftsteuerliche Freistellung eines Familienheims nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG und von vermietetem Grundvermögen nach § 13c Abs. 1 ErbStG im Falle einer Erbauseinandersetzung nicht voraus, dass diese innerhalb von sechs Monaten erfolgt. Damit widerspricht das FG der einschränkenden Auffassung der Finanzverwaltung und Teilen des Schrifttums. Der Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 4 ErbStG enthalte keine zeitliche Beschränkung für die Übertragung des erworbenen begünstigten Vermögens im Rahmen der Teilung des Nachlasses durch den Erben auf einen Dritten. Die Vorschrift verlange lediglich, dass für die Übertragung von dem Erwerber nicht vom Erblasser erworbenes, nicht begünstigtes Vermögen hingegeben wird. Auch aus der Systematik ergebe sich insoweit keine Einschränkung.
Schließlich lasse sich die einengende Auslegung der Befreiungsvorschrift auch nicht mit der gesetzgeberischen Zielsetzung begründen. Der Gesetzgeber wolle mit der Regelung der Übertragungsvorgänge erreichen, dass der Erwerber auch dann in den Genuss der Steuerbefreiung kommt, wenn er das begünstigte Vermögen nicht direkt vom Erblasser, sondern erst im Wege der Erbauseinandersetzung erhält. Diese Zielsetzung erfordere keine zeitlich einschränkende Anwendung auf innerhalb von sechs Monaten stattfindende Erbauseinandersetzungen. Dem Gesetzgeber sei es bei der Schaffung der Steuerbefreiung ersichtlich lediglich darauf angekommen, dass das Familienheim von dem Erwerber „unverzüglich nach dem ErwerbA“ zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Dementsprechend verlangt die Steuerbefreiung in § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1 ErbStG, dass das Familienheim „beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist“. Auf die Unverzüglichkeit der Erbauseinandersetzung werde dagegen an keiner Stelle abgestellt.
Da S das erworbene begünstigte Vermögen am Grundstück A-Straße im Rahmen der Teilung des Nachlasses auf B überträgt (Wert 163.498 EUR) und B dabei S seinen Anteil am nicht begünstigten Grundstück B-Straße hingibt (Wert 168.064 EUR), das er vom Erblasser erworben hat, erhöht sich nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 4 ErbStG sowie § 13c Abs. 2 S. 3 ErbStG demnach der Wert des begünstigten Vermögens des B um den Wert des übertragenen Vermögens, höchstens aber um den Wert des hingegebenen Vermögens (Wert 163.498 EUR).
Für den Mehrwert des Grundstücks B-Straße gegenüber dem Grundstück A-Straße erhält B zudem Aktien im Wert von (168.064 EUR ./. 163.498 EUR =) 4.566 EUR. Für den verbleibenden Erbanteil der von S geerbten Aktien zahlt B auf der Basis des Börsenkurses im Zeitpunkt der Erbauseinandersetzung einen Wertausgleich von (279.106 EUR ./. 4.566 EUR =) 274.540 EUR mit eigenen Mitteln, die auf die Steuerverschonung keinen Einfluss haben.
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Während die ErbSt sich für B immerhin um 11.242 EUR ermäßigt, erhöht sie sich für S um lediglich 473 EUR. Es bleibt abzuwarten, ob sich der BFH der Auffassung des niedersächsischen FG anschließt. In vergleichbaren Fällen, in denen die Finanzverwaltung die Erbauseinandersetzung nicht berücksichtigen will, sollte gegen Erbschaftsteuerbescheide vorsorglich Einspruch eingelegt werden. Dies gilt gleichermaßen für nach §§ 13a, 13b ErbStG begünstigtes Vermögen, da sich bei §§ 13a Abs. 3 ErbStG und § 13b Abs. 3 ErbStG die gleiche Auslegungsproblematik zum Zeitpunkt der Erbauseinandersetzung ergibt.
2.2 Einkommensteuerliche Folgen der Erbauseinandersetzung
Nach dem von der Finanzverwaltung (H E 13.4. „Freie Erbauseinandersetzung“ ErbStH) und dem niedersächsischen FG zitierten BMF-Schreiben vom 14.3.06 (BStBl I 06, 253) wird bei einer Erbauseinandersetzung eine rückwirkende Zurechnung laufender Einkünfte „in engen Grenzen>“ und zwar für sechs Monate anerkannt, da die Erbengemeinschaft eine gesetzliche Zufallsgemeinschaft ist, die auf Teilung angelegt ist. Die Frist beginnt mit dem Erbfall. In diesen Fällen können die laufenden Einkünfte daher ab dem Erbfall ungeschmälert dem die Einkunftsquelle übernehmenden Miterben zugerechnet werden. Nur wenn eine Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) vorliegt und sich die Miterben tatsächlich bereits vor der Auseinandersetzung entsprechend dieser Anordnung verhalten, ist eine rückwirkende Zurechnung laufender Einkünfte auch über einen längeren Zeitraum, der sich an den Umständen des Einzelfalls zu orientieren hat, vorzunehmen.
