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  • · Fachbeitrag · Personengesellschaften

    Wegfall des Verschonungsabschlags: Nachversteuerung in mehrstöckigen Strukturen

    von StB Dipl.-Kauffrau Dr. Katrin Dorn, Fachberaterin für Unternehmensnachfolge, Partnerin bei MÖHRLE HAPP LUTHER, Hamburg

    | Mit Urteil vom 16.3.21 (II R 10/18) hat der BFH über den Wegfall des Verschonungsabschlags bei mehrstöckigen Personengesellschaften entschieden. Dabei hat er klargestellt, dass (allein) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Unterpersonengesellschaft zu keiner Nachversteuerung für das Betriebsvermögen der Oberpersonengesellschaft führt. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn Wirtschaftsgüter der Unterpersonengesellschaft veräußert oder anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt werden, soweit es sich bei diesen um wesentliche Betriebsgrundlagen der Oberpersonengesellschaft handelt. |

     

    Sachverhalt

    Im Streitfall wurde eine Beteiligung an der X-KG übertragen, welche zugleich alleinige Kommanditistin der grundbesitzenden A-KG war, und dafür die Steuerbefreiung nach §§ 13a, 13b ErbStG a. F. in Anspruch genommen hatte. Einige Zeit nach dieser Übertragung wurde innerhalb der fünfjährigen Behaltensfrist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A-KG eröffnet. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens veräußerte der Insolvenzverwalter zahlreiche Wirtschaftsgüter der A-KG und vermietete deren Grundbesitz an Dritte.

     

    Das Finanzamt sah bereits in der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Verstoß gegen die Behaltensfrist und führte eine entsprechende Nachversteuerung für die Übertragung der Beteiligung an der X-KG durch. Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg (EFG 18, 688). Im Revisionsverfahren machte das Finanzamt eine Verletzung von § 13a Abs. 5 Nr. 1 S. 1 und 2 i. V. m. Abs. 2 ErbStG a. F. geltend. Die Beteiligung an der grundbesitzenden A-KG sei eine wesentliche Betriebsgrundlage der X-KG; insoweit sei die Insolvenzeröffnung einer Aufgabe des Gewerbebetriebs gleichgekommen und dementsprechend eine steuerschädliche Verwendung eingetreten.

     

    Entscheidungsgründe

    Der BFH gab dem Finanzamt recht (BFH 16.3.21, II R 10/18, Abruf-Nr. 223511). Das FG hat zwar zutreffend entschieden, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (allein) keinen Verstoß gegen die Behaltensfrist auslöst, es hat jedoch nicht festgestellt, ob die Grundstücke der grundbesitzenden A-KG wesentliche Betriebsgrundlagen der X-KG waren, die durch ihre Vermietung an Dritte betriebsfremden Zwecken zugeführt wurden. Insoweit musste die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen werden.

     

    Die Steuerbefreiung nach §§ 13a, 13b ErbStG wird unter einer sog. Behaltensfrist gewährt. Sofern das begünstigte Vermögen selbst veräußert, der Gewerbebetrieb aufgegeben oder wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert, in das Privatvermögen übertragen oder anderen betriebsfremdem Zwecken zugeführt werden, entfällt die Steuerbefreiung rückwirkend und es wird für die begünstigte Übertragung eine Nachversteuerung ausgelöst.

     

    Der Grund für eine solche steuerschädliche Veräußerung ist dabei nach Rechtsprechung des BFH irrelevant. Auch der zwangsweise Verkauf der genannten Wirtschaftsgüter kann eine Nachversteuerung zur Erbschaftsteuer auslösen (vgl. BFH 1.7.20, II R 19/18, BFHE 269, 450). Dies gilt auch im Falle der Insolvenz der Gesellschaft, wenn beispielsweise der Gewerbebetrieb insolvenzbedingt aufgegeben wird, weil die Aufgabe der Veräußerung gleichgestellt ist.

     

    MERKE | Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft löst noch keinen Verstoß gegen die Behaltensfrist aus, weil damit (noch) keine Veräußerung oder Aufgabe o. Ä. einhergeht (BFH 1.7.20, II R 19/18, II R 20/18, dazu ausführlich vgl. Möhrle/Dorn, NWB-EV 20, 432 f. Anders wäre es, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft eröffnet wird; denn hier sieht § 13a Abs. 5 S. 1 Nr. 4 ErbStG a. F. ausdrücklich vor, dass auch die Auflösung der Kapitalgesellschaft eine Nachversteuerung auslöst).

