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  • · Fachbeitrag · Kapitalverkehrsfreiheit

    Spanische Erbschaft- und Schenkungsteuer ist europarechtswidrig

    von RAin Katharina Kroll, Münster

    Die spanischen Erbschaft- und Schenkungsteuervorschriften sind wegen Ungleichbehandlung von Ortsansässigen (residentes) und Nicht-Ansässigen (no-residentes) rechtswidrig. Die Regelungen verstoßen gegen den in Art. 63 AEUV verankerten Grundsatz des freien Kapitalverkehrs (EuGH 3.9.14, C-127/12).

     

    Sachverhalt

    Die Europäische Kommission (EU-Kommission) hatte die spanische Regierung im Mai 2010 sowie im Februar 2011 zur Umgestaltung ihres Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts aufgefordert. Hintergrund war die Ungleichbehandlung von Nicht-Residenten und Residenten im Rahmen der Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen. Nicht-Residente müssen nach den geltenden Regelungen in der Regel höhere Steuern zahlen als Residente, auf die spezielle Gesetze der Autonomen Regionen anwendbar sind.

     

    Das spanische Erbschaftsteuersystem ist auf staatlicher Ebene durch das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz 29/1987 vom 18.12.87 (Ley 29/1987, de 18 de diciembre, de Impuestos sobre sucesiones y donaciones = LISD) und das Königliche Dekret 1629/1991 geregelt. Darüber hinaus haben die Autonomen Regionen Spaniens (autonomías) eigene Gesetzgebungskompetenzen. Sie sind berechtigt, individuelle Freibetragsregelungen festzulegen, Steuersätze selbst zu bestimmen und eigene Abzüge von der Steuerschuld sowie Vergünstigungen zu schaffen. Hiervon haben alle Autonomen Regionen Gebrauch gemacht; einige gewähren eine fast völlige Freistellung.

     

    Die Anwendung der Gesetze einer Autonomen Region setzt voraus, dass der Steuerpflichtige, also der Erbe bzw. der Beschenkte, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien hat, das heißt persönlich steuerpflichtig ist. Darüber hinaus muss der Erblasser im Zeitpunkt seines Versterbens während der letzten fünf Jahre seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Autonomen Region gehabt haben. Bei Schenkung einer Immobilie ist das Recht der Autonomen Region anwendbar, in der diese belegen ist. Werden bewegliche Güter geschenkt, ist das Recht einer Autonomen Region anwendbar, wenn der Beschenkte zum Zeitpunkt der Schenkung dort während der letzten fünf Jahre seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

     

    Ausschließlich staatliches Recht ist anwendbar, wenn der Steuerschuldner im Ausland ansässig ist. Bei ausschließlicher Anwendbarkeit des staatlichen Rechts entfallen die steuerlichen Vergünstigungen der Autonomen Regionen. Ein ausländischer Steuerpflichtiger wird daher im Regelfall höher besteuert, als ein in Spanien Ansässiger.

     

    Weil Spanien den Aufforderungen der EU-Kommission nicht nachgekommen ist, wurde am 7.3.12 Klage vor dem EuGH in Luxemburg eingereicht.

     

    Entscheidungsgründe

    Der EuGH hat entschieden, dass das spanische Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz wegen Ungleichbehandlung gegen die in Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankerte Kapitalverkehrsfreiheit verstoße. Zwar heißt es in Art. 65 Abs. 1aAEUV ausdrücklich: „Art. 63 berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten, Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich zu behandeln“. Diese Regelung sei jedoch eng auszulegen und hier nicht anwendbar. In Art. 65 Abs. 3 AEUV heißt es nämlich: „Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Maßnahmen und Verfahren dürfen weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Art. 63 darstellen.“

     

    Danach, so der EuGH, müsse streng zwischen der nach Art. 65 Abs. 1 AEUV noch erlaubten unterschiedlichen Behandlung und der nach Art. 65 Abs. 3 AEUV verbotenen willkürlichen Diskriminierung unterschieden werden. Wesentlich Gleiches sei steuerlich gleich zu behandeln.

     

    Praxishinweis

    Die spanische Regierung ist nun verpflichtet, die Gesetzgebung im Hinblick auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer zu reformieren. Voraussichtlich wird die Zentralregierung in Madrid die Rahmenbedingungen vorgeben; die Autonomen Regionen müssen im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenz Modifikationen vornehmen, welche die unterschiedliche Behandlung von Residenten und Nicht-Residenten beseitigen.

     

    Nicht-Residente, die innerhalb der letzten Jahre ErbSt/SchenkSt in Spanien gezahlt haben, können unter bestimmten Voraussetzungen die Rückzahlung zuviel gezahlter ErbSt/SchenkSt ganz oder zum Teil verlangen, wenn der Rückforderungsanspruch noch nicht verjährt ist. Die Verjährungsfrist beträgt vier Jahre. Voraussichtlich ergibt sich der überzahlte Betrag aus der Differenz zwischen den durch Residente und Nicht-Residente gezahlten Steuern.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2014 | Seite 253 | ID 42949213