Einkommensteuerlich kann es im Rahmen der Erbauseinandersetzung zu Anschaffungskosten und Veräußerungsgewinnen, z.B. gemäß §§ 16, 17, 23 EStG oder § 20 Abs. 2 EStG kommen (BMF 14.3.06, BStBl I 06, 253, Tz. 26, 27).
Soweit B das Grundstück A-Straße und S das Grundstück B-Straße erhalten, kommt es zu keinem Veräußerungsgeschäft, da B für den Mehrwert des Grundstücks B-Straße Aktien im Wert von (168.064 EUR ./. 163.498 EUR =) 4.566 EUR von S erhielt. Insoweit handelt es sich bei der Hingabe des Erbanteils der S am Grundstück A-Straße und an den Aktien gegen das zum Erbanteil des B gehörende Grundstück B-Straße um eine Realteilung.
Den verbleibenden Anteil der S an den Aktien, die im Zeitpunkt der Erbauseinandersetzung einen Wert von (279.106 EUR (1/2 von 558.212 EUR) abzüglich 4.566 EUR (Ausgleich Grundstück B-Straße) =) 274.540 EUR haben, erwirbt B nicht mit Mitteln des Nachlasses, sondern mit eigenen Mitteln. Soweit B für den verbleibenden Teil der von S geerbten Aktien auf der Basis des Börsenkurses im Zeitpunkt der Erbauseinandersetzung einen Wertausgleich von (279.106 EUR ./. 4.566 EUR =) 274.540 EUR aus eigenen Mitteln zahlt, handelt es sich um ein Veräußerungsgeschäft gemäß § 20 Abs. 2 EStG.
Für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs gilt gemäß § 43 Abs. 1 S. 4 EStG die Übertragung eines von einer auszahlenden Stelle verwahrten/verwalteten Wirtschaftsguts i.S. von § 20 Abs. 2 EStG auf einen anderen Gläubiger grundsätzlich als Veräußerung des Wirtschaftsguts (BMF 9.10.12, BStBl I 12, 953, Tz. 162). Diese Aussage gilt sinngemäß auch für die Übertragung unter Miterben. Von einem unentgeltlichen Depotübertrag i.S. des § 43 Abs. 1 S. 5 EStG ist nur auszugehen, wenn es im Rahmen von Erbfällen zur Depotübertragung auf den oder die Erben aufgrund der Vorlage eines Erbscheins oder einer Erblegitimation kommt. Ein solcher Fall liegt aber nicht vor, wenn ein Erbe dem anderen Erben seinen Erbanteil an den Aktien gegen Entgelt überlässt.
Dem von S erzielten Veräußerungserlös für Aktien sind anteilige Anschaffungskosten des Erblassers von (423.463 EUR x 274.540 EUR / 558.212 EUR =) 208.268 EUR gegenüberzustellen. Damit hat S einen Veräußerungsgewinn von 66.272 EUR erzielt, der der KapSt von 25 % (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG) unterliegt.
3. Familienheim und Zuwendungsnießbrauch oder -wohnrecht
Ebenfalls beim BFH anhängig ist die Frage, ob die Nutzung aufgrund eines Nutzungsrechts als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken angesehen werden kann.
3.1 Entscheidung des FG Köln
Das FG Köln (8.8.12, 9 K 3615/11, ErbBstg 12, 267; Revision eingelegt, BFH: II R 45/12) hatte zu beurteilen, ob der Erwerb eines Wohnrechts an einem Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG steuerfrei ist.
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Der Ehefrau war testamentarisch ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht an der Obergeschosswohnung eines den Kindern des Erblassers (voraus-)vermachten bebauten Grundstücks eingeräumt worden.
Das FG Köln lehnt die Steuerbefreiung ab und stützt sich hierbei vornehmlich auf den Wortlaut des Gesetzes (siehe auch R E 13.3 Abs. 4 ErbStR 2011). Dieser verknüpfe die Steuerfreiheit mit dem Erwerb des (Mit-)Eigentums. Der eindeutige Wortlaut des Gesetzes schließe eine tatbestandserweiternde Auslegung auf Wohnrechte ebenso aus wie eine analoge Anwendung. Insbesondere sei keine Gesetzeslücke erkennbar. Ausweislich der Gesetzesmaterialien verfolge die Neuregelung neben dem Schutz des familiären Lebensraums insbesondere auch die Lenkung in Grundvermögen schon zu Lebzeiten des Erblassers.
Die klagende Ehefrau vertrat hingegen die Ansicht, dass die Nutzung des Familienheims aufgrund eines Wohnrechts nicht anders behandelt werden könne als die Nutzung aufgrund Eigentums (siehe auch Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Kommentar, § 13 Rn. 68). Da die Steuerbefreiung auch dann gewährt werde, wenn der Erwerber an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken aus zwingenden Gründen gehindert sei, werde im Gesetzestext zum Ausdruck gebracht, dass die Möglichkeit bzw. das Recht zur Selbstnutzung für den Erhalt der Begünstigung ausreichend seien. Es entspreche nicht der Intention des Gesetzgebers, wenn die tatsächliche Selbstnutzung aufgrund eines Wohnrechts der Besteuerung unterworfen werde, während die tatsächliche Nicht-Selbstnutzung aus zwingenden Gründen steuerfrei gestellt werde.