     

    Wie der BFH mit dem Urteil vom 16.3.21 (II R 10/18) entschieden hat, finden diese Grundsätze auch Anwendung, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Unterpersonengesellschaft eröffnet wird. Daher kann die Eröffnung des Verfahrens über das Vermögen der Unterpersonengesellschaft allein keine Nachversteuerung für die begünstigte Übertragung der Beteiligung an der Oberpersonengesellschaft auslösen.

     

    Etwas anderes gilt in mehrstöckigen Strukturen jedoch dann, wenn im Zuge dieses Insolvenzverfahrens Wirtschaftsgüter veräußert, ins Privatvermögen überführt oder anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt werden, die zwar zum Vermögen der Unterpersonengesellschaft gehören, aber wesentliche Betriebsgrundlagen der Obergesellschaft sind. Dabei ist der Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlage grundsätzlich nach ertragsteuerlichen Grundsätzen auszulegen. Diese Auslegung würde jedoch dazu führen, dass die Wirtschaftsgüter der Unterpersonengesellschaft grundsätzlich nur wesentliche Betriebsgrundlagen dieser Gesellschaft, nicht aber wesentliche Wirtschaftsgüter der Obergesellschaft sein können. Nach Auffassung des BFH gebiete es jedoch der Zweck des § 13a Abs. 1 ErbStG a. F., hier eine abweichende Beurteilung vorzunehmen. Danach können auch die Wirtschaftsgüter der Unterpersonengesellschaft zugleich als wesentliche Betriebsgrundlagen der Oberpersonengesellschaft anzusehen sein, sofern diese für den Betrieb der Oberpersonengesellschaft und seine Fortführung funktional wesentlich sind (vgl. FG Münster 31.7.03, 3 K 3764/00 Erb, EFG 03, 1636).

     

    Beachten Sie | Für die Beurteilung, ob diese Voraussetzungen vorliegen oder nicht, sind sowohl quantitative als auch qualitative Merkmale heranzuziehen, wobei dafür die Gesamtumstände des Einzelfalls maßgebend sind. In zeitlicher Hinsicht erfolgt die Beurteilung dabei zu dem Zeitpunkt, zu dem das Wirtschaftsgut veräußert oder betriebsfremden Zwecken zugeführt wird; der Zeitpunkt der ursprünglichen Übertragung der begünstigten Beteiligung ist also nicht entscheidend.

     

    Für die Höhe des nachzuversteuernden Vermögens ist dann allerdings die Veräußerung oder die Entnahme aus dem Betriebsvermögen maßgebend, nicht der Tag der Insolvenzeröffnung. Der Wegfall des Verschonungsabschlags richtet sich gem. § 13a Abs. 6 S. 2 ErbStG auch nach dem Zeitraum des Verbleibs im Betriebsvermögen zur gesamten Behaltensfrist.

     

    Relevanz für die Praxis

    Zentrale Aussage dieses Urteils ist, dass ‒ abweichend von der ertragsteuerlichen Beurteilung ‒ auch Wirtschaftsgüter der Unterpersonengesellschaft wesentliche Betriebsgrundlagen der Oberpersonengesellschaft sein können, sodass auch deren Veräußerung, Überführung ins Privatvermögen oder Zuführung zu betriebsfremden Zwecken eine Nachversteuerung der begünstigten Übertragung der Beteiligung an der Oberpersonengesellschaft auslösen kann.

     

    Die Beurteilung hat nach quantitativen und qualitativen Merkmalen zu erfolgen, entscheidend sind die Gesamtumstände des Einzelfalls. Beurteilungszeitpunkt ist die Verwendung der wesentlichen Betriebsgrundlage, nicht der ursprüngliche Übertragungszeitpunkt. Hinsichtlich der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über eine Personengesellschaft stellt der BFH dabei klar, dass diese Grundsätze auch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über eine Unterpersonengesellschaft gelten. Danach kann allein die Eröffnung des Verfahrens keine Nachversteuerung auslösen. Diese Rechtsprechung ist auch auf die derzeitige Fassung der Steuerbefreiung nach §§ 13a, 13b ErbStG übertragbar.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2021 | Seite 213 | ID 47546142