Zudem widerspreche es dem Gesetzeszweck, wenn das Familienheim bei den Kindern besteuert werde, weil diese es nicht selbst zu eigenen Wohnzwecken nutzen, und ihr, der Ehefrau, die Befreiung mit der Begründung versagt werde, sie sei zur Weiterleitung des Eigentums auf die Kinder verpflichtet. Die Besteuerung des Wohnrechts bei der Klägerin und die gleichzeitige Besteuerung des Eigentumserwerbs bei den Kindern verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 GG. |
3.2 Konsequenzen der Entscheidung
Der BFH wird die Argumente abzuwägen haben. Sollten im Todesfall Nießbrauchs- oder Wohnrechte am Familienheim eingeräumt worden sein und die Voraussetzungen der Steuerbefreiung im Übrigen erfüllt werden, sollte gegen Erbschaftsteuerbescheide vorsorglich Einspruch eingelegt werden. Dies gilt auch für die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG im Falle der schenkweisen Zuwendung eines Nießbrauchs- oder Wohnrechts; auch dort stellt das Gesetz jeweils auf den Eigentumserwerb ab.
3.3 Behaltensregelung in § 13 Abs. 1 Nr. 4 b und c ErbStG
Die Finanzverwaltung ist zudem der Auffassung, dass die Weiterübertragung eines von Todes wegen erhaltenen begünstigten Familienheims (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG) unter Nießbrauchsvorbehalt einen Verstoß gegen die Behaltensregelung darstellt (R E 13.4 Abs. 6 S. 2 ErbStR 2011; kritisch Viskorf/Haag, DStR 12, 223). Da das Verfahren beim BFH auch für die Klärung dieser streitbaren Wertung von Bedeutung ist, sollte auch insoweit gegen entsprechende Schenkungsteuerbescheide Einspruch eingelegt werden.
4. Nichtnutzung aus zwingend beruflichen Gründen
In einem weiteren Verfahren muss der BFH beurteilen, ob berufliche Gründe als zwingender Grund für eine Nichtnutzung der Wohnung anerkannt werden.
4.1 Entscheidung des FG Münster
Das FG Münster hatte zu beurteilen, ob ein Erwerb eines Familienheims von Todes wegen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1c ErbStG steuerbefreit ist, wenn der Erwerber aus beruflichen Gründen an der Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert ist (FG Münster 31.1.13, 3 K 1321/11 Erb, ErbBstg 13, 124, Revision eingelegt, BFH: II R 13/13).
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Der Sohn S erbte im Jahr 2009 von seinem Vater V das Einfamilienhaus in D, welches S nach dem Erbfall renovierte und vermietete. Zum Zeitpunkt des Todes des V war der S aufgrund seiner Ernennung zum Universitätsprofessor in einem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit an der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität U beschäftigt. Dieser Beschäftigung lag eine Berufungsvereinbarung zugrunde, der zufolge der S (Kläger) sich verpflichtet hatte, seinen Wohnsitz an den künftigen Dienstort U oder in dessen nähere Umgebung zu verlegen.
Das FG lehnt die Steuerbefreiung ab. Für die Anwendung der Begünstigungsvorschrift fehlt es dem FG schon an der unverzüglichen Bestimmung des erworbenen Hauses zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken. Der Senat ist der Auffassung, dass eine Ausnahme hiervon aus zwingenden Gründen nicht zugelassen ist, da diese Ausnahme beim Erwerber nur gelte, wenn das Familienheim vom Erwerber zunächst eigengenutzt worden ist.
Aber selbst wenn die Ausnahme auch ohne Eigennutzung zur Anwendung kommen sollte, sei die berufliche Versetzung kein objektiv zwingender Grund für die Nichtnutzung des EFH. Eine Ausnahme zugunsten des Erwerbers sei nur möglich, wenn der Erwerber zur Führung eines Haushalts wegen Pflegebedürftigkeit oder aufgrund Todes nicht in der Lage wäre (so auch R E 13.4 Abs. 6 S. 9 ErbStR 2011). Es genüge hingegen nicht, dass es dem Erwerber lediglich unmöglich ist, im Familienheim einen Haushalt zu führen.
Der klagende Sohn vertritt hingegen die Ansicht, auch berufliche Gründe seien als zwingende Gründe anzuerkennen. Eine Nichtanerkennung sei ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG, da ganze Berufsgruppen aufgrund ihrer Residenzpflicht von der Befreiung ausgenommen seien. |
4.2 Konsequenzen der Entscheidung
Die Behaltensregel ist nur bei Erwerben von Todes wegen zu beachten. Berufliche Gründe könnten auch nach Beginn der Eigennutzung eintreten, z.B. im Falle eines Auslandseinsatzes des Erwerbers. In entsprechenden Fällen sollte gegen den Bescheide vorsorglich Einspruch eingelegt und die Steuerbefreiung begehrt werden.
Weiterführender Hinweis
- Grewe, Steuerbefreiung für Familienheim und Wohngrundstücke, ErbBstg 13, 276 